Déjà-vu – wiederholt sich der Lockdown-Herbst?

Hohe Inzidenzen trüben die Konjunktur-Aussichten – Unternehmen brauchen Planungssicherheit.

Die beiden Pandemiejahre eint ein ähnlicher Verlauf. Im vergangenen Sommer waren die Inzidenzen ebenfalls niedrig. Nach den Ferien setzte die Kurve zum exponenziellen Wachstum an und bescherte ab November den „Lockdown light“, der ab Mitte Dezember in einen mehrmonatigen harten Lockdown führte. Droht nun wieder ein böses Erwachen?

Von Ende April bis Ende Juni 2021 fielen die Inzidenzwerte deutlich, immer mehr Corona-Beschränkungen wurden daraufhin im Rahmen des niedersächsischen Stufenplans wieder zurückgenommen. Wie die Konjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Stade für den Elbe-Weser-Raum im Sommer zeigte, freuen sich darüber insbesondere diejenigen Branchen, die zuvor erheblich von den Einschränkungen betroffen waren (unter anderem Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastgewerbe).

„Ich habe ein kleines Déjà-vu“, sagt Henrik Gerken, Referent für Volkswirtschaft der IHK Stade mit Blick auf die zurückliegenden Wochen. „Im vergangenen Sommer hatten wir auch gedacht, die Krise in den Griff zu bekommen.“ Seit Anfang Juli steigen die Zahlen jedoch wieder. Allerdings gibt es auch wesentliche Unterschiede zum Vorjahr. „Ein Großteil der Bevölkerung ist mittlerweile geimpft, es gibt Testangebote, und viele Unternehmen haben einen Plan und die Erfahrung, wie sie mit der Situation umgehen können“, ergänzt Philipp Welsch, der bei der IHK Stade Unternehmen in kritischen Situationen berät.

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Mit dem Anziehen der Konjunktur ist auch der Fachkräftemangel wieder stärker in den Fokus der Unternehmen gerückt. Einige Branchen waren im Sommer durch fehlendes Personal beim Re-Start ausgebremst. Nun liegt der Blick wieder auf den Infektionszahlen, aber nicht nur. Niedersachsen bezieht in seinem Warnsystem zusätzlich die Hospitalisierung sowie Intensivbettenbelegung mit Corona-Patienten ein. Dennoch bleibt die Sorge, dass es im Herbst entgegen der Ankündigungen erneut erhebliche Einschränkungen geben könnte. „Damit die Unternehmen Planungssicherheit haben, muss von Anfang an klar sein, was unter welchen Bedingungen möglich ist“, fordern Gerken und Welsch.

Die Industrie ist bisher recht glimpflich durch die Corona-Krise gekommen, auch weil sie weniger Beschränkungen unterworfen war als andere Wirtschaftszweige. Corona sorgt aber auch hier für erhebliche Herausforderungen. „Die weltweite Nachfrage nach Industriegütern hat seit Sommer 2020 wieder angezogen“, berichtet Gerken. „Die Kehrseite des Aufschwungs sind Materialknappheit und steigende Rohstoffpreise.“ Dieses Problem bestehe auf breiter Front. Nicht nur typische Vorprodukte wie Metallerzeugnisse und Chemie sind betroffen, sondern beispielsweise auch Steine und Erden, Dämmstoffe, Holz, Glas und Papier (dazu ein Bericht auf Seite 16 im Immobilien-Special).

Die Kehrseite des Aufschwungs

Hinzu kommt: Die weltweiten Lieferketten können den Bedarf nicht schnell genug decken. „Steigende Preise und Transportkosten stellen insbesondere den Einkauf vor erhebliche Herausforderungen und erschweren die Kalkulation“, weiß Philipp Welsch. Doch nicht nur die Preise machen den Betrieben zu schaffen, sondern auch die tatsächliche Verfügbarkeit der Rohstoffe und Vorprodukte. In einigen Fällen können die erforderlichen Mengen nicht mehr beschafft werden.

Von der Rohstoffgewinnung über Vorleistungsgüter bis hin zum fertigen Produkt bauen die einzelnen Bereiche aufeinander auf. Wenn ein Baustein fehlt, zieht sich das oftmals durch die gesamte Angebotskette. Durch die engen Verflechtungen mit nachgelagerten Branchen sind die Auswirkungen auch in anderen Wirtschaftszweigen zu spüren.

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Hören, was die Experten sagen: Im Podcast B&P BusinessTalk geben Henrik Gerken und sein Kollege Philipp Welsch aus dem Bereich Unternehmensförderung eine Einschätzung der Situation. Ihr wichtigstes Anliegen: Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Deshalb sei es nötig, dass die Politik Rahmenbedingungen definiert, die eine Orientierung in Zeiten der Pandemie bieten. Ein weiterer Lockdown sei keine gute Perspektive und könne für viele Unternehmen das Aus bedeuten, weil die Reserven in der Vergangenheit aufgebraucht wurden.

>> Kontakt: Henrik Gerken,
Tel.: 0 41 41/524-285,
E-Mail: henrik.gerken@stade.ihk.de