Der Immobilienmarkt im Zeichen der Corona-Krise

Von Stefan Züchner, Relationship Manager Bethmann Bank AG, Hamburg

Mit fortschreitender Dauer der weltweiten Corona-Pandemie stellen sich immer mehr Investoren und Immobilienbesitzer die Frage, welche Auswirkungen die Krise auf den Immobilienmarkt haben wird. Droht nun nach einem Jahrzehnt eines beispiellosen Immobilienbooms mit kontinuierlich steigender Wert- und Preis­entwicklung bei Privat- und Gewerbeimmobilien in Deutschland ein jäher Rückschlag?

Die Antwort lautet: Es kommt darauf an! Je nach Nutzungssegment sind zum Teil gegenläufige Entwicklungen zu erwarten. Im Bürobereich ist kurzfristig zwar mit einem spürbaren Rückgang der Vermietungsumsätze zu rechnen, denn Unternehmen werden Stundungsregelungen aushandeln, Anmietungen zurückstellen und ihren Flächenbedarf überprüfen. Im Falle einer zügigen gesamtwirtschaftlichen Erholung scheint die Gefahr eines massiven Überangebotes aber überschaubar.

Die Bautätigkeit bei Büros hatte in den vergangenen Jahren angesichts der stark gestiegenen Nachfrage deutlich angezogen. Ein großer Teil davon ist bereits vorvermietet. Der verbleibende Teil kann angesichts der sehr niedrigen Leerstandsquoten von circa drei Prozent vor allem in den Ballungszentren eine Verbesserung der Marktliquidität bewirken. Ein Risikofaktor bleibt jedoch eine länger anhaltende Wirtschaftskrise, die sukzessive zu Flächenfreisetzungen und Untervermietungen in Bestandsobjekten führen könnte. Auch die positiven Erfahrungen mit Homeoffice-Lösungen während des Lockdowns könnte dazu führen, dass Unternehmen ihren Bedarf an Büroflächen grundlegend überdenken.

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Auch bei Wohnimmobilien ist zu differenzieren. Klassische Bestandswohnungen sollten eine große Stabilität aufweisen. So haben in den vergangenen zehn Jahren besonders die Großstädte und deren „Speckgürtel“ vom Bevölkerungszuwachs durch Zuwanderung aus dem Ausland oder durch bildungs- und arbeitsplatzmotivierte Nachfrage profitiert. Diese Märkte weisen trotz einer zuletzt gestiegenen Bautätigkeit eine geringe Fluktuation und sehr niedrige Leerstände auf, was einen Rückgang der Mietpreise unwahrscheinlich erscheinen lässt – Einzelfälle ausgenommen. Stärkere Auswirkungen der Krise sind bei der Vermietung von höherpreisigen Neubauwohnungen zu erwarten. Hier könnte die Vermarktung schwieriger werden und sich die bisherige Mietendynamik deutlich abschwächen, weil Interessenten erst einmal die eigene Einkommensentwicklung nach der Corona-Krise abwarten wollen. Mittel- und langfristig aber bleiben für die Wohnungsmärkte Faktoren wie Bevölkerungsgröße und Zahl der Haushalte entscheidend, die wiederum von der Zuwanderungspolitik oder der Alterung der Gesellschaft abhängen.

Projektentwickler hatten kurzfristig mit Corona-bedingten Verzögerungen zu kämpfen, etwa bei der Zusammenarbeit mit Behörden oder durch eingeschränkte Vermarktungsmöglichkeiten für ihre Objekte während des Lockdowns. Beim Vertrieb von Eigentumswohnungen könnte es wegen der unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven bei potenziellen Käufern zu Dämpfern kommen. Zugleich aber stehen professionelle Entwickler bereits wieder bereit, um sich mit einem Abschlag in Projekte oder Bestandsimmobilien einzukaufen.

Fest steht, dass die Corona-Krise dem langjährigen Immobilienboom ein Ende setzt. Gleichzeitig bieten niedrige Leerstände und eine nur moderat gestiegene Neubautätigkeit die Chance, dass der Immobilienmarkt ungeachtet aktueller Verwerfungen in einzelnen Teilbereichen vergleichsweise gut durch die Krise kommt. Das Interesse institutioneller und privater Kapitalanleger an Immobilieninvestitionen wird nach einer temporären Zurückhaltung hoch bleiben, zumal Corona die Phase niedriger oder negativer Zinsen eher noch verlängern wird. Vor diesem Hintergrund erscheint es aktuell wenig wahrscheinlich, dass es in der Breite zu massiven Preisrückgängen kommt. Je nach weiterem Verlauf der Pandemie ist es aber nicht unwahrscheinlich, dass sich der Markt nach Jahren zweistelliger Preisanstiege normalisiert und in eine Konsolidierungsphase eintritt.