Zeichen auf Verkauf? Was die Bundestagswahl 2021 für Immobilien-Anleger bedeuten kann

Eine Kolumne von Jan Witte.

Die Rentabilität von Wohnungs- und Mehrfamilienhausinvestments wird zu einem nicht unwesentlichen Teil von aktuellen immobilienpolitischen Rahmenbedingungen beeinflusst – zum Beginn der neuen Legislaturperiode gilt dies womöglich mehr denn je. Mit einigem Abstand zur zurückliegenden Bundestagswahl 2021 steht nun das Endergebnis fest, in der Regierungsbildung zeichnet sich ein Dreierbündnis zwischen FDP und Grünen sowie der SPD als Wahlgewinner ab. Die ersten Sondierungen haben zum einen ergeben, dass aktuell konkrete Koalitionsverhandlungen zwischen den genannten Parteien geführt werden. Zum anderen dürfte der ein oder andere Immobilienbesitzer bei Durchsicht der Sondierungsvereinbarungen ein Stück weit erleichtert aufgeatmet haben, da die bisher bekannten Positionen hoffen lassen, dass eine eher zukunftsweisend gestaltende Politik zu erwarten ist, als eine Politik, die von Restriktionen und Steuererhöhungen geprägt ist.

Auf der Grundlage meiner bisherigen Erfahrung im Asset-Segment der Zins- und Mehrfamilienhäuser erachte ich für Immobilienbesitzer in den laufenden Koaltitionsvereinbarungen vor allem drei Verhandlungsschwerpunkte als richtungsweisend: So steht erstens die Debatte um eine gesetzlich geregelte Mietpreisbegrenzung, z.B. durch Verlängerung der Betrachtungszeiträume bei der Ermittlung der Mietpreise für den Mietenspiegel im Raum. Für aktuelle wie perspektivisch geplante Vermietungen sollten sich Eigentümer, vor allem an stark nachfragebestimmten Märkten wie Hamburg, in diesem Fall also darauf einstellen, mittelfristig mit Mieteinnahmen auf moderat steigendem Niveau zu kalkulieren.

Als zweiter, in meinen Augen elementarer Aspekt, spielt auch die Diskussion um die Abschaffung des steuerfreien Immobilienverkaufs nach 10 Jahren eine wichtige Rolle für die Attraktivität aktueller und zukünftiger Immobilieninvestments. Ebenfalls durch SPD und Grüne angeregt, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt abzuwarten, ob Verkaufsgewinne vermieteter Objekte in einem solchen Szenario tatsächlich uneingeschränkt versteuert werden müssten, oder ob – ähnlich wie seinerzeit beim Wegfall der Spekulationsfrist für Aktien zum 01. Januar 2009 – etwa eine Ausnahme für Bestände älteren Kaufdatums beschlossen wird.

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Unabhängig davon, in welcher Form sich eine solche Entscheidung in späteren Gesetzesentwürfen abbilden könnte: Für Eigentümer würde eine lohnende Partizipation an positiven Marktentwicklungen abgeschwächt. Gleichwohl führen das anhaltend historisch niedrige Zinsniveau und die fehlenden Anlagealternativen weiter zu einem erwartbaren Nachfrageüberhang. Die Immobilie als Kapitalanlage wird also ungeachtet dessen weiter attraktiver Bestandteil einer ausgewogenen Asset Allocation bleiben. Eigentümer sollten jedoch für sich prüfen, ob nach den starken Preisanstiegen der letzten Jahre Gewinnmitnahmen und Reinvestitionen aus dem Verkaufserlös gerade jetzt sinnvoll sein können.

Der dritte relevante Punkt wird die Anforderung an Immobilieneigentümer sein, das eigene Gebäude energetisch intelligent zu nutzen. Hierzu zählt u.a. die Nutzung vorhandener Dachflächen zur Erzeugung von Energie. Neben evtl. notwendigen Zusatzinvestitionen bleibt abzuwarten, inwieweit staatliche Förderungen die Durchführung derartiger Maßnahmen finanziell erleichtern. Unstrittig dürfte jedoch sein, dass die weitere energetische Optimierung im Immobilienbestand und -neubau eines der Zukunftsthemen in der Immobilienbranche sein wird. Die nächsten Wochen werden zeigen, in welche politische Richtung unser Land in der nächsten Legislaturperiode steuert. Selbst bei einem Scheitern der aktuellen Koaltitionsverhandlungen und in einem möglichen Jamaikabündnisses sind derartige Reformen durchaus realistisch, weshalb Anleger und Eigentümer bereits heute über ihre mittelfristige Vermögensstrategie nachdenken sollten. Gerade in Anbetracht der Wertsteigerungen innerhalb der letzten 10 Jahre und der Aussicht auf ein möglicherweise reduziertes Renditepotenzial kann der zeitnahe Verkauf in einigen Fällen zur ökonomisch richtigen Entscheidung avancieren. Die grundsätzlichen Anlagequalitäten von Mehrfamilienhausinvestments an traditionell nachfragestarken Märkten wie Hamburg würden meiner Meinung dadurch dennoch nur unwesentlich geschmälert. Die Zusammenarbeit mit einem fachkundigen Immobilienexperten kann hier helfen, sich eine fundierte Übersicht zur individuellen Situation zu verschaffen und eine zukunftsorientierte, nachhaltige Wahl zu treffen.

Jan Witte trägt als Bereichsleiter die Verantwortung für das Geschäftsfeld Wohn- und Geschäftshäuser bei Engel & Völkers Commercial Hamburg. Als langjährig erfahrener Manager und Ökonom, der unter anderem als Führungskraft bei unterschiedlichen Kreditinstituten tätig war, widmet er sich aktuell dem Schwerpunkt gewerblicher Immobilieninvestments in der Hansestadt. Wittes Expertise umfasst vor allem die fundierte Bewertung von Anlageobjekten, das Erschließen ungenutzter Asset-Potenziale und die professionelle Vermarktung an eine nationale wie internationale Käuferklientel