Zwischen Angst und Abenteuer

Foto: B&PThorsten Wefelmeier || Foto: B&P

Die KI-Kolumne von Thorsten Wefelmeier.

Angst ist ein menschliches Grundgefühl, das immer dann entsteht, wenn wir mit etwas Unbekanntem beziehungsweise Unheimlichem konfrontiert werden. „Der größte Feind der Innovation ist die Angst“ (Neukirch 2019). Sind wir zu ängstlich? Deutschland liegt im internationalen Vergleich der digitalen Wettbewerbsfähigkeit nur im trostlosen Mittelfeld. Aber müssen wir vor digitalen Innovationen wie der Künstlichen Intelligenz wirklich Angst haben? Wenn Maschinen die Aufgaben von Menschen automatisiert übernehmen, ist es richtig und verständlich, dass wir diesen Veränderungen kritisch und mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. Schließlich bringt jede (technische) Innovation eine Veränderung unserer Lebens- und Arbeitswelt mit sich. Die Fragestellungen, die es im Kontext der digitalen Automatisierung zu beantworten gilt, sind entsprechend komplex. Mit einem einfachen Ja oder Nein lassen sie sich nicht mehr beantworten. Dazu ist die Gemengelage aus dem technisch Möglichen, der Ethik und sozialen Verantwortung zu vielschichtig.

„Angst liegt nie in den Dingen selbst, sondern darin, wie man sie betrachtet,“ konstatiert Anthony de Mello in einem seiner Bücher. Es gilt demzufolge, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und die Möglichkeiten der Digitalisierung aus anderen Blickwickeln zu betrachten – aus denen der Neugierigen und der Abenteurer. Jenen Unerschrockenen, die sich seit jeher dem Unbekannten stellen, um Neues zu entdecken, die Welt zu verstehen und zu erklären. Sind es nicht eben diese Abenteurer, die die Entwicklung der Menschheit mit ihrem Mut und neuen Erkenntnissen vorangebracht haben?

Aber damals wie heute ist das Spannungsfeld zwischen den Ängstlichen und den Abenteurern identisch geblieben. Für die einen stellen Innovationen eine enorme Verunsicherung, eine Bedrohung, eine Art Teufelswerk dar. Für die anderen erschließen sich neue spannende Welten und Horizonte. Die Erfahrung lehrt uns aber, dass sich am Ende immer das Innovative durchsetzt. Wer sich nicht entwickelt, stirbt aus. Eine Gesetzmäßigkeit, die sowohl in der Biologie als auch in der Ökonomie gilt.

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Was bedeutet das im Hinblick auf die KI? Auch hier bewegen wir uns in einem ähnlichen Spannungsfeld: Die Ängstlichen befürchten in den Möglichkeiten der KI Untiefen und ein Fangnetz von Fragestellungen. Die Mutigen erkennen im Einsatz der modernen Methoden ein kostbares, unbezahlbares Geschenk. Die KI schenkt uns Zeit! Die Automatismen der KI erledigen für uns Routinetätigkeiten, und wir gewinnen Zeit für anderes. Die KI der „Google-Suche“ und von „Wikipedia“ sind wohl die alltäglichsten Beispiele dafür. Schlagwörter eingeben, mit einem Mausklick abschicken und sofort eine Antwort erhalten. Wir bekommen die Zeit geschenkt, die man sonst mit der Suche nach Informationen in Bibliotheken oder analogen Lexika verbracht hätte.

Übertragen auf den ökonomischen Nutzen der KI bedeutet dies: Das „Geschenk der Zeit“ ist gleichbedeutend mit „Wettbewerbsvorteil“ – die Routine automatisieren, um Zeit für das Wesentliche zu haben. Es gilt also, sich heute dem innovativen Abenteuer der KI zu stellen, um morgen wettbewerbsfähig zu bleiben. Es gilt, die geschenkte Zeit nicht zu verlieren. Denn: „Die Fähigkeit zur Innovation entscheidet über unser Schicksal“ (Roman Herzog, Berliner Rede 1997).