Lieferwagen raus, Fahrradkurier rein

Foto: Susanne Meinecke/Wirtschaftsbehörde Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch hat nicht nur die große Hafenlogistik mit 20 000-TEU-Containerschiffen im Blick, sondern auch „die letzte Meile“ in der City – die verstärkt durch Fahrradkuriere bedient wird. Ein Konzept auch für mittelgroße Städte.

INTERVIEW Das ist die Hamburger Antwort auf die eklatante Zunahme der innerstädtischen Lieferverkehre – Gespräch mit Wirtschaftssenator Frank Horch

Mit einem Pilotprojekt in der City sucht Hamburg nach neuen Wegen, um die rasant steigende Zahl der Lieferverkehre zu minimieren. Das Prinzip: zentrale Anlieferungsstützpunkte, von denen aus Fahrradkuriere Pakete im kleinen Radius verteilen. Zum Beispiel am Neuen Wall. Das Konzept ist so erfolgreich, dass ein Pilotprojekt mit ups jetzt verlängert wurde. B&P-Redakteur Wolfgang Becker sprach über diese eher filigrane Seite der Logistik mit Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch. Er sieht auch positive Ansätze für Städte wie Buxtehude und Buchholz.

In Hamburg gibt es ein neues Pilotprojekt mit ups, um den zunehmenden Lieferverkehr aus den verstopften Straßen der Innenstadt herauszuhalten. Wie ist das angelaufen?
Wir stellen fest, dass der Zustellerbereich durch e-commerce einem Wandel unterliegt. Wir verzeichnen einen enormen Anstieg. Ein weiterer Grund dafür: Viele Produkte werden gleich mehrfach geordert und bei Nichtgefallen auch wieder zurückgeschickt. So sind die Auswirkungen auf den innerstädtischen Verkehr nicht unerheblich. Wenn Sie durch Hamburg fahren, sehen Sie in jeder Straße Paketzusteller mit Blinklicht in der zweiten Reihe. Wenn dann noch die Müllabfuhr hinzukommt, entwickelt sich schnell ein Stau. Und dann bricht der Verkehr schnell zusammen.

Gibt es belastbare Zahlen, wie sich speziell die Zustellungen auf der letzten Meile entwickelt haben?
Wir gehen von einem Anstieg so um 60 Prozent aus. Schauen Sie mal in die HafenCity. Da stehen am Kaiserkai zeitgleich drei bis vier Transporter von DHL oder ups. Diese Fahrzeuge bestimmen an solchen Stellen das Geschehen. Und das ist schwierig.

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Ist der Einzelhandel dafür verantwortlich?
Wir empfehlen dem Einzelhandel ja durchaus, sich auf das neue Zeitalter und den
Online-Handel einzustellen. Hamburg ist eine starke Stadt im IT-Bereich. Aber nun müssen wir auf der verkehrlichen Seite Lösungen anbieten. Ein Beispiel ist das Pilotprojekt mit ups.

Wie funktioniert das?
Es gibt Sammelstellen, von denen aus die Verteilung vorgenommen wird. Zum Beispiel an kritischen Stellen wie dem Neuen Wall und Große Bleichen. Dort fährt der elektrisch betriebene Lieferwagen hin und liefert die Pakete an. Über Elektrokarren oder mit E-Lastenfahrrädern wird dann die weitere Verteilung vorgenommen. Wichtig ist: Das Lieferfahrzeug steht eben nicht Adresse für Adresse mit laufendem Motor in der Straße.

Wie ist die Zwischenbilanz?
Das Projekt läuft sehr gut und hat eine zunehmende Tendenz.

Ist die Stadt finanziell beteiligt?
Nein, aber wir stellen beispielsweise die Flächen für die Verteilstellen zur Verfügung.

Wie reagiert die ups-Konkurrenz?
Die Konkurrenz beobachtet das und stellt ihrerseits konstruktive Überlegungen zu dem Thema an. Das ist ja der nächste Schritt: die generelle Bereitschaft, kooperative Zusammenarbeit an bestimmten Stellen zu praktizieren. Dazu zählen beispielsweise die Inline-Kuriere. Gerade die Fahrradkuriere sind interessant. Mittlerweile sind Lastenräder im Einsatz. Die Kuriere sind vernetzt, die Touren werden digital optimiert. Die Fahrräder haben teilweise E-Antriebe.

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Wie lange läuft das Pilotprojekt mit ups?
Jetzt seit mehr als einem Jahr, aber wir wollen die Phase verlängern. Die Partner sehen das durchaus positiv. Die Anlieferflächen stellen wir tagsüber weiterhin zur Verfügung, abends und nachts nicht. Eine Erkenntnis: Stellflächen für mobile containerähnliche Behältnisse sollten bei Neuplanungen gleich von vornherein mit eingeplant werden.

Ist das ein typisches City-Thema oder auch darüber hinaus geeignet?
Nein, das ist auch ein Thema für mittlere Ortschaften. Da ist es ja sogar noch einfacher. Auch dort sollen ja nicht in jeder Straße Lieferwagen in der zweiten Reihe stehen. Nehmen wir mal Buxtehude oder Buchholz. Auch dort macht es Sinn, die Lieferverkehre zu zentralisieren. Konzeptionell ist es in einer Großstadt wie Hamburg sogar schwieriger umzusetzen.

Wie ist denn die Reaktion der Anlieger beispielsweise am Neuen Wall?
Mit ist bislang keine Beschwerde zu Ohren gekommen. Daraus lässt sich schließen, dass der neue Service gut ankommt. Wichtig ist, dass es uns gelingt, im Straßenverkehr ein Miteinander zu schaffen. Also nicht Auto gegen Fahrrad und Fahrrad gegen Auto. Dieses Pilotprojekt mit ups ist bislang ein Novum. Hamburg ist die einzige Stadt, die das im großen Stil ausprobiert. Was sich im Übrigen auch positiv auf die Schadstoffbelastung auswirkt.