Der Schlüssel zum Weltraum

Produktionsstart: In Bremen wird die erste Oberstufe für Europas neue Trägerrakete vorbereitet. Foto: Heumer

Hamburg bezeichnet sich als Tor zur Welt; doch der Bremer Schlüssel öffnet die Tür zum Weltraum. Bei der ArianeGroup am Bremer Flughafen hat die Fertigung der Schlüsseltechnologie begonnen.

Der Hausherr wirkte selbst etwas erstaunt: „Auf der einen Seite bauen wir noch an unserer Fertigungsanlage, auf der anderen Seite produzieren wir schon“, sagte der Bremer Standortleiter des eutopäischen Raketenhersteller ArianeGroup, Dr. Jens Lassmann, bei der Eröffung der neuen Betriebsstätte am Bremer Flughafen. In der Tat sind auf der einen Seite der 40-Millionen-Investition noch die Handwerker tätig, während auf der anderen Seite bereits der zweite Tank für die Oberstufe der neuen europäischen Trägerrakete Ariane 6 mit Isoliermasse beschichtet wird. „Die Zeit ist knapp, deswegen müssen wir uns so beeilen“, meinte Lassmann: In knapp zwei Jahren soll die erste Ariane 6 starten.

Die neue Rakete soll Europas freien Zugang zum All gewährleisten. „Sie ist das Tor zum Weltraum und der Schlüssel wird hier in Bremen gebaut“, betonte Pierre Godart, Chef der ArianeGroup Deutschland GmbH. Am Standort Bremen werden seit 25 Jahren die Oberstufen für die bisherige Ariane 5 gefertigt. Sie sind einerseits das Kraftpaket, das die Satelliten an Bord nach dem erfolgreichen Start in die exakte Erdumlaufbahn bringt. Und andererseits ist sie das Gehirn der unbemannten Rakete, denn in der Oberstufe sitzt die gesamte Steuerung des komplexen und komplizierten Vehikels.

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Innovative Raketenkonzepte

Äußerlich wird sich die neue Rakete nicht wesentlich von ihrer Vorgängerin unterscheiden. Aber ihr Innenleben und das gesamte Herstellungsverfahren steckt voller Innovationen. Treiber dafür ist der amerikanische Unternehmer Elon Musk (Tesla), der mit seiner Raketenfirma Space X erst in den USA und dann auch in Europa das Gefüge der Raumfahrtindustrie ins Wanken gebracht hat. Mit innovativen Raketenkonzepten hat Musk es geschafft, sich ein Auftragsvolumen der US-Regierung im Gesamtwert von zwei bis drei Milliarden Euro zu sichern. Das gibt ihm die Möglichkeit, kommerzielle Starts für Preise anzubieten, die nach Expertenmeinung unter den tatsächlichen Kosten liegen.

Die europäische ArianeGroup wurde dadurch zu gravierenden kostensenkenden Maßnahmen für ihre neue Trägerrakete gezwungen. Statt bislang sechs werden künftig bis zu zwölf Raketen pro Jahr gebaut. Um diese Produktionsrate zu auskömmlichen Preisen zu schaffen, müssen viele Schritte automatisiert erfolgen. In Bremen hat dies zu der neuen Fertigungsanlage geführt. Die Tankflächen werden dort nicht mehr chemisch gerenigt, sondern per Infrarot-Laser. Das Aufbringen der Isolierschicht auf die Tankaußenfläche erfolgt nicht mehr per Hand, sondern mit Hilfe von Robotern.

Wie in der Automobilindustrie

Die gesamte Produktion ist aufgebaut wie eine Taktstraße in der Automobilindustrie. Der Raketenhersteller ist ein europäisches Gemeinschaftsunternehmen mit französischen Wurzeln, aber starken deutschen Genen. „ArianeGroup steht an der Spitze eines Industrienetzwerkes, das mehr als 600 Unternehmen aus 13 europäischen Ländern umfasst. Kleine und mittlere Unternehmen machen rund 60 Prozent des Auftragsvolumens der Ariane-6-Entwicklung aus, die meisten davon sind in Deutschland“, betonte Godart. Bremen ist der größte Raumfahrtstandort in Europa und der zweitgrößte nach Kalifornien in der Welt.

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Ob die Rechnung mit der neuen Trägerrakete aber aufgeht und Europa damit seinen freien Zugang ins All behält, ist für Godart immer noch fraglich. Nachdrücklich erinnert er die EU immer wieder an die Zusage, sechs Raketen pro Jahr für so genannte institutionelle Starts abzunehmen. Bei solchen Starts werden nicht-kommerzielle Satelliten für Forschungs- oder Militärzwecke befördert. „Tatsächlich haben wir erst drei Aufträge in den Orderbüchern“, beklagte Godart. Immerhin ist die Nachfrage aus der Wirtschaft größer: Dort hat ArianeGroup bereits sieben Raketen verkauft. (heu)