Vorsorgemaßnahmen gegen Ernteschäden

Ole Desens (links) und Alexis Charisis bereiten alles vor. Sie verlegen auch Sensoren, mit deren Hilfe die Begasung der Radlader dokumentiert wird. Foto: Scheer

Schädlinge als blinde Passagiere: Australien kennt kein Pardon – Bremerhavener Unternehmen behandelt Exportgüter.

Australien und Neuseeland fürchten einen kleinen Stinkkäfer. Sie wollen auf keinen Fall, dass der Schädling auf ihrem Kontinent eingeschleppt wird. Deshalb gibt es im Hafen von Bremerhaven eine Spezialbehandlung für riesige Exportgüter.

Die aufgereihten drei großen Radlader sehen mit ihren vorgebauten Gabelzinken fast bedrohlich aus. Dahinter in der 60-Meter-Halle versammelt sich eine Schar anderer Großgefährte, darunter ein Feuerwehrauto, diverse Bagger und Kipper sowie Straßenbau-Fahrzeuge. Draußen auf dem Terminalgelände warten bereits Trecker, Mähdrescher und weitere Riesen. Manchmal sind im Quarantänebereich auch Teile abgebauter Windenergieanlagen zu sehen. Das High- und Heavy-Team von BLG Logistics verlädt auch die sperrigsten Exportgüter auf Ro-Ro-Transporter. Bevor es jedoch die Seefracht für Australien oder Neuseeland an Bord bringen darf, muss sie schädlingsfrei sein.

Das Team des Bremerhavener Unternehmens Haraco Offshore GmbH arbeitet für die BLG und rückt vor allem einem ganz bestimmten Schädling auf die Pelle. Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) sucht sich einen Unterschlupf, sobald es kälter wird, und das kann durchaus ein großer Radlader sein oder ein moderner Schlepper. Egal. Doch Australien will – wie auch Neuseeland – verhindern, dass das Insekt mit dem Kürzel BMSB auf dem Kontinent ankommt. Das kleine Tierchen hat in den USA bereits für große Ernteschäden gesorgt und ist auch in Deutschland nachgewiesen.

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Haraco-Chef Oliver Rautenberg berichtet von Schiffen, die Australien nicht anlaufen durften, sondern zurückgeschickt wurden. „Das will keine Reederei.“ Die australischen Behörden hätten sogar speziell ausgebildete Hunde, die einen Befall erschnüffeln könnten. 2019 haben Australien und Neuseeland die Einfuhrbestimmungen für Schiffsgüter verschärft, die mit dieser Wanze infiziert sein können.

Australien und Neuseeland drängen auf Maßnahmen

Doch wie wird verhindert, dass kleine blinde Passagiere nach Down Under gelangen? Durch eine Begasung mit dem Insektizid Sulfuryldifluorid (SF), ein farb- und geruchloses Gas, das auch für Lebensmittel wie beispielsweise Kakao oder für die Behandlung von Holz eingesetzt wird. Zwei Hallen hat die BLG dafür aufgestellt. Etwa einmal die Woche, so Jan Bullwinkel von BLG Logistics, verlasse ein Schiff Bremerhaven mit Gütern für Australien und Neuseeland. Haraco hat auch Standorte in Singapur und Malaysia. Rautenberg denkt noch an weitere wichtige Häfen: „Es ist ein wachsender Markt.“ In Bremerhaven behandelt das Unternehmen auch Container für einen anderen Kunden, die für China bestimmt sind. Dabei geht es auch um andere Schädlinge.

Alexis Charisis verschließt mit seinem Kollegen Ole Desens sorgfältig die Hallentore, sie verlegen Sensoren, um den Begasungsprozess zu überwachen, und senken eine riesige, eigens genähte Plane von der Hallendecke ab. Sie legt sich über die drei Radlader in Reihe eins und alle anderen Fahrzeuge. Darunter wird später das Gas eingeleitet; die gemeinsame Haube spart Gas und Müll. „Wir sind bisher die Einzigen, die es auf diese Art machen“, sagt Rautenberg. In anderen Häfen würde die sperrige Fracht einzeln in Folie verpackt und dann behandelt. Rautenberg, studierter Sicherheitsingenieur und als Sachverständiger im Hafen unterwegs, zuckt mit den Schultern: „Ich habe Spaß daran, Dinge zu verbessern.“

Die nächsten Optimierungen stehen an. Mit dem Institut für Verfahrenstechnik an der Hochschule Bremerhaven und Ole Desens, der darüber seine Bachelor-Arbeit geschrieben hat, hat Haraco ein Verfahren entwickelt, um nach der Begasung weniger klimaschädliches Sulfuryldifluorid in die Atmosphäre zu entlassen. „Wir sind der festen Überzeugung, dass die Entwicklung einer Abgasreinigungsanlage der logische und richtige Schritt in Richtung einer klimaneutralen Logistikkette ist und somit ein immer bedeutenderer Wettbewerbsvorteil für unseren Hafen wird“, so Rautenberg. Sie wären die Ersten und würden Standards setzen.

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Nach zwölf Stunden ist der Spuk vorbei

Wenn alles dicht und die Halle verschlossen ist, Zäune aufgestellt und Warnschilder angebracht sind, wird das Gas eingeleitet. „Wir brauchen zwölf Stunden“, erläutert Rautenberg. Dann wird die Halle langsam gelüftet und die Haube wieder angehoben. Alles in allem wird mit 24 Stunden gerechnet. Die High-und-Heavy-Crew der BLG darf die Fahrzeuge erst wieder rausfahren, wenn die Halle komplett gasfrei ist. Mit einer selbst entwickelten Software wird jedes Detail in dem gesamten Prozess dokumentiert. Elektronische Zertifikate werden erstellt und automatisch an die zuständigen Behörden übermittelt, so dass die Einfuhr der Güter in den australischen und neuseeländischen Häfen reibungslos ablaufen kann. Haraco ist in den Ländern als zertifiziertes Unternehmen gelistet.

Es kommt vor, dass Charisis, Desens und ihre Kollegen tote Wanzen finden, das sei aber eher selten, und in Massen schon gar nicht, berichten sie.