Lebensmittelforum liefert überraschende Antworten

Hendrik Haase, Food-Aktivist aus Berlin und Mitinhaber der Metzgerei „Kumpel und Keule“"61 Prozent der Befragten geben ihr Geld lieber im Restaurant als für Schuhe aus. Es gibt eine Sehnsucht nach Authentischem", sagt Hendrik Haase, Food-Aktivist aus Berlin und Mitinhaber der Metzgerei „Kumpel und Keule“. Foto: Heumer

Der Kunde ist König! Aber was erwartet der Monarch von seinen „Haus- und Hof-Lieferanten“, sprich vom Einzelhandel? Das 4. Lebensmittelforum Bremerhaven gab überraschende Antworten.

Hendrik Haase ist in Berlin eine Institution. Gemeinsam mit dem Metzgermeister Jörg Förstera hat der Designer und Künstler vor ein paar Jahren im Stadtteil Kreuzberg die Fleischerei „Kumpel & Keule“ gegründet. Der 34-jährige, der stets schwarz gekleidet und mit Zylinder herumläuft, kennt die Lebensmittelbranche seit langem. Bevor er sich selbstständig machte, hat er als Food-Aktivist für die Rückkehr zu einem nachhaltigen und natürlichen Angebot in den Läden gekämpft.

„Food wird zum Lifestyle“

Sein Ziel, so scheint es, ist in greifbare Nähe gerückt. „Die Branche hat einen ihrer größten Transformationsprozesse vor sich! Food ist der neue Pop und wird zum Lifestyle. Befragungen haben ergeben, dass 52 Prozent lieber an einem Food-Festival als an einem Musikfestival teilnehmen. 61 Prozent der Befragten geben ihr Geld lieber im Restaurant als für Schuhe aus. Und es gibt eine Sehnsucht nach dem Authentischen“, betonte Haase auf dem 4. Lebensmitelforum in Bremerhaven. Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben: In seiner Berliner Fleischerei mit angeschlossenem Restaurant beschäftigt der Kommunikationsdesigner inzwischen 30 Mitarbeiter. Eine Filialisierung schließt er aus. Die Grenzen des Wachstums seien für ihn persönlich erreicht.

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Jede Menge zu reden

​Haase war einer der hochkarätigen Fachreferenten auf dem diesjährigen Lebensmittelforum Bremerhaven in der Event-Location Fischbahnhof. Mit der vierten Veranstaltung hat sich das Angebot der Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS Bremerhaven endgültig in der Branche etabliert. „Der Kongress kommt gut an, weil sehr kompetente Referenten vortragen und die Veranstaltung gute Möglichkeiten zum Austausch bietet“, weiß BIS-Geschäftsführer Nils Schnorrenberger. Zu reden hat die Lebensmittelbranche jede Menge – Handel und Industrie durchleben derzeit einen kräftigen Wandel.

Essen als Ritual

Eine Rückkehr zu vertrauten Gewohnheiten, ein wachsendes Bewusstsein für Qualität, aber auch neue Vertriebsformen wie der Lebensmittelhandel übers Internet – allein diese Beispiele zeigen, wie vielfältig und höchstunterschiedlich Trends sein können. Zum Auftakt des Kongresstages gab Jens Lönneker, Geschäftsführer der Medienforschungsagentur Rheingold Solutions, Einblicke in eine Studie zum Thema „Das deutsche Abendbrot. Ein verkannter Schatz“. Der im Auftrag des Wurstproduzenten Frank Wiltmann GmbH erstellten Studie liegt ein tiefenpsychologischer Ansatz zugrunde. Die Ergebnisse zeigen, so Lönneker, dass das Ritual Abendbrot, bei dem neben Käse und neuen vegetarischen Produkten vor allem Wurstwaren konsumiert werden, durchweg positiv besetzt ist. Die in der christlichen Tradition verwurzelte Mahlzeit stehe für häusliche Gemeinschaft, Privatheit, Sicherheit und Schutz, so der Diplom-Psychologe.

Klassische Zielgruppen verschwinden

​Im Hinblick auf den Konsumenten macht der Kölner Berater diese Trends aus: Klassische Zielgruppen verschwinden, man ist heute in der Stimmung, ein bestimmtes Produkt zu konsumieren. Eine Überforderung sieht Lönneker in einer zu großen Produktauswahl. Hier böten Discounter dem Kunden konsequentere Führung als Edeka, Rewe und Co.. Marken tragen durch Social Media verstärkt zur Identitätsbildung bei, so der Psychologe. . Lönnekers These: „Das Warenangebot kann künftig noch schneller und direkter unseren Narzissmus bedienen“.