Das Geschäft mit dem Hanf

Foto: PejicSchwören auf den Relax-Effekt von Hanfblüten: Die Wahl-Cuxhavener Florian Bonk und Vanessa Voigt in ihrem neueröffneten CBD-Shop in Cuxhaven. Foto: Pejic

Die Bundesregierung will Cannabis legalisieren.

Von  Josip Pejic

Die Bundesregierung will Cannabis legalisieren. Ein entsprechender Gesetzesentwurf ist für die zweite Jahreshälfte geplant. Schon jetzt lassen sich diverse Hanf-Produkte legal im Geschäft erwerben, darunter sogenannte CBD-Blüten – getrocknete Hanfblüten, die geraucht oder als Flüssigkeit verdampft werden. Sie sollen dem Konsumenten Entspannung bringen und beim Einschlafen helfen. Bundesweit steigt die Nachfrage nach den Lifestyle-Produkten, öffnen immer mehr CBD-Shops. Bald öffnet das „House of Hemp“ in der Bremerhavener Karstadt-Passage seine Pforten. Nun gibt es erstmals auch in Cuxhaven einen reinen CBD-Shop. Doch dass die Blüten tatsächlich heilende Wirkung haben, ist hoch umstritten

Mit einer allzu breiten Produktpalette kann Florian Bonk nicht dienen: In seinem neu eröffneten, noch spartanisch eingerichteten CBD-Shop in Cuxhaven bekommen Kunden Hanfblüten und Hanföle. Daneben gibt es das obligatorische Zubehör für den Konsum wie Blättchen und Pfeifen – das war’s. Der ganze grell-bunte Schnickschnack, wie es ihn in den zahllosen CBD- und Tabak-Shops zu kaufen gibt, ist dem 25-Jährigen auch gar nicht wichtig.

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Sieben verschiedene EU-zertifizierte Hanfblütensorten hat er bislang im Sortiment, die sich in ihrem Cannabidiol-Gehalt – so wird CBD im Fachjargon genannt – und ihrem Aroma unterscheiden. Da ist etwa die Blüte „Lemon Haze“ mit gut neun Prozent CBD-Konzentration. Sie ist Bonks Verkaufsschlager. „Orange Gelato“ enthält ebenfalls neun Prozent CBD und soll, wie der Name schon sagt, nach Orange „schmecken“. Die Sorte „Ice Rocks“ hingegen enthält satte 85 Prozent CBD-Anteil und ist damit die Stärkste unter den Blüten. „CBD wirkt auf jeden Menschen unterschiedlich. Wer die für sich passende Hanfblüte finden will, kommt um eine fachkundige Beratung und viel Ausprobieren nicht herum“, ist Bonk überzeugt.

Eigentlich ist der gebürtige Berliner, der seit vier Jahren in Cuxhaven lebt, gelernter Koch und wollte sich mit einem eigenen Restaurant selbstständig machen. Während der Hochphase der Corona-Pandemie, als es Gaststätten und Restaurants aufgrund der Kontaktbeschränkungen besonders schlecht ging, wurde ihm klar, dass er umsatteln und etwas Krisenfesteres finden musste. Einen CBD-Shop zu eröffnen, erschien Bonk naheliegend.

„Es ist mein Lifestyle“

„Cannabidiol ist für mich nicht nur ein Verkaufsprodukt, es ist mein Lifestyle.“ Tatsächlich scheint Bonk viel über Hanfblüten zu wissen. Nahezu täglich konsumiere er selbst. Das Cannabidiol lasse ihn entspannen, nachts könne der von chronischen Schlafstörungen geplagte Bonk besser schlafen.

Florian Bonk bezieht seine Ware von einem Großhändler aus Deutschland und verkauft die Blüten für rund zehn Euro das Gramm. Für das CBD-Öl nimmt er 50 Euro pro Fläschchen „Die Blüten sind sozusagen sauberes Cannabis“, sagt er und meint damit, dass sie keine chemischen Zusätze oder Streckmittel enthalten wie etwa Marihuana, das illegal auf der Straße verkauft wird. Und noch einen maßgeblichen Unterschied zum verbotenen Pendant gibt es: Der Gehalt des Wirkstoffs THC, der bei Cannabis für den Rauschzustand sorgt, ist beim CBD genetisch auf ein Minimum heruntergezüchtet. Die meisten Sorten enthalten höchstens 0,2 Prozent THC, mehr erlaubt der Gesetzgeber nicht. „Mit anderen Worten: Wer CBD-Blüten konsumiert, wird davon nicht ‚high‘“, sagt Bonk.

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Wer die Wirkung von Cannabidiol recherchiert, dem eröffnet sich ein ganzes Spektrum an Verheißungen. So wird dem Wirkstoff nicht nur ein entspannender, sondern auch ein angstlösender Effekt nachgesagt. CBD habe entzündungshemmende Eigenschaften, rege die Serotoninproduktion im Gehirn an, was sich positiv auf die Stimmung auswirke, und lindere Schmerzen.

Schnell ausverkauft

Florian Bonk ist auf diesen Zug aufgesprungen. Und verdiene gut damit: „Das Geschäft läuft bislang prächtig. Nach der ersten Woche waren wir bereits ausverkauft und mussten vorzeitig schließen, weil wir so schnell keinen Nachschub organisieren konnten“, sagt Bonk. „Mittlerweile sind die Aufbewahrungsgläser aber wieder gut gefüllt. Wenn das so weitergeht, haben wir den Bankkredit für das Geschäft bald abbezahlt.“ Seine Kundschaft sei bunt gemischt, erzählt er: „Wir haben Kunden, die gerade erst volljährig geworden sind. Es kommen aber auch Leute zwischen 30 und 80 Jahren zu uns ins Geschäft.“ Manche wollten gar nichts kaufen, sondern sich nur beraten oder die Wirkungsweise der Hanfblüten erklären lassen, sagt seine Partnerin Vanessa Voigt.

Was die Wirkung angeht, scheint die Sache indes längst nicht so klar zu sein. So ist bis heute umstritten, ob CBD-Blüten tatsächlich eine heilende Wirkung haben. Medizinisch erwiesen ist davon jedenfalls kaum etwas. Der Leiter der Fachstelle für Sucht, Suchtprävention und psychosoziale Beratung VBS in Cuxhaven, Jürgen Schlieckau, ist skeptisch: „CBD-Blüten sind eine Chimäre: Sie werden als Heilmittel gepriesen und als tolle Lifestyleprodukte beworben. In Wahrheit erfüllen sie weder die eine noch die andere Erwartung, weil sie keinerlei Wirkung haben. Es ist ein reines Placebo“, sagt Schlieckau.

Zwar gebe es medizinische Untersuchungen, die die Wirkung von Cannabidiol bei zwei kindlichen Epilepsie-Formen nachgewiesen hätten, erklärt Schlieckau. Doch seien dabei extrem hohe Dosen der Substanz zum Einsatz gekommen, die mit den wenigen Milligramm in den CBD-Produkten nicht vergleichbar seien.

Suchtberater rät ab

Seinen Suchtpatienten rät Jürgen Schlieckau vom Konsum des Stoffs dringend ab: „CBD ist zwar kein Suchtmittel, weil das rauschauslösende THC aus den Blüten gefiltert wird. Aber eine Restmenge THC ist darin immer enthalten, und wir können noch keine validen Aussagen darüber machen, was diese Restmengen im Körper der Konsumenten bewirken, weil CBD medizinisch noch viel zu wenig erforscht ist“, so der Diplom-Pädagoge.

Unklar sei bislang auch, ob die Blüten bei entwöhnten Cannabisabhängigen zu Rückfällen führen können. „Einem trockenen Alkoholiker würde ich niemals raten, alkoholfreies Bier zu trinken, weil da immer eine Restmenge Alkohol drin sein und das einen Rückfall provozieren kann. Ob der Konsum von CBD bei Cannabissüchtigen ähnliche Reaktionen auslösen kann, wissen wir schlichtweg nicht, zumal man den THC-Gehalt bei Blüten nicht zuverlässig messen kann.“

Schlieckau fordert deshalb unabhängige wissenschaftliche Studien, die nicht – wie viele der bisherigen Untersuchungen – von wirtschaftlichen Interessen geleitet sind: „Wir wissen nichts über die Wirkungen und wir wissen nichts über die Nebenwirkungen. Das Einzige, was wir bislang mit Sicherheit über CBD sagen können, ist, dass damit im Moment sehr viel Geld verdient wird“, so Schlieckau.

Florian Bonk kennt diese Diskussionen und das deutsche Heilmittelwerbegesetz: „Es ist verboten, CBD-Blüten mit Heilaussagen zu bewerben, weil das den Anschein eines Arzneimittels erweckt. Ohne eine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz wäre das Irreführung.“ Mit anderen Worten: Solange CBD-Blüten nicht als Medikamente zugelassen sind, deren heilende Wirkung erwiesen ist, dürfen sie auch nicht als solche beworben werden. Wer das dennoch tut, macht sich strafbar. Um sich keinem falschen Verdacht auszusetzen, achte er deshalb genau darauf, wie er seine Ware bewirbt: „Nicht als Heil-, sondern als Genussmittel.“