Hamburgs Hafen im Spannungsfeld  zwischen Globalisierung und Industrie 4.0

Foto: Hafen Hamburg / Peter Glaubitt Foto: Hafen Hamburg / Peter Glaubitt
Prof.-Dr.-Jan-Ninnemann

So kennen wir den Hamburger Hafen:
Riesige Schiffe mit unzähligen Containern –
aber was ist, wenn sich die Warenströme reduzieren?
Foto: Hafen Hamburg / Peter Glaubitt

Von Professor Dr. Jan Ninnemann, HSBA Hamburg School of Business Administration (gekürzte Fassung) 

Die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft schien bis vor kurzem ein kaum umkehrbarer Trend zu sein, der zu stetem Produktivitätswachstum und höherem Wohlstand beitrug. Die Entwicklung des Welthandels stellt dies erstmals in Frage. Mehr als zwei Jahrzehnte lang war der wachsende Handel und die enge globale Vernetzung der Volkswirtschaften ein wesentlicher Treiber für das Wirtschaftswachstum. Seit 2012 wachsen Welthandel und Weltwirtschaft nur noch mit moderaten jährlichen Raten. Im Jahr 2014 legte der Welthandel lediglich um 0,3 Prozent zu, während die Weltwirtschaft einen Zuwachs um 2,4 Prozent verzeichnen konnte. Auch die vorläufigen Zahlen für das Jahr 2015 verdeutlichen, dass das Welthandelsvolumen im Vergleich zum Vorjahr nur noch marginal angestiegen ist, während vor und auch kurz nach der Finanzkrise noch Wachstumsraten von deutlich mehr als zehn Prozent normal waren. Bei dieser Entwicklung handelt es sich offenbar um keine vorübergehende Schwäche, vielmehr scheinen strukturelle Gründe für diese Entwicklung verantwortlich. Viele Experten sehen die Weltwirtschaft in einem geopolitischen und technologischen Umbruch.

Megatrend „Globalisierung“ verliert an Boden

Die anhaltende Schwäche von Weltwirtschaft und Welthandel spiegelt sich auch in einer sich abschwächenden Wachstumsdynamik von Weltseehandel und Weltcontainerumschlag wider. Besonders deutlich wird dies an der Umschlagentwicklung des Hamburger Hafens. Mit 8,8 Millionen TEU ist der Containerumschlag 2015 auf das Niveau des Jahres 2006 zurückgefallen. Im Gegenzug konnten die Wettbewerbshäfen Rotterdam und Antwerpen ihre Position immerhin festigen oder sogar ausbauen.

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Während der Megatrend „Globalisierung“ offenbar an Bedeutung verliert, spielt die wachsende Durchdringung der industriellen Fertigung durch IT und Internet und die damit einhergehende enge Integration der physischen und der digitalen Welt eine immer wichtigere Rolle. Unter dem mittlerweile fast schon zum Modebegriff avancierten Titel „Industrie 4.0“ zu subsumierende Technologien wie „Smart Connected Products” oder „Additive Manufacturing” dürften dabei schon in den nächsten Jahren gravierende Auswirkungen auf Branchengrenzen, Wettbewerbsformen und Geschäftsmodelle nach sich ziehen.

Smart Connected Products stellen im Vergleich zu herkömmlichen Produkten komplexe Systeme dar, die Hardware, Sensoren, Datenspeicher, Mikroprozessoren, Software und Netzwerkapplikationen auf die unterschiedlichste Art miteinander verknüpfen. Derzeit stehen anwendungsseitig noch Produkte für Konsumenten (B2C) im Vordergrund – das weitaus größere Potenzial besteht jedoch im Bereich von Business-to-Business-Anwendungen. Vor allem produzierenden Unternehmen stehen durch die gezielte Digitalisierung und Vernetzung entlang der Wertschöpfungsketten neue Türen im Wettbewerb offen.

Während sich der Einsatz von Smart Connected Products in Form einer zunehmenden Dynamisierung der Prozesse auf den Logistiksektor auswirkt, dürften sich durch die fortschreitende Marktdurchdringung des Additive Manufacturing noch deutlich weitreichendere Folgen für den Logistiksektor einstellen.

Additive Manufacturing bezeichnet einen Prozess, bei dem auf Basis von digitalen Konstruktionsdaten durch das Ablagern von Material schichtweise ein Produkt oder Bauteil aufgebaut wird. Damit unterscheidet sich dieses auch als 3D-Druck bekannte Produktionsverfahren deutlich von konventionellen, abtragenden Fertigungsmethoden. Neben Plastikgrundstoffen und speziellen Kunstharzen kommen mittlerweile auch Keramik, Zement, Glas, unterschiedliche Metalle und Metalllegierungen sowie Verbundwerkstoffe zum Einsatz. Mit diesem Verfahren lassen sich langlebige, sichere und vermarktungsfähige Produkte in Serie herstellen. 3D-Fertigungsverfahren haben den Vorteil, dass sich Erzeugnisse in einem Stück fertigen lassen, die bislang aus separaten Bauteilen geformt und dann zusammengesetzt wurden.

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