Plötzlich ist der Gegner unsichtbar

Editorial: Zwischen Donald und Coronald.

Vor wenigen Wochen waren wir noch davon überzeugt, dass die Gefahr für die europäische Wirtschaft orange ist, jetzt stellen wir fest: Sie ist unsichtbar. Einem überflüssigen Virus ist es gelungen, dem Handelskrieger Donald Trump die Deutungshoheit über das Funktionieren der Märkte abzunehmen. Mühsam aufgebaute Aktienfantasien sind binnen weniger Wochen zum Alptraum der Börsianer geworden. SARS-CoV2 ist nicht nur eine gesundheitliche Bedrohung für viele Menschen, sondern bedeutet auch virale Vollbremsung für die Wirtschaft – das „neuartige Corona-Virus“ hat an den Börsen in Rekordzeit Billionenwerte von Anlegern pulverisiert. Kleine und mittelständische Unternehmen haben existenzielle Sorgen. In der Folge hagelt es Entlassungen und Kurzarbeit, deutsche Autokonzerne stellen die Produktion ein und der Einzelhandel kommt fast völlig zum Erliegen, der internationale Handel angesichts geschlossener Grenzen ebenfalls.

Allein der Begriff „neuartig“ grenzt dabei an Zynismus, denn richtig müsste es bösartig heißen. Die Pandemie ist eine globale Bedrohung und hat eine allgegenwärtige Verunsicherung ausgelöst. Dreißig Minuten intensives Nachrichtenstudium reichen völlig aus, labile Menschen an den Rand einer Depression zu bringen. Das Wechselbad zwischen positiv deutbaren Mitteilungen gemäßigter Virologen und erschütternden Berichten italienischer Ärzte über den tatsächlichen Zustand in den Krankenhäusern ist nur schwer zu ertragen. Wenn dann noch ein Fall im direkten Umfeld, vielleicht sogar im eigenen Unternehmen aufkommt, dann brennt die mentale Hecke lichterloh.

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Ein Blick in die neue Ausgabe von B&P zeigt indes: Die Wirtschaft ist noch lange nicht tot. Es wird geforscht, geplant, entwickelt, produziert und nach vorn geschaut. Ja, die Zeiten sind speziell und sicherlich auch bedrohlich (weil unvorhersehbar), aber das waren sie eigentlich immer. Vor wenigen Wochen war es noch der selbsternannte Hobbyvirologe Donald aus dem Weißen Haus in Washington („Ich kenne mich mit Viren aus. Wir haben alles im Griff . . .“), der für Magenschmerzen sorgte, jetzt ist es eben Coronald.

Bleiben wir also nüchtern in der Beurteilung der Lage, solidarisch im Verhalten und stark in der Reaktion. Zum Beispiel so wie Kai-Olaf Möller und Torsten Friedrichs, zwei Asien-Experten, die sich bereits jetzt auf die Zeit nach der Pandemie vorbereiten und deutschen Unternehmen helfen, technische Produkte in China fertigen zu lassen (Seite 4). Gestern völlig normal, zurzeit fast undenkbar und morgen vermutlich wieder ein Wettbewerbsvorteil. Jetzt haben wir erstmal einen Virus und sind darauf nicht gut vorbereitet. Aber deshalb hören wir trotzdem nicht auf, über Technologien von morgen nachzudenken. So tickt die Wirtschaft. Unsere Wirtschaft in der Metropolregion Hamburg Süd.

In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund, und lassen Sie sich nicht entmutigen.

Ihr Wolfgang Becker und Wolfgang Stephan


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