Asien-Verkehr deutlich eingebrochen, aber in China wird wieder produziert

Ingo Egloff, Vorstand von Hafen Hamburg Marketing, setzt weiter auf den Fernost-Linienverkehr. Foto: HHM

INTERVIEW Ingo Egloff,Vorstand Hafen Hamburg Marketing, über die Aus­wirkungen der Pandemie und die Perspektiven

Wie hat sich Corona konkret auf den Hamburger Hafen ausgewirkt – was passierte nach dem Lockdown Mitte März?
Wir haben deutlich weniger Ladung umgeschlagen. Insgesamt sank der Umschlag um 7,9 Prozent, bei den Containern ging er um 6,5 Prozent zurück. Bei uns kommen manche Entwicklungen aber durch die langen Laufzeiten der Schiffe – die Verbindung Asien-Hamburg dauert je nach Ausgangshafen 28 bis 35 Tage – zeitverzögert an, sodass wir auch im zweiten Quartal mit einem Einbruch rechnen. Allerdings muss man dazu auch sagen: 2019 war ausgesprochen gut. Hinzu kam noch, dass wir ohnehin einige Verspätungen im Linienverkehr hatten, weil Schiffe durch Stürme aufgehalten worden waren.

China war aber von der Pandemie zuerst betroffen, ist aber als „verlängerte Werkbank“ ein wichtiger Handelspartner für zahlreiche deutsche Unternehmen – und natürlich auch für den Hamburger Hafen. Ist die Verbindung wieder hergestellt?
Normalerweise gehen die Aktivitäten im Frühjahr ohnehin immer zurück – eine Folge des Chinese New Year. Da sinken die Transporte jedes Jahr für zwei bis drei Wochen, weil die Menschen zu ihren Familien fahren und folglich weniger arbeiten. Diese Phase hat sich quasi durch Corona dieses Mal um Wochen verlängert. Die Reedereien haben aufgrund des geringeren Ladevolumens zwei vollständige Liniendienste sowie etwa 15 bis 20 Abfahrten pro Monat rausgenommen. Das klingt bei mehr als 100 Linienverkehren, die wir weltweit bedienen, zunächst wenig. Konkret ist der Warenverkehr auf der Asienroute aber um 20 bis 25 Prozent eingebrochen. Wir rechnen damit, dass sich dieser Rückgang auch im dritten Quartal bemerkbar machen wird. Immerhin melden uns unsere Kontaktleute, dass die Produktion in China schon wieder auf 80 Prozent hochgefahren worden ist.

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Corona hat uns gezeigt, wie abhängig wir von ausländischer Produktion sind. Einige Firmen denken darüber nach, wieder im Land zu fertigen. Wie ist Ihre Prognose für die Fernost-Lieferketten – wird sich das negativ auf die Umschlagzahlen auswirken?
Es wird sicherlich Veränderungen geben. Ich denke schon, dass beispielsweise Medizinprodukte, speziell Medikamente, künftig wieder in Deutschland produziert werden könnten. Aber das sind eher Nischen. Eine Rückkehr zu made in Germany wird es meines Erachtens im großen Stil nicht geben. Eher werden die Konzerne versuchen, zweigleisig zu fahren. Auch China ist ja nicht mehr der billigste Produktionsstandort. Das hat sich längst verlagert – nach Vietnam, Indonesien, die Philippinen und Myanmar. Dort ist es noch günstiger, weil das Gehaltsniveau deutlich niedriger ist. Das dürfte dazu führen, dass die Fernost-Linienverkehre auch künftig stark nachgefragt sein werden.

Wird Corona den Hamburger Hafen verändern?
Wir sind als Hafen systemrelevant und haben gezeigt, dass wir mit so einer Krisensituation gut umgehen können. Große Veränderungen sind aus meiner Sicht nicht zu erwarten, allenfalls im Bereich der Bevorratung von Masken und Desinfektionsmitteln. Wir müssen künftig auf pandemische Situationen vorbereitet sein.

Gab es durch Corona konkrete Auswirkungen auf den operativen Hafenbetrieb?
Die Terminals waren zu jeder Zeit arbeitsfähig. Es wurden A- und B-Teams eingerichtet und die Schichten so organisiert, dass sich die Beschäftigten nie begegneten. Das hat super funktioniert. Nicht nur der Umschlag, auch der Hinterlandverkehr lief ohne Probleme. Wir haben hier normalerweise pro Woche 1300 Zugabfahrten mit jeweils rund 80 Containern. Der Vorteil: Da ist außer dem Lokführer niemand an Bord. Und: Die Züge mussten im Gegensatz zu den Lkw an den Grenzen nicht warten. Durch Corona sind die Zugabfahrten allerdings um zehn bis 15 Prozent zurückgegangen. Der Zugverkehr mit China ist dagegen gestiegen – weil weniger große Schiffe unterwegs sind.