Jeder ist ein Mindestlöhner

Foto: Wolfgang BeckerBerichteten Wissenswertes zum Thema Mindestlohn: Ingolf F. Kropp (rechts) und Gunter Troje, Fachanwälte für Arbeitsrecht.

Die vielleicht überraschendste Botschaft: Jeder ist ein Mindestlöhner – egal, wie hoch sein Stundenlohn auch sein mag. Und deshalb gelten auch die Vorgaben des neuen Mindestlohngesetzes für jeden Arbeitnehmer und jeden Arbeitgeber in Deutschland. Das machte Ingolf F. Kropp, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei SCHLARMANNvonGEYSO, in seinen Ausführungen vor Unternehmern in der Harburger Kanzlei am Veritaskai, gemeinsam mit seinem Kollegen Gunter Troje, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht, deutlich. Beide gaben eine erste Einschätzung – und kündigten an, dass es zu dem Thema „Schreckgespenst Mindestlohn – Risiko für alle“ sicherlich eine Folgeveranstaltung geben werde, sobald es erste Urteile von Gerichten zu den teils doch sehr unklaren Regelungen gebe. Kropp: „Dieses Gesetz wird uns noch lange beschäftigen.“

Die erste Einschätzung des Experten: Hinter dem Mindestlohngesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt, verbirgt sich viel mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Kropp: „Wir sind wirklich alle davon betroffen.“ Zwar gebe es für bestimmte Gruppen wie beispielsweise Zeitungsausträger Übergangsregelungen, aber die seien endlich. Auch Saisonarbeitskräfte, beispielsweise im Ernteeinsatz, und Geringverdiener hätten ein Recht auf einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro. Ausgenommen seien Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, doch, so Kropp, auch hier sei nicht plausibel, warum ein Siebzehneinhalbjähriger weniger verdienen solle als ein
18-Jähriger: „Ganz sicher wird es dazu früher oder später eine gerichtliche Bewertung geben.“

Der Mindestlohn gilt übrigens auch für Praktikanten, wenn es sich nicht um Pflichtpraktika oder ähnliches handele. Kropp: „Die Klarheit, die wir uns gewünscht hätten, lässt dieses Gesetz leider vermissen.“ Beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist das Gesetz dagegen relativ deutlich auszulegen. Wird es monatlich ausgezahlt, also verteilt, zählt es zum Mindestlohn. Wird es in einem Betrag ausgezahlt, zählt es nur im jeweiligen Monat der Auszahlung, ist also ansonsten nicht anrechenbar.

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Für rege Diskussion sorgte ein weiterer Punkt: So ist der Unternehmer, der beispielsweise ein Bauprojekt oder eine Bauleistung an einen Subunternehmer weitergibt, haftbar, wenn der Mindestlohn von nachgeordneten Auftragnehmern nicht eingehalten wird. Vor allem im Baugewerbe dürfte dieser Passus für Irritationen sorgen. Ein Zuhörer: „Wie soll ich das denn kontrollieren, wenn der Subunternehmer wieder einen anderen Unternehmer beauftragt und so fort.“ Für private Bauherren gilt das nicht

Wie auf das Gesetz reagiert werden muss und was das beispielsweise für Arbeitsverträge bedeutet, steuerte Gunter Troje in seinem Part des Abends bei. Erste wichtige Erkenntnis: Auch wer 50 Euro Stundenlohn zahlt, beschäftigt im juristischen Sinne einen Mindestlöhner – zumindest für den Anteil von 8,50 Euro. Und ist von dem Gesetz betroffen . . . wb