Neustart in 2020: Vom Zweitakter zum E-Mobil

Christoph Birkel (rechts) und Mark Behr zeigen das neue Marketing-Mobil des hit-Technoparks: den weltweit ersten E-Tempo.

100 Jahre Tempowerkring: hit-Technopark elektrifiziert das legendäre Tempo-Dreirad.

Das optische Ergebnis bringt nicht nur Oldtimer-Fans zum Schwärmen. Der knallrote Tempowagen, für den ab sofort ein Platz in einer beleuchteten und sogar beheizbaren Show-Garage im Tempowerkring 6 reserviert ist, ist ein spektakuläres Unikat. Grund: Der Dreirad-Wagen – 1951 in Harburg gebaut, 2015 von einem Oldtimer-Liebhaber in den Niederlanden restauriert – hat eine unerwartete Metamorphose erfahren. Unter der Motorhaube summt ein Antriebsaggregat, das kein anderer der weltweit noch fahrenden Zweitakter besitzt: ein Elektromotor. Dieser wurde dem Fahrzeug in den vergangenen Monaten bei der Firma E-Cap in Winsen eingebaut, einem Spezial-Unternehmen für den Umbau historischer Fahrzeuge zu Elektroautos, eingebaut . Und so könnte das Auto jetzt eigentlich mit zwei Kennzeichen auf die Straße: dem „H“ für historisch und dem „E“ für elektrisch – eine perfekte Symbiose aus Tradition und Technik.

Genau so ist es gedacht.

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Der rote Tempowagen ist für den hit-Technopark ab sofort das rollende Symbol für Innovation, Zukunft und Kollaboration. Bis 1955 wurden auf dem Gelände der historischen Tempo-Werke rund 110 000 Dreiradwagen gebaut. Sie galten als Wunderwerk der Technik und wichtigstes Hilfsmittel beim Wiederaufbau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf den Pritschen der dreirädrigen Kleinlaster karrten die Deutschen den Schutt der Kriegsjahre weg und bauten ersten Wohlstand wieder auf. Besonders die Einfachheit des Lastesels aus Harburg überzeugte und machte ihn damals zum meistverkauften Kleinlaster der Welt. Ganz unproblematisch war der Tempo allerdings nicht: Falsch beladen neigte er dazu, sich schnell auf die Seite zu legen – den Elchtest hätte er garantiert nicht bestanden. Außerdem war der Motor vergleichsweise klein und entspr echend gefordert, wenn sich ein Kohlenhändler mit dem vollbeloadenen Fahrzeug auf den Weg zum Kunden machte.

In dem historischen Tempowagen des hit-Technopark wurde nun allerdings das berühmte knatternde Zweitakter-Sound durch einen surrenden E-Motor ersetzt – die Fahrzeugtechnik der Gegenwart und Zukunft. „Der E-Tempo ist ein Symbol des Wandels von der Industrie zur Technologie“, sagt Christoph Birkel, Geschäftsführer des hit-Technopark. „Wo früher der Wiederaufbau des Landes in die Hand genommen wurde, gestalten wir heute die Zukunft, fördern Innovationen und unterstützen Wachstum durch Ideen. Man kann sagen: Mit Tempo in die Zukunft.“

Für Mark Behr, Innovationsmanager des hit-Technopark, ist der E-Tempo auch ein Marketing-Instrument für den Technologiepark: „Wir sind eine Gemeinschaft technologie-begeisterter Menschen, die sich gegenseitig unterstützen und fördern. Wir leben Technologie.“ Der E-Tempo passe perfekt zu dieser Philosophie.

Wie wäre es denn, wenn . . . ?

Entstanden ist die Idee Anfang des Jahres in einem Brainstorming und mit dem typischen Satz: Wie wäre es denn, wenn . . . ? Wie wäre es also, wenn man einen historischen Tempo mit der modernen Technologie eines E-Autos ausstatten würde?

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Zunächst einmal musste ein geeignetes Fahrzeug gefunden werden, denn der blaue Tempowagen, der bislang vor dem Haupteingang am Tempowerkring 6 stand, war nicht mehr zu restaurieren. Er wird in seine Einzelteile zerlegt, die künftig als Deko-Elemente im neuen Veranstaltungszentrum verwendet werden. Wo also gab es einen Tempowagen, der Wünschen und vor allem den technischen Ansprüchen genügte? Der in einem guten Zustand war, und bei dem der Preis stimmte?

Die Lösung fand sich in einem kleinen Ort in den Niederlanden. Also besorgte sich Innovationsmanager Behr einen Spezialanhänger – und holte den Dreirad-Kleinlaster persönlich ab; den ausgehandelten Preis in Bargeld in der Tasche. Dann wurde der Tempo aufgeladen und direkt nach Winsen transportiert, um in ein modernes E-Auto verwandelt zu werden. Dazu gehört auch der Aufbau auf der Ladefläche: Dort befindet sich eine blinkende, dem „Flux-Kompensator“ aus der Filmtrilogie „Zurück in die Zukunft“ nachempfundene Installation, an der man – unter anderem – den Ladezustand des E-Motors ablesen kann.

Der E-Tempo soll künftig das Stadtbild von Harburg mitbestimmen, viel unterwegs sein und an markanten Punkten der Stadt für den hit-Technopark werben. Nach getaner Arbeit wird er dann in seine gläserne Garage rollen und kann dort bewundert werden – fast 70 Jahre nach seinem Bau an gleicher Stelle.

Herausforderung für E-Cap in Winsen

Der Tempo war eine seiner bisher größte Herausforderung, gibt Daniel Rüger zu. Der Kfz-Experte ist Projektleiter bei der Firma E-Cap in Winsen, einem Spezialisten für den Umbau historischer Fahrzeuge zu Elektroautos. „Eine Aufgabe wie den Tempo hatten wir hier aber noch nie“, sagt der 26-Jährige. Was er damit meint: Anders als bei den meisten Autos, werden Tempo nicht mit Antriebs- oder Gelenkwellen angetrieben, sondern durch eine Kette. Eine Technik, die üblicherweise in Motorrädern verbaut ist. „Dieser Antrieb war für uns Neuland“, sagt Rüger, der seit 2018 bei E-Cap arbeitet.

Leistung und Drehmoment

 Trotzdem näherte sich der Projektleiter auch diesem historischen Fahrzeug, wie er es immer macht. „Wir stellen uns zu Beginn zwei Fragen: Welchen Motor verbauen wir und wie groß darf der Akku sein, damit das zulässige Gesamtgewicht nicht überschritten wird“, erklärt Rüger. Beim Motor wählte der Experte aus einem Pool, den die Firma E-Cap eigens für ihre Projekte zusammengestellt hat. Wichtigste Kriterien dabei sind Leistung und Drehmoment. „Ziel ist es, immer die Fahrleistung vor dem Umbau zu erreichen“, sagt Rüger. Beim Tempo allerdings, verrät der Projektleiter, musste er den Motor sogar etwas drosseln. Das historische Fahrzeug ist nur für Geschwindigkeiten bis zu 60 Stundenkilometer ausgelegt, könnte mit E-Motor jedoch schneller fahren. „Aber das wird dann einfach zu unsicher“, sagt Rüger.

Als Motor und Akku gefunden waren, wurde der Umbau mit sogenannter CAD-Software am Computer konstruiert. Erst dann wurde es handfest: Motorraum auf, alte Technik raus, neue Technik rein. So die Kurzversion. Aber so einfach war es natürlich nicht. Um das Antriebsproblem – Kette statt Wellen – zu lösen, bauten die Mechaniker zwischen Motor und Kette ein kleines Getriebe ein. „So konnten wir den alten Ketten-Antrieb erhalten und mit dem Elektromotor verbinden“, erklärt Rüger. Und so wurde aus dem alten Zweitakt-Motor mit Viergang-Getriebe ein E-Antrieb mit zwei Gängen: vorwärts und rückwärts.

Während der Umbauphase in Winsen: Der E-Motor ist bereits montiert.

Umbauzeit: Ein halbes Jahr

Diese Lösung brachte jedoch ein weiteres Problem mit sich: Wie wird die Antriebseinheit im Motorraum verbaut? „Normalerweise wird die originale Motoraufhängung wiederverwendet“, sagt Rüger. Weil aber zusätzlich zum Motor noch ein kleines Getriebe verbaut wurde, passte diese Aufhängung nicht mehr. „Also haben wir den Motor auf eine kleine Welle gesetzt“, sagt der Experte. Damit war auch dieses Problem gelöst – und die Herausforderung schließlich gemeistert. Nach etwas mehr als einem halben Jahr waren Rüger und seine Kollegen fertig.