Viel Geld auf den Konten, wenig in den Läden

Foto: Wolfgang BeckerWird in den kommenden Jahren sukzessive umgebaut: die Sparkassen-Zentrale An der Münze in Lüneburg. Foto: Wolfgang Becker

Sparkasse Lüneburg zieht Bilanz: Torsten Schrell
und Sabine Schölzel über Trends, Zahlen,
Pläne und die Folgen der Pandemie

Die traditionellen Bilanzpressekonferenzen von Sparkassen und Volksbanken beginnen derzeit fast alle mit demselben Satz: „Hinter uns liegt ein herausforderndes Jahr.“ Diesen Satz sagte auch Torsten Schrell, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Lüneburg, die im Corona-Jahr 2020 erstmals die Drei-Milliarden-Euro-Marke knackte – ein kräftiger Anstieg der Bilanzsumme um 5,7 Prozent auf 3,111 Milliarden Euro. Trotz des fast gleichförmigen verbalen Einstiegs: Fast überall gibt es Besonderheiten – so auch in Lüneburg Stadt und Land. Hier stiegen die Sichteinlagen, das Geld also, das Kunden auf ihren Konten liegen haben, stark an. Schrell: „Der Anstieg um 129 Millionen Euro ist auf den ausgebliebenen Konsum und die derzeitige Unsicherheit durch Corona zurückzuführen.“ Er schließt deshalb nicht aus, dass die Pandemie in der Handelsstruktur der beliebten Stadt sichtbare Schäden hinterlassen könnte.

Parallel zu den Sichteinlagen legten auch die Spareinlagen um 34 Millionen Euro zu. Auch hier ein Zeichen, dass Corona die Konsumlaune verdirbt – beziehungsweise das Shoppen durch Lockdown-Phasen quasi weitgehend unmöglich macht. Folge für die Sparkasse Lüneburg: Die erheblichen Beträge müssen bei der Bundesbank geparkt werden – und die stellt Negativzinsen in Rechnung. Für die Sparkasse schlägt der „ausgebliebene Konsum“ der Kunden mit Kosten zu Buche, die sich im worst case in einem mittleren sechsstelligen Bereich bewegen dürften.

Ungeachtet dieser Beobachtung zog Schrell jedoch ein positives Fazit: Vielen schwierigen Einflüssen zum Trotz habe die Sparkasse Lüneburg 2020 ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt. Wie sich die Jahre 21 und 22 entwickeln werden, ist aber auch für ihn schwer einzuschätzen. Vorsichtshalber wurden die Bewertungsaufwändungen erhöht, denn für den Fall, dass Corona eine Insolvenzwelle und/oder eine Entlassungswelle auslösen sollte, dürfte sich dies auch auf Kredite auswirken, die dann nicht mehr zurückgezahlt werden. Schrell: „Bislang sind die Pandemieauswirkungen noch im Rahmen. Wir haben frühzeitig reagiert und Gespräche mit unseren Kunden sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich geführt. Bis Ende 2020 hatten wir Tilgungsaussetzungen im dreistelligen Bereich.“

Anzeige

Der Blick auf die Zahlen

Der Blick auf die nackten Zahlen offenbart dennoch leichte Corona-Folgen: Das Ergebnis vor Steuern liegt bei 5,5 Millionen Euro (Vorjahr: 7,3 Millionen). Der Bilanzgewinn ist mit 1,5 Millionen Euro (1,9 Millionen) ausgewiesen. Der Zinsüberschuss ist mit 38,7 Millionen Euro konstant, das Kreditvolumen mit 2,3 Milliarden Euro ebenfalls. Der Provisionsüberschuss ist mit 22 Millionen Euro leicht rückläufig (22,9). Die Zahl der Geschäftskonten sind mit 8781 stabil (-27). Bei den Privatgirokonten hat die Sparkasse dagegen um fast 600 kräftig zugelegt: 97 754. Die Mitarbeiterzahl liegt aktuell bei durchschnittlich 506 (524).

Für Sabine Schölzel, im Vorstand für den Vertrieb zuständig, war 2020 ebenfalls herausfordernd, denn es war an ihr, in den 21 Filialen für Sicherheit sowohl für Kunden als auch Mitarbeiter zu sorgen: „Die ersten Plexiglaswände haben wir im ersten Lockdown hier im Haus noch selbst gebaut. Das musste ja schnell gehen.“ Zugleich wurden die Berater technisch so ausgestattet, dass Beratung nun problemlos online angeboten werden kann. Schölzel: „Am 1. Oktober ging unser digitales Beratungscenter ans Netz. Das war natürlich schon länger geplant. Heute erleben wir, dass immer mehr Kunden diesen Service nutzen und online mit den Kollegen sprechen, die in Amelinghausen sitzen.“ Die 21 Filialen blieben dennoch während beider Lockdowns geöffnet. Seit dem 1. Januar 2021 haben nun auch Geschäftskunden die Möglichkeit, sich per Video im neuen Business-Center beraten zu lassen.

Corona macht‘s nötig

Insgesamt erleben die digitalen Kanäle der Sparkasse Lüneburg einen regelrechten Boom. Beschleunigt von Corona zählte die Sparkasse 2020 rund 4,5 Millionen Kontakte in der Internetfiliale. 25 000 Kunden nutzten die Sparkassen-App (plus sechs Prozent). Mehr als jeder zweite Kunde schätzt mittlerweile das bequeme Online-Banking. Im Kundenzentrum gingen 160 000 Anrufe ein. Und mehr als jede zweite Transaktion mit der Sparkassen-Card wurde kontaktlos ausgeführt – Corona macht’s nötig.

Anzeige

Auch ein weiterer allgemeiner Trend ist in Lüneburg zu beobachten: Aktien stehen hoch im Kurs. Vorständin Sabine Schölzel: „Viele Kunden kauften nach, als die Kurse Anfang des Jahres rasant einbrachen. Viele Neueinsteiger haben die Aktie erstmals für sich entdeckt. Die Zahl unserer Depots ist um 4,6 Prozent gewachsen.“

Der Ausblick für 2021: Sabine Schölzel, die im Sommer nach München wechselt und ihren Posten an Janina Rieke, Leiterin der Business Bank, übergibt, will sich mit einer innovativen Idee verabschieden: dem Berater-Finder. Künftig sollen sich die Kunden ihren persönlichen Sparkassenberater selbst aussuchen dürfen. Dazu sind die rund 80 Berater eingeladen, sich persönlich vorzustellen. Und noch etwas kommt auf die Kunden zu: Der Hauptstandort mitten in der Lüneburger Innenstadt wird saniert. An der Münze wird es in den kommenden Jahren ein umfangreiches Bauprogramm geben – auch mit dem Ziel, die eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. wb

>> Web: www.sparkasse-lueneburg.de