Mankiewicz hat einen „nachwachsenden Lack“ entwickelt

Entwicklungschef und Chemiker Dr. Umberto De Rossi mit seiner Kollegin Dr. Yen Häntsch aus dem Innovationsteam. Foto: Mankiewicz

INTERVIEW Entwicklungschef Dr. Umberto De Rossi über biobasierte Rohstoffe, die Quantifizierung von Nachhaltigkeit und technische Antworten auf die Energiekrise.

Wissen, was die Zukunft bringt – das könnte manchem Unternehmer gut gefallen, denn so ließen sich Risiken minimieren und Chancen vorab ausloten. Doch das funktioniert nicht, es sei denn, „man stellt Zukunft her“. Das gilt in gewissem Maße für den Hamburger Lackhersteller Mankiewicz, der zahllose Speziallacke für verschiedenste Anwendungen entwickelt und insbesondere für die Luftfahrt- und Automobilindustrie Beschichtungskonzepte für Produkte ausgestaltet, die häufig eben erst in der Zukunft auf den Markt kommen. Mittlerweile hat das Thema Zukunft jedoch einen ganz anderen Klang. Nimmt man die Warnungen der Klimaforscher ernst, so geht es um die Zukunft des Planeten. Wie sich Mankiewicz in dieser Debatte positioniert, wie auf die derzeitigen Krisen reagiert wird und was es mit „nachwachsenden Lacken“ auf sich hat, darüber sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker mit Dr. Umberto De Rossi, Entwicklungschef des Wilhelmsburger Industrie­unternehmens.

Fangen wir mal mit den Energiekosten an – wie haben Sie sich als Unternehmen auf die teils extremen Steigerungen eingestellt?

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Das Thema hat uns natürlich stark getroffen. Wenn wir uns die Produktionsprozesse anschauen, dann muss man aber feststellen: Da hatten wir schon eine gewisse Effizienz erreicht, denn die Themen Energieeinsparung und Nachhaltigkeit waren bei uns auch schon vor den Krisenjahren im Fokus – da ist tatsächlich nicht mehr viel zu reduzieren. Das sieht bei vielen unserer Kunden ähnlich aus.

Welchen Energieträger nutzt Mankiewicz primär?

Hauptsächlich Elektrizität und Gas. Bei Elek­tri­zität kann man umweltfreundliche Energiequellen nutzen. Und das tun wir in erheblichem Maße, auch weltweit. Und: Durch die Entwicklung von Lacken, die bei Raumtemperatur trocknen, können wir auch dafür sorgen, dass die Energiekosten für unsere Kunden sinken, da die energieintensive und damit teure Ofentrocknung entfällt.

Aber man kann ja auch auf anderer Ebene an den Schrauben drehen . . .

Wir nutzen diese Krise, um gemeinsam mit unseren Kunden bestimmte Technolo­gien voranzutreiben. Wenn diese nicht in der Lage sind, die Produktionskosten durch Reduzierung des Energieverbrauchs zu senken, dann versuchen wir daraus eine Tugend zu machen und mit innovativen Produkten eine Effizienzsteigerung zu erzielen. Das ist unsere Strategie.

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Stichwort Innovation – über was sprechen wir da konkret? Wie erfindet man den Lack neu?

Das ist sehr vielfältig. Der Trend lässt sich unter große Überschriften zusammenfassen. Energiekrise und Nachhaltigkeit beispielsweise. Wir haben schon 2016/2017 geschaut, was sich bei den Produkten verändern lässt. Grundsätzlich sagen wir: Lack ist a priori nachhaltig. Er schützt Oberflächen für lange Zeit. Der größte Schutzbedarf entfällt in der Regel auf das Primärmaterial, das sogenannte Substrat. Dazu gehören beispielsweise Kunststoffe oder Metalle. Wenn ich das Ausgangsmaterial schützen kann, verlängere ich die Lebensdauer eines Produktes wie zum Beispiel eines Autos, Flugzeugs oder einer Windkraftanlage signifikant. Weiterhin haben wir neue Technologien entwickelt, beispielsweise UV-härtende Systeme. Bei UV- oder LED-härtenden Systemen entfallen lange Ofenzeiten, die energieintensiv sind. Ein gut performender Lack reduziert wesentlich die Ausschussrate bei der Beschichtung von Bauteilen, was ebenfalls einen nachhaltigen Effekt hat: In diese Teile, die dann ent sorgt werden müssten, ist die Energie ja bereits hineingeflossen, was ja an sich schon fragwürdig ist.

Aber es gibt weitere Ansätze, höre ich daraus.

Die zweite Schiene: Wir haben geschaut, welche umwelt­unfreundlichen Prozesse könnten wir durch Lack ersetzen. Da ist ein großes Thema die Galvanik (die elektrochemische Abscheidung metallischer Niederschläge/Überzügen auf Substrate, beispielsweise die Verchromung von Stoßstangen und Zierleisten beim Autobau, d. Red.). Dieses Verfahren ist seit geraumer Zeit in der Kritik. Die Verwendung von schädlichem Chrom VI ist in vielen Industrien bereits komplett verboten worden. Da haben wir verschiedene Wege gefunden, wie wir um die Galvanik herumkommen. Ein Weg, der bei den Kunden besonders gut eingeschlagen ist, ist die Substitution der galvanischen Prozesse durch sehr, sehr feine Metallic-Lacke. Der Unterschied ist kaum zu sehen.

Ist Verchromung heute überhaupt noch ein großes Thema? Verchromte Stoßstangen gibt es gefühlt ja schon lange nicht mehr.

Es gibt immer noch Argumente für das Verchromen. Der sogenannte Cool-Touch geistert durch die Design-Präsentationen. Das Gefühl, eine kalte Oberfläche zu berühren, die durch das Metallsubstrat entsteht, lässt sich mit Lack auf anderen Materialien, zum Beispiel Kunststoff, nicht erzeugen. Das Gefühl ist anders, aber dieser Punkt tritt immer mehr in den Hintergrund. Wir haben eine extrem gute Nachfrage nach unseren feinen Metallic-Lacken, die wir vor einigen Jahren entwickelt haben.

Gibt es weitere Innovationen?

Wir fahren immer mehrgleisig. Wir haben geschaut, was wir mit biobasierten Rohstoffen machen können. Ein ganz großes Thema unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit. Allerdings stellten wir fest, dass wir damit etwas zu früh auf dem Markt unterwegs waren. Das war Mitte der 2010er-Jahre.

Sprechen wir da jetzt etwa über nachwachsenden Lack?

Ja, das wäre das Fernziel. Allerdings ist die Rohstoffbasis noch relativ dünn. Aber wir haben es trotzdem geschafft, ein recht gutes Portfolio aufzustellen. Nur in der Diskussion mit den potenziellen Kunden lässt es sich schwer vermitteln.

Da braucht man auch etwas Fantasie, oder?

Sie brauchen viel Fantasie. Die Kunden fragen dann irgendwann, „wo das denn herkommt?“ Und dann antworten wir, „es wächst auf Feldern“. Ja, aber dann fehlt der Platz für Lebensmittel. Diese Argumentation ist ganz, ganz schwierig und wird sehr emotional geführt. Fachlich ist das nicht begründbar, denn der Anbau hätte statistisch gar keinen Einfluss auf die Lebensmittelversorgung.

Ein sehr spannendes Thema. Die Frage klingt etwas skurril, aber: In welcher Pflanze wächst der Lack-Rohstoff?

Zum Beispiel in Mais oder Soja. Massenpflanzen, was dann gleich wieder die Diskussion über Monokulturen aufkommen lässt. Wir sehen da gewisse Parallelen zur Diskussion über Bioethanol. Wenn man früh dabei ist, erlebt man auch eine Lernkurve – gemeinsam mit dem Markt. Wir sind seit 2016 an dem Thema dran, und konnten 2018 die ersten Kunden mit unseren teils nachwachsenden Lacken begeistern.

Es gibt also bereits Lacke im Markt, die auf Basis nachwachsender Rohstoffe produziert werden?

Ja, wir haben ein ganzes Portfolio von Lacken, die einen Anteil biobasierter Rohstoffe enthalten. Und damit kommen wir in die konstruktive Diskussion über die Frage, wie quantifiziert man eigentlich Nachhaltigkeit? Wenn Sie CO2-Bilanzen und komplette Öko-Bilanzen aufstellen müssen, haben Sie bei nachwachsenden Rohstoffen schon ein Problem. Die ohnehin schwierige Datenlage für die Berechnung von CO2-Bilanzen ist für biobasierte Rohstoffe nochmals schwieriger. Wir sind zurzeit dabei, gemeinsam mit den Rohstoffherstellern diese Lücke zu schließen. Bislang war es schwierig, mit diesem Verfahren einen entscheidenden Marktvorteil zu erreichen, aber mit den Öko-Bilanzen können wir den Vorteil jetzt klar quantifizieren.

Kann der neue Lack dasselbe, was auch der herkömmliche Lack kann? Könnte ich also einen Airbus damit lackieren?

Ja, durchaus denkbar. Allerdings lag unser Fokus stärker auf dem Automobilsektor, hier vor allem im Interieurbereich. Es gilt aber auch: Kein Kunde wird seine derzeitigen Spezifikationen für Lack abschwächen, nur aufgrund der Tatsache, dass dieser anteilig „grüner“ ist. Könnten wir die Spezifikationen, die ja in komplexen Prozessen oft über Jahre gewachsen sind, nicht erfüllen, hätten wir keine Chance. Aber wir erfüllen die Anforderungen. Andernfalls kann es im Einzelfall sehr teuer werden, wenn beispielsweise der Lack im Auto nach fünf oder sechs Jahren plötzlich nicht mehr so gut aussieht oder ausreichend beständig ist. Deshalb sind die Spezifikationen ein recht starres Korsett. Die biobasierten Lacke unserer EcoPro-Serie entsprechen in der technischen Performance eins zu eins den nichtbiobasierten Produkten.

„Eine gigantische Spielwiese“

Die Frage, warum ein Einstieg bei Mankiewicz reizvoll ist, beantwortet der Entwicklungschef aus voller Überzeugung: „Wir haben ein Pfund in der Hand: Mankiewicz ist ein mittelständisches und familiengeführtes Unternehmen. Hier werden schnelle Entscheidungen gefällt. Das finde ich so genial. Gerade ehemalige Mitarbeiter aus Konzernen, die heute bei uns arbeiten, schätzen es, dass wir klare Strukturen und kurze Wege haben. Da tut sich für engagierte Leute eine gigantische Spielwiese auf.“

In Wilhelmsburg beschäftigt Mankiewicz rund 1000 Menschen, weltweit sind es rund 1600. Die Hälfte arbeitet in der Produktion, gut 30 Prozent gehören dem Bereich Forschung und Entwicklung sowie dem technischen Service an, und knapp 20 Prozent sind dem kaufmännischen Bereich zugeordnet. Produziert werden hochwertige Speziallacke für die Industrie (Fahrzeugbau, Flugzeugbau, etc.). Mankiewicz arbeitet mit namhaften technischen Universitäten in Deutschland, darunter auch die TU Hamburg, und Fraunhofer Instituten zusammen.

Fachkräfte: „Wir suchen in allen Bereichen . . .“

Für Entwicklungschef Dr. Umberto De Rossi ist der Fachkräftemangel die größte Herausforderung, wenn es um das Thema Wachstum geht. Er sagt: „Das ist ein Riesenthema für uns, denn wir suchen quasi für alle Bereiche Mitarbeiter. Die Spezialisten, die sofort eine Aufgabe übernehmen könnten, sind auf dem Arbeitsmarkt schwer zu finden. Und falls es doch noch den einen oder anderen gibt, dann kommt der nur, wenn das Geschäft sexy ist.“ Doch das zu transportieren, sei schwierig. Der Lackhersteller Mankiewicz gilt als „Hidden Champion“, ein Weltmarktführer mit Werken u.a. auch in den USA und China. Doch dieses „Hidden“ (Versteckt) kann zum Problem werden, wenn nur wenige wissen, was da an der Georg-Wilhelm-Straße eigentlich passiert.

De Rossi: „Wir versuchen deshalb verstärkt, unseren Nachwuchs selbst auszubilden, sowohl über die Duale Ausbildung, als auch durch Angebote für Studenten. Die Kommunikation beispielsweise auf den Sozialen Kanälen wurde verstärkt. Wir werden präsenter.“ Doch der Fachkräftemangel sei keineswegs nur ein deutsches Thema. De Rossi: „Auch in Charleston und in Shanghai ist es eine Herausforderung, Positionen zu besetzen.“ Und: „Die Azubis, die wir heute ausbilden, reichen schon nicht mehr aus, um den Personalbedarf in drei Jahren zu decken. Es gibt einfach zu wenig geeignete Bewerber auf dem Arbeitsmarkt – insbesondere, wenn es um Chemikanten und Lacklaboranten geht.“

>> Web: www.mankiewicz.com