Der Brückenschlag beginnt im Kopf

Harburg Marketing: Antonia Marmon und Dr. Ralf Grote über Wissenschaft, Wirtschaft und die soziologische Fusion von Binnenhafen und Innenstadt.

Auf Vereinsebene ist schon mal gelungen, was nun im urbanen Leben Harburgs nachvollzogen werden soll: die Fusion des Channels mit der Harburger Innenstadt zu einem innovativen Standort. Das ist das große Ziel, das sich der neue Vorstand von Harburg Marketing e.V. für die nächsten drei Jahre gesteckt hat. Im Gespräch mit B&P erläuterten Dr. Ralf Grote (TU Hamburg), er bildet mit Julita Hansen (Phoenix-Center) die Doppelspitze des Vorstands, und Antonia Marmon, neue Geschäftsführerin des ebenfalls neuen Vereins, ihren Ansatz. Und der ist wirklich neu.

Der Brückenschlag von Harburg-City in den innovativen Channel beschäftigt die Harburger seit vielen Jahren. Gedacht wurde das Vorhaben allerdings immer in Beton: Der Harburger Bauunternehmer Arne Weber stellte vor Jahren eine befahrbare Einhausung der Bahnstrecke vor, die Hafen und Innenstadt voneinander trennt. TU-Professor Dr. Jürgen Pietsch brachte eine breite und begrünte Landbrücke in die Diskussion ein. Und sogar eine komplette Absenkung der Bahn und auch gleich der Bundesstraße 73 in einen gedeckelten Trog konnte sich mancher kreative Kopf vorstellen – ein Vorhaben, das allein schon angesichts der begrenzten Steigungswinkel für Bahngleise und natürlich auch wegen der exorbitanten Kosten zum Scheitern verurteilt war.

„Fusion in Zeitlupe“

Anzeige

Leben kam in die Angelegenheit, als die beiden Ahnen von Harburg Marketing, die Vereine channel hamburg e.V. und Citymanagement Harburg e.V., gemeinsame Aktivitäten entwickelten, nicht zuletzt, weil Melanie-Gitte Lansmann, Geschäftsführerin beider Vereine in Personalunion, kulturelle Events wie die „Nacht der Lichter“ vom Hafen in die Stadt fließen ließ. Damit war der Anfang einer Entwicklung gemacht, die man als „Fusion in Zeitlupe“ bezeichnen könnte, denn nach wie vor unterscheiden sich der Channel und die Harburger Innenstadt eklatant voneinander – hier das Hightech- und mittlerweile auch Wohnquartier mit 6000 Beschäftigten, moderner Architektur und maritimem Flair; dort die durch Krieg, Harburger Ring und S-Bahn-Bau durchgerüttelte einstige Provinzstadt Harburg, die sich dank der TUHH und dank der Channel-Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten zwar vom Ruf der Industrie- und Arbeiterstadt befreien konnte, aber weiterhin an Image gewinnen muss. Wie passt das zusammen?

Ralf Grote: „Unser Claim lautet ‚Wissenschaft – Wirtschaft – Leben‘. In keinem anderen Bezirk Hamburgs ist die Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft so stark zu beobachten wie in Harburg. Mit der Achse Tempowerk/Bostelbek bis Neuland stellen wir mittlerweile die Innovation City Hamburgs dar. Es geht um Innovationen und um Business. Und genau hier ist unser Ansatz: Wenn es uns gelingt, den Image-Transfer aus dem Binnenhafen und dem TUHH-Umfeld auf Harburg zu projizieren, dann haben wir einen neuen Zugang. Kurz: Der Brückenschlag beginnt im Kopf – wir müssen eine soziologische Sichtweise entwickeln. Das bedeutet zum Beispiel: Vielfalt ja, Monokultur nein. Deshalb wollen wir mit allen Akteuren der Wirtschaft ins Gespräch kommen, vor allem auch zum ersten Mal verstärkt mit Unternehmern mit Migrationshintergrund, die seit Jahren das Stadtbild vermehrt prägen.“ In Harburg hat sich mittlerweile ein Projekt der „Unternehmer ohne Grenzen“ angesiedelt – mit dem Ziel, Unternehmer mit Migrationshintergrund zu unterstützen. Über diesen Weg will Harburg Marketing einen Zugang in eine bislang fast unentdeckte Unternehmer-Szene finden und Kontakt mit interessierten Akteuren aufnehmen. Auch Unternehmer mit Migrationshintergrund wollen schließlich erfolgreich ihr Geschäft entwickeln.

Ein langfristiger Generationsplan

Das unterstreicht Antonia Marmon. Sie soll die Verknüpfung von Binnenhafen und Innenstadt auf dieser neuen Ebene vorantreiben: „Der Brückenschlag kann über die Business-Schiene gelingen. Deshalb haben wir die Unternehmer im Fokus. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind die zahlreichen Studenten der TUHH, die den Innovations­standort langfristig prägen können und dem Bezirk auf vielen Ebenen einen nachhaltigen Mehrwert einbringen können.“ 

Grote: „Unser Ziel ist, dass Menschen aus diesem Umfeld auch die TUHH für sich entdecken, studieren und im technischen Bereich gründen. So schließt sich der Kreis.“ Um den Anfang zu machen und überhaupt erstmal ins Gespräch zu kommen, könnte er sich die Gründung eines Runden Tisches vorstellen. Und er betont noch etwas: „Gerade an der TUHH haben wir einen sehr hohen Anteil von Studenten, die keine deutschen Wurzeln haben. Wir sind da sehr vielfältig und international aufgestellt, was sich auch verstärkt in der Start-up-Szene widerspiegelt. Dort merken wir schon, wie Absolventen hier gründen und leben. Das wäre der langfristige Generationsplan.“

Anzeige