Er steht am Anfang – Sebastian Vossmann geht erste Schritte in Richtung Digitalisierung

Das ist die Zukunft: Sebastian Vossmann setzt künftig verstärkt auf den Einsatz von Robotern, die bis zu sieben Arbeitsschritte automatisch erledigen. Künftig wird es um die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine gehen. Foto: Wolfgang Becker

B&P VOR ORT – So will die Scherenmanufaktur Paul in Harsefeld auf dem Weltmarkt 
bestehen – TZEW und ARTIE unterstützen und beraten

Wer an Scheren denkt, denkt an Solingen. Aber auf keinen Fall an Harsefeld. Genau genommen denkt so gut wie niemand an den Ort auf der Stader Geest, denn es ist kaum bekannt, dass hier Deutschlands mit Abstand größter Scherenhersteller seinen Sitz hat. Die Scherenmanufaktur Paul wurde zwar 1886 in Solingen gegründet, produziert aber seit fast 70 Jahren in Niedersachsen für Kunden in etwa 80 Ländern bis zu 10 000 Scheren – pro Tag.
Sebastian Vossmann, ursprünglich Unternehmensberater, übernahm das Industrieunternehmen 2010 und steht als geschäftsführender Gesellschafter nun vor großen Herausforderungen: Wenn die Manufaktur wettbewerbsfähig bleiben will, muss grundlegend modernisiert, das heißt automatisiert werden. Für Vossmann ist das der erste Schritt in Richtung Digitalisierung. Unterstützt wird er dabei von den Beratern des TZEW und des ARTIE-Netzwerks.

Ein Großteil der mehr als 60 Schleifmaschinen in der Produktionshalle ist schon recht betagt. Vossmann: „Die Maschinen sind zum Teil 30 Jahre alt, aber sie sind robust und können leicht repariert werden. Trotzdem sind für den Bau beispielsweise einer Küchenschere 62 einzelne Arbeitsschritte nötig – bei den geringen Margen in einem nicht gerade sehr dynamischen Markt ist das viel zu aufwendig. Vor allem wenn man bedenkt, dass so ein Produkt im Wesentlichen nur aus einer Handvoll Einzelteilen besteht.“

Neuer Kollege in Trump-Orange

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Dass sich die Handfertigung reduzieren lässt, beweist ein relativ neuer Mitarbeiter in Trump-Orange: Der Roboter von ABB greift einen Rohling aus dem Magazin, setzt ihn in die Schleifmaschine, nimmt ihn heraus, wendet ihn und setzt in für einen zweiten Schliff in eine weitere Schleifeinheit. Anschließend legt er das bearbeitete Teil zurück und holt sich das nächste. Vossmann: „Diese Maschine kann rund um die Uhr arbeiten. Das ist die Zukunft. Eine weitere werden wir im kommenden Jahr aufstellen.“ Der 46-Jährige ist sich bewusst, dass dieser Schritt zwar digitale Anteile hat – beispielsweise in der Steuerung und Sensorik des Roboters–, von den tatsächlichen Möglichkeiten der Digitalisierung ist das jedoch noch weit entfernt.

Er sagt: „Eine neue Roboterstation übernimmt fünf bis sieben Arbeitsgänge, die wir heute noch überwiegend per Hand erledigen. Das würde ich noch als Automatisierung bezeichnen. Sobald die Maschinen und die vor- und nachgeschaltete Logistik vernetzt arbeiten, beginnt die Digitalisierung.“
Das Unternehmen beschäftigt derzeit 84 Mitarbeiter, muss den Personaleinsatz aber deutlich reduzieren: „Sonst sind wir in fünf Jahren nicht mehr da“, sagt Vossmann. Der Markt ist beinhart, und die Billigkonkurrenz aus Asien macht Manufaktur-Unternehmen im Hochlohnland Deutschland zu schaffen.
In Deutschland, vor allem in der Region um Solingen, gibt es eine Reihe weiterer Hersteller von Scheren, die aber deutlich kleiner sind als Paul. Vossmann: „Die Schneidwaren-Branche ist aus meiner Sicht sehr konservativ. Da sind zukunftsfähige Impulse nicht zu erwarten.“ Vielleicht ein Indiz dafür, dass die Scherenmanufaktur Paul in Harsefeld in eine gute Zukunft geht, denn Vossmann hat die Zeichen der Zeit erkannt. wb