„Wenn blablabla, dann blubb!“

Er wollte es wissen: Nils Neumann, Gründungsexperte der Tutech in Harburg, ließ sich von Prof. Dr. Robert Weidner (links) und Björn Hipp, Projektleiter im Industriebereich, ein Exoskelett made in Wilhelmsburg anlegen. Foto: Wolfgang Becker

Harburg: 2. Impulsform zum Thema Künstliche Intelligenz – Vier Referenten zum Status quo

Unter dem Oberthema „Künstliche Intelligenz“ sammeln sich nicht nur viele Forschungsprojekte, sondern auch viele Fragen: Werden Maschinen eines Tages die Macht übernehmen? Wie viel Science Fiction kann der Mensch überhaupt vertragen? Schafft sich die Menschheit am Ende selber ab? Und überhaupt: Was ist mit KI eigentlich heute schon machbar? Was ist mit ethischen Fragen beispielsweise beim autonomen Fahren – darf eine Maschine darüber entscheiden, wer auf dem zu nahen Zebrastreifen überfahren wird? Allein die Chinesen wollen bis 2030 umgerechnet 150 Milliarden Dollar in die Entwicklung von Systemen mit Künstlicher Intelligenz investieren, sorgt nicht nur für freudigen Forscheroptimismus, sondern durchaus auch für nachdenkliche Töne. Beim zweiten KI-Impulsforum, zu dem die TU Hamburg, der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden und channel hamburg e.V. eingeladen hatten, ging es dieses Mal um Roboter und persönliche Assistenzsysteme. Dazu präsentierten die Initiatoren vier berufene Impulsgeber, die sich anschließend beim Come together im Rahmen einer Vorpremiere auf der „Spiel­ebene“ von HIP one einfanden, dem ersten Bauabschnitt des Hamburg Innovation Port an der Blohmstraße im Harburger Binnenhafen.

Dr. Ralf Grote, Leiter der Präsidialabteilung der Technischen Universität Hamburg, und Martin Mahn, in einer Doppelrolle als Vorsitzender von channel hamburg e.V. und Vorstandsmitglied im Wirtschaftsverein, stimmten die etwa 50 Besucher auf das Thema ein. Letzterer mit der plakativen Frage: „Was ist KI – tut das weh?“ Ralf Grote stellte die vier Referenten vor – „allesamt aus dem Hamburger Ökosystem“.

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„Das wird ganz normal sein“

Den Auftakt machte Dr. Lothar Hotz vom Hamburger Informatik Technologie-Center e.V. Sein überraschender Einstieg: In Hamburg befassen sich Forscher bereits seit 1971 mit KI – damals ging es um die Transformation eines Videos in eine natürliche Beschreibung. Hotz: „Das System sollte bewegte Bilder verstehen, einen Kotext herstellen und Sprache erzeugen.“ Und: „KI in Deutschland wurde ganz wesentlich von Hamburg angeschoben.“ Hotz erläuterte verschieden Methoden, sprach den Einsatz von neuronalen Netzen an und brachte das gewünschte Ergebnis auf die einfache Formel: „Wenn blablabla, dann blubb!“ Anders ausgedrückt: Wenn das und das passiert, kommt das dabei heraus. Klingt ganz einfach, ist aber höchst komplex, wenn es beispielsweise um das autonome Fahren geht. Die Prognose des Forschers: „Es wird nicht so sein, dass die Autos hier allein durch die Gegend fahren. Das geht nur in bestimmten Gebieten, zu bestimmten Uhrzeiten und in bestimmten Situationen.“ Allerdings sagt er auch: „In ein paar Jahren machen wir alle irgendwas mit Künstlicher Intelligenz. Das wird dann ganz normal sein.“

Automatisierung im Flugzeugbau

Mit dem Thema Automatisierungstechnik befasst sich die TUHH-Ausgründung 3D.aero. Das Unternehmen ist erst wenige Jahre alt und überwiegend für Airbus tätig. Automatisierung im Flugzeugbau ist zwar besonders herausfordernd, aber offenbar auch zukunftsweisend. 3D.aero hat mittlerweile 40 Mitarbeiter, mehrere große Forschungsprojekte und ist neuer Mieter im HIP one. Teamleiter Dr. Sebastian Sauppe: „Sechs Anträge für weitere Forschungsprojekte sind gestellt.“ Und: „Wir glauben, dass wir im Flugzeugbau den Wechsel zur Industrie 4.0 gestalten können.“ Konkret befasst sich 3D.aero beispielsweise mit der Inspizierung von Turbinenkammern durch Roboter. Auch die Flugzeugkabine könne durch eine 360-Grad-Inspektion automatisiert auf Schäden untersucht werden. Er führte nach den Vorträgen praktisch vor, wie sich Turbinen-Schaufeln (Blades) in der Flugzeugturbine automatisiert auf Schäden kontrollieren lassen.

Der lange Arm des Operateurs

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Auch in der Medizintechnik geht es mittlerweile futuristisch zu, wie Prof. Dr. Alexander Schlaefer vom TUHH-Institut für Medizintechnische Systeme berichtete. Er zeigte Fotos von Operationsrobotern und betonte die hohen Anforderungen an Navigation und Bildgebung. Ziel sei es, Roboter zu entwickeln, die im Patienten eingesetzt werden können, ohne dass dieser geöffnet werden müsse. In jedem Fall aber sei so ein Roboter immer der verlängerte Arm des Operateurs.

Ein Exoskelett unterstützt

Letzter im KI-Quartett war Prof. Dr. Robert Weidner, der sich mit Mensch-Maschine-Interaktionen befasst. Klingt auf den ersten Blick sehr theoretisch, ist aber tatsächlich sehr lebensnah, denn Weidner entwickelt Exoskelette und hat neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit an der Helmut-Schmidt-Universität auch eine Firma in Wilhelmsburg gegründet. Greifen, heben, gehen sind die Aktionen, die durch ein Exoskelett unterstützt werden. Allerdings nicht so, dass sich die Muskeln des Trägers zurückbilden, weil die Mechanik beispielsweise Lasten komplett allein bewegt, sondern mit dem Ziel, Überlast zu vermeiden.

Weidner: „Anwendungsgebiete finden wir zum Beispiel in der Logistik, in Produktionsbetrieben, beim Katastropenschutz und in der Pflege.“ Dabei steht die Vermeidung von Überlastungen ebenso im Fokus wie die Wiederherstellung verlorener Fähigkeiten beispielsweise beim Laufen. Weltweit, so der Vortragende, gebe es mehr als 300 verschiedene Exoskelette, von denen je ein Drittel in der Forschung, in der Industrie und im Bereich Pflege zum Einsatz kommt. Weidner: „Wir beschäftigen uns mit den Materialien und mit der Steuerungstechnik. Und wir sind weltweit technologisch sehr weit vorn mit dabei, obwohl wir hier nicht unbedingt über Hightech sprechen.“

In der anschließenden Runde standen die vier Experten für Fragen zur Verfügung, dann ging es aus dem Foyer der Alten Schmirgelfabrik, Zentrale von HC Hagemann Ingenieurbau, rüber auf die Spiel­ebene von HIP One. wb