Auf die Einstellung kommt es an . . .

Mit Kreativität dem Fachkräfte­mangel begegnen: Wolfram Kaiser ist Bereichsleiter Mitarbeiter-Management bei der Hamburger Volksbank und ständig gefordert, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Foto: HamVoBa

B&P-GESPRÄCH Wolfram Kaiser, Bereichsleiter Mitarbeiter-Management bei der Hamburger Volksbank, über offene Stellen, Ghosting und Workation.

Vor etwa fünf Jahren war die Welt in den Personalabteilungen der deutschen Unternehmen noch weitgehend in Ordnung. Vereinzelt gab es zwar schon Engpässe, bestimmte Stellen zu besetzen, aber durchweg zeigte sich der Arbeitsmarkt von seiner guten Seite. Doch das war „gestern“. Heute herrscht in vielen Unternehmen blanke Verzweiflung, denn Wachstum ohne Personal ist kaum darstellbar. Wohl dem, der einen kreativen Personalchef hat – so einen wie Wolfram Kaiser, Bereichsleiter Mitarbeiter-Management bei der Hamburger Volksbank. Im Gespräch mit B&P gewährt er einen tiefen Blick in den Markt der Möglichkeiten, der sich potenziellen Bewerbern auftut. Schon mal was von Workation gehört? Wolfram Kaiser erklärt, was es damit auf sich hat.

Die Hamburger Volksbank ist eine traditionsreiche Genossenschaftsbank mit Wurzeln in Harburg. In Folge mehrerer Fusionen in den zurückliegenden Jahrzehnten wurde sie zu einer leistungsfähigen Partnerin für Privatkunden und den Mittelstand. 440 Mitarbeiter sind bei der „HamVoBa“ beschäftigt – darunter fast 60 Prozent Frauen. Die Quote dreht sich allerdings, je höher die Führungsebene ist. Wolfram Kaiser bekräftigt den insgesamt hohen Frauenanteil: „Mit mindesten 30 Prozent Frauen in allen Führungsebenen sind wir in der Genossenschaftsszene ganz weit vorn.“

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So ganz behagt dem gebürtigen Südhessen das Quotenthema allerdings nicht. Und das liegt an seiner Sicht auf die Mitarbeiterschaft: „Es geht uns nicht um Mann oder Frau: „Egal, ob groß oder klein, dick oder dünn, alt oder jung, hetero oder LGBTQ, dunkel oder hell, mit oder ohne Haare – Hauptsache, Sie passen als Mensch zu uns.“ Dazu haben wir eine klare Aussage: Hamburg ist bunt – und wir wollen auch bunt sein! Bei uns steht immer der Mensch im Mittelpunkt. Auf die Einstellung kommt es an.“

Zurzeit meldet Wolfram Kaiser eine Unterbesetzungsquote von 4,2 Prozent. Das entspricht 18,5 offenen Stellen. Er sagt: „Das drückt uns schon und ist eine Herausforderung, die nicht mehr so leicht zu bewältigen ist. Die älteren Mitarbeiter werden naturgemäß älter, und es rücken nur wenige nach. Es dauert rund drei Monate, um die Stelle eines Kundenberaters zu besetzen. Wenn es um Spezialisten geht, wird es richtig schwierig. Da suchen wir schon mal ein halbes Jahr oder auch länger.“ Damit bestätigt der Personalchef der Hamburger Volksbank den Trend, der insgesamt im Bankenwesen und anderen Branchen registriert wird. Selbst vor „Ghosting“ (abgeleitet vom englischen Wort Ghost/Geist) bleibt die Hamburger Volksbank nicht verschont: „Wir machen einen Vertrag mit einem neuen Mitarbeiter, der unterschreibt und taucht nie wieder auf. So etwas war früher undenkbar.“

Der Arbeitnehmer-Markt in Folge des demografischen Wandels stellt nicht nur das Selbstverständnis vieler Personalverantwortlicher auf den Kopf, es wirkt sich auch auf Bewerbungsgespräche aus. Wolfram Kaiser ist da durchaus kreativ und sagt: „Bei mir heißt das jetzt ‚Wünsch Dir was . . .‘ Bewerber sollen offen sagen, was sie wollen, was sie sich vorstellen und was sie sich wünschen – die wenigsten wünschen sich übrigens einen Firmenwagen. Das war früher so, jetzt scheint es aus der Zeit gefallen. Und in Hamburg macht das ohnehin kaum Sinn.“

„Wünsch Dir was . . .“

„Wünsch Dir was . . .“ bezieht Wolfram Kaiser ausdrücklich auch auf die Führungskultur im angestrebten Job: „Die ist ganz wichtig, denn die Menschen sind ja sehr unterschiedlich. Manch einer arbeitet liebend gern selbstständig und eigenverantwortlich, andere brauchen klare Führung. Das heißt: Auch der unmittelbare Vorgesetzte muss passen.“

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Wenn Wolfram Kaiser in seine „Wünsch Dir was . . .“-Kiste greift, fördert er einen ganzen Katalog von Themen zutage, die darauf ausgerichtet sind, ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen. Ein paar Beispiele: Die tarifliche Arbeitszeit kann flexibel zwischen 7 und 
20 Uhr angetreten werden. Mitarbeiter können ein Lebensarbeitszeitkonto führen und sich darüber einen früheren Renteneintritt oder Zeit für ein Sabbatical ansparen. Jobrad-Leasing, HVV-Profiticket, Beteiligung am Deutschland-Ticket (geplant), Mitarbeiterrabatte bei Partnerunternehmen, medizinische und psychologische Hilfsangebote sowie Obst, Wasser und Kaffee seien nur am Rand erwähnt. Die Liste der Mitarbeitervorteile ist noch länger. Ach ja: Wer doch unbedingt einen Firmenwagen möchte, kann diesen werbewirksam in Szene setzen und einen Volksbank-Mini leasen, dafür zahlt die Bank einen Monatszuschuss in Höhe von 
95 Euro.

Halb Arbeit, halb Urlaub

Und dann wäre da noch das Stichwort „Workation“ – ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den englischen Begriffen Work (Arbeit) und Vacation (Urlaub). Wolfram Kaiser: „Wir ermöglichen unseren Mitarbeitern maximal 37 Tage im Jahr Workation. Das bedeutet: Wenn die Internetverbindung steht, können sie ihren Job irgendwo im europäischen Ausland erledigen.“ Seit Dezember 2022 haben fast zehn Mitarbeiter diese Chance genutzt, berichtet der Personalchef. „Die Hamburger Volksbank hat hier eine Vorreiterrolle eingenommen. Wir sind sozusagen First Mover.“ Das Angebot beschränkt sich bewusst auf Europa, zu dem allerdings auch Französisch Polynesien zählt. „Das ist sicher eine gute Idee, aber unsere Idee ist es, für die Kunden da zu sein. Und je nach Aufgabe auch für die Kollegen. Völlig entgegengesetzte Zeitzonen sind da nicht förderlich“, sagt Wolfram Kaiser und gibt sich keinen Illusionen hin: „Workation ist jetzt etwas Besonderes, aber wir müssen schon wieder über das nächste Thema nachdenken und uns etwas einfallen lassen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben. Das hört niemals auf.“ wb

>> Web: www.hamburger-volksbank.de