Das sind die drei Kernthemen der WLH

WLH-Chef Jens Wrede (links) und Innovationsmanager Dr. Timo Maurer auf der Hannover-Messe: Von hier wurde eine Drohne gesteuert, die in Echtzeit Fotos von einem simulierten Rettungseinsatz in Buchholz lieferte – die Messebesucher waren beeindruckt. Foto: WLH

25 Jahre Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg – Vom Hamburger Vorgarten zum innovativen Wirtschaftsstandort – Eine Standortbestimmung.

Etwa 30 Jahre ist es her, da pflegte ein Großteil der Politik im Landkreis Harburg noch das Image des Naherholungsgebietes vor den Toren Hamburgs. Gewerbegebiete gab es, aber eigentlich wollten die Menschen in Marsch und Heide das Leben im Vorgarten der Hansestadt genießen. Irgendwie hatten Kutschfahrten zum Wilseder Berg zwar auch etwas mit Wirtschaft zu tun, aber war das zukunftsfähig für einen Landkreis mit rund 200 000 Einwohnern? Diese Frage markiert die Geburtsstunde der WLH Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg GmbH, die vor 25 Jahren gegründet wurde und mit dem Wirtschaftsförderer Wilfried Seyer einen Gründungsgeschäftsführer bekam, der einen visionären Blick für den Landkreis hatte. Die Hamburger Vorgartenromantik ist längst Geschichte – die WLH hat für fast alle Landkreis-Kommunen Gewerbegebiete entwickelt und ist mittlerweile sogar über die Kreisgrenzen hinaus tätig. Niedersachsenweit hat sich der Landkreis Harburg zum respektablen und innovativen Wirtschaftsstandort gemausert und dabei auch den Spitzenplatz bei den Gründungsaktivitäten erklommen, wie Geschäftsführer Jens Wrede, seit Anfang 2019 an der Spitze der WLH, im B&P-Gespräch die drei „Schwerpunkte des Wandels“ benennt.

Heute klingt das so: „Unternehmen finden bei uns beste Voraussetzungen, um erfolgreich zu agieren – gleichzeitig bietet der Landkreis Harburg eine hohe Lebensqualität und ist auch als Wohnort sehr gefragt“, schreibt Landrat Rainer Rempe im Editorial zum WLH-Geschäftsbericht 2022. Der Landkreis Harburg sei eine echte Zukunftsregion – konkret abzulesen an Stichworten wie 5G-Technologie, USING5G, Wasserstoffnutzung und innovativen Mobilitätskonzepten. Manfred Cohrs, Aufsichtsratschef der WLH, verweist auf zwei Zahlen: 20 000 und 250 000. Knapp 20 000 Arbeitsplätze seien in den vergangenen zehn Jahren im Landkreis Harburg entstanden (ein Beschäftigungszuwachs von 22 Prozent seit 2014). Und: Fast 250 000 Menschen leben heute im Landkreis Harburg. Allerdings kämen auf 100 Einwohner gerade mal 24 Arbeitsplätze – so wenig wie in keinem anderen Landkreis im Hamburger Umland.

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Die Schlussfolgerung ist klar: An der positiven Entwicklung von neuen Jobs im Landkreis hat die WLH wesentlichen Anteil. Die Aufholjagd muss jedoch weitergehen. Dazu stehen Jens Wrede und sein Team bereit, denn es geht nicht um irgendwelche Jobs, sondern möglichst hochqualifizierte wissensbasierte Arbeitsplätze – um die sich allerdings die gesamte Republik reißt. Die WLH hat die Weichen gestellt und profitiert von der Entwicklung eines Technologie- und Innovationsparks vor den Toren Hamburgs: Der TIP Innovationspark Nordheide in Buchholz ist ein Gewerbegebiet und gleichzeitig ein in sich geschlossenes 5G-Testfeld. Die Ausstattungsdichte mit Antennen und Sensoren ist einmalig in Deutschland und Europa, wie Innovationsmanager Dr. Timo Maurer sagt. Auf 25 Hektar Fläche sind 40 Kilometer Glasfaser verlegt, jede Straßenlaterne kann bis zu drei 5G-Antennen tragen – insgesamt bis zu 129 Stück. Das System ermögliche ein Höchstmaß an Flexibilität für Testprojekte aller Art. Gemeinsam mit Kooperationspartner Media Broadcast stellte die WLH das sogenannte 5G-Campusnetz auf der Hannover Messe dem nationalen und internationalen Publikum vor. Vom Messestand in Hannover aus steuerte das Team eine Drohne, die in Echtzeit gestochen scharfe Videoaufnahmen von einem simulierten Rettungseinsatz auf dem TIP-Gelände in Buchholz lieferte.

Kernthema 1: Das 5G-Campusnetz

Wrede: „Der Süden ist eindeutig der Technologie-Schwerpunkt in der Metropolregion Hamburg. Beim Thema 5G arbeiten wir mit mehreren Hochschulen zusammen: der Leuphana Universität in Lüneburg, der Technischen Universität Hamburg und der hochschule 21 in Buxtehude. Außerdem sind zwei weitere Hochschulpartner dabei: die Private Hochschule für Wirtschaft und Technik, kurz PHWT, in Vechta/Diepholz sowie die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule (RWTH) in Aachen.“ Konkret geht es zum Beispiel um die Aufbereitung von Daten für 5G-Anwendungen in den Bereichen Katastrophenschutz oder Virtual- und Augmented Reality.

Die Auflistung zeigt, wie stark wissenschaftliche Kompetenz gefordert ist, wenn 5G-Technologie, also die ultraschnelle Übertragung von Daten in Echtzeit, in greifbare Anwendungen übertragen werden soll. Die PHWT arbeitet beispielsweise daran, Virtuelle Realität in die Anwendung zu bringen. Der kabellose Einsatz von VR-Brillen ist ein Thema. Und dahinter verbirgt sich auch die Grundsatzfrage, die Timo Maurer formuliert: „Ist 5G-Technologie ein Gamechanger oder nicht?“ Will heißen: Hat die Echtzeitdatenübertragung das Zeug dazu, beispielsweise wirtschaftliche Prozesse grundlegend, wenn nicht gar revolutionär zu verändern? Und wenn ja, wie sieht das eigentlich praktisch aus? Genau das will die WLH im Verbund mit den Hochschulen und der mittelständischen Wirtschaft herausfinden. Das 5G-Campusnetz im TIP Buchholz bietet den Kooperationspartnern das Testfeld für die Entwicklung einer praxistauglichen Infrastruktur und innovativer Anwendungen.

Aktuell bietet die WLH zusammen mit Partnern aus dem Forschungsverbund zum Beispiel 5G-Workshops für kleine und mittlere Betriebe an. Jens Wrede: „Das Interesse ist überraschend groß. Die Unternehmen
bewegt die Frage, wie bestimmte Projekte möglichst ohne großen Aufwand und ohne hohen Finanzierungsbedarf umgesetzt werden können. Die Aufwand-Nutzen-Analyse steht klar im Vordergrund.“ Mittlerweile sind zwei Unternehmen mit ganz konkreten Zielen dabei, sich in die 5G-Thematik einzuarbeiten. In einem Fall geht es um die weltweite Fernwartung von Maschinen, im anderen um die technologiegestützte Schulung von Mitarbeitern in der Industrie. Timo Maurer: „Das sind typische Themen in den Unternehmen. Wir sind gerne Ansprechpartner für weitere KMU, die Interesse an einer Kooperation haben“, so Maurer, und ergänzt: „Um es nochmal deutlich zu sagen: Industrie 4.0, die Kommunika­tion von Maschinen untereinander, wird durch schnelle Netze erst möglich. Da wandern sensible Daten hin und her. Wir sprechen hier deshalb nicht von einem öffentlichen Mobilfunknetz, sondern von einem geschlossenen Netz, einem sicheren Raum, der nach außen geschlossen ist. So ein 5G-Campusnetz hat eine ganz andere Performance als ein Mobilfunknetz.“

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Kernthema 2: Entwicklung von Gewerbefläche

Die aktuellen WHL-Themen zeigen: Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft hat sich mit den Jahren weiterentwickelt und verändert. Jens Wrede: „Wir schaffen Möglichkeiten – das ist heute unser Credo.“ Was nicht bedeutet, dass das „Ur-Geschäftsmodell“ ad acta gelegt worden wäre. Eine nach wie vor wesentliche Säule ist die Flächenentwicklung. Der WLH-Chef: „Das ist ein Kernthema. Wir entwickeln als kommunaler Dienstleister Flächen im Auftrag der Städte und Gemeinden für Bestands­unternehmen und Neuansiedlungen aus dem Mittelstand. Der Klassiker sind kleinere Gewerbequartiere von etwa zehn Hektar Fläche für KMU aus Produktion, Handwerk, Handel und Dienstleistung – möglichst verbunden mit einer nennenswerten Zahl von Arbeitsplätzen.“

Seit dem Start hat die WLH 14 Gewerbegebiete mit insgesamt 176,4 Hektar Fläche entwickelt. Durch die Ansiedlungsaktivitäten wurden bislang mehr als 2000 neue Jobs in die Region geholt. Dabei investierte die WLH 71,5 Millionen Euro in Gewerbequartiere und löste 365,4 Millionen Euro an Investitionen in Anlagen und Gebäude aus. 247 Firmen, darunter 92 neue, wurden angesiedelt. Jens Wrede: „Trotz allem gibt es immer noch zu wenig freie Gewerbeflächen. Der Bedarf in der Region ist derart hoch, dass wir nicht im Standortwettbewerb sind, sondern uns gemeinschaftlich um gute Rahmenbedingungen für Unternehmen kümmern müssen.“ Und so ist die WLH inzwischen nicht nur in Bispingen (Heidekreis) aktiv, sondern auch im Landkreis Lüneburg. Kompetenz aus Buchholz wird zum Exportschlager.

Kernthema 3: Startups im Fokus

Mit der Eröffnung des ISI-Zentrums für Gründung, Business & Innovation in Buchholz setzte die WLH 2014 ein Ausrufungszeichen, denn hier sollen Gründer einen guten Start in die Selbstständigkeit bekommen. Bis heute ist das ISI, übrigens auch Sitz von B&P, voll ausgebucht und war bislang Sprungbrett für 96 Startups. Aktuell arbeiten 29 Unternehmen mit rund
100 Mitarbeitern im ISI-Zentrum. Im Laufe der Jahre haben 67 Unternehmen das ISI wieder verlassen. 45 davon sind weiterhin erfolgreich am Markt, zumeist in der Region, tätig.

Der Landkreis Harburg ist Spitzenreiter bei den Gründungsaktivitäten in ganz Niedersachsen. WLH-Gründungsberaterin und ISI-Zentrumsmanagerin Kerstin Helm hat zudem sehr erfolgreich Formate etabliert, die junge Unternehmen im Landkreis Harburg vernetzen. Dazu gehört neben der „#Gründerwoche“ vor allem auch die „#Gründerklasse“, die sich gezielt an Jung-Unternehmer und Gründungsinteressierte in der Altersgruppe U21 richtet. Jens Wrede: „Die WLH hatte es frühzeitig verstanden, Angebote zu machen, die den Nerv von potenziellen Gründern treffen.“

Vier Mal im Jahr findet die Gründerklasse statt. Darunter sind offene Workshops und Treffen zu verstehen, bei denen sich die jungen Existenzgründer mit Begleitung eines Experten in erster Linie gegenseitig mit ihren Erfahrungen und Ideen bei der Weiterentwicklung ihres Business unterstützen. Kerstin Helm: „Mittlerweile konnten wir im ISI-Zentrum die ersten Büro-Mieter begrüßen, die über eine Gründerklasse zu uns gekommen sind.“ wb

>> Web: www.wlh.eu