Auslaufmodell Homeoffice?

Von CORINNA HOREIS, Diplom-Kauffrau und Personal­beraterin.

Nun haben Beschäftigte gerade die Freiheit erlangt, ganz oder teilweise die Aufgaben aus dem kuscheligen Zuhause oder von anderen Orten abseits des Firmensitzes zu erledigen, da kündigen insbesondere große Konzerne die geplante Rückkehr in die Firmenzentralen an. Diese Maßnahme würde allerdings absolut konträr gegenüber den Wünschen der Angestellten verlaufen. Laut einer Umfrage von McKinsey vom April dieses Jahres würden gerne 97 Prozent der Mitarbeiter für den Rest ihrer beruflichen Laufbahn zumindest zeitweise „on remote“ arbeiten. Fakt ist, dass in Deutschland gerade einmal ein Viertel aller Erwerbstätigen zumindest gelegentlich im sogenannten Home­office gearbeitet hat (Statistisches Bundesamt, Juli 2023) und diese Flexibilität nicht mehr missen will. 

Warum möchten die Menschen in der Wahl des Arbeitsorts flexibel sein? Der Arbeitsweg fällt weg und damit lange Pendelzeit sowie hohe Spritkosten. Außerdem kann die Zeiteinteilung teilweise frei gewählt beziehungsweise an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden, es herrscht mehr Ruhe für konzentrierte Arbeiten, und es wird mehr Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten gewonnen. Die Beschäftigten sind zufriedener, weniger ausgebrannt und erzielen bessere Arbeitsergebnisse – nach ihrer eigenen Einschätzung. 

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Und warum wollen die Firmen, die einst große Freiheit versprachen, die Belegschaft – ohne Rücksicht auf deren Bedürfnisse – teilweise sogar unter Androhungen von Restriktionen zurück ins Büro holen? Sicherlich war die Vorstellung, jeder könne von überall aus arbeiten, ohnehin eine Illusion. Und sicherlich hat sich mancher Arbeitgeber dieser Illusion etwas zu naiv hingegeben, weil so schneller offene Stellen besetzt werden konnten. Doch es zeigen sich inzwischen offensichtlich Schwachstellen des hybriden Arbeitsortmodells. Die Innovationskraft lässt erwiesenermaßen nach, da Ideen unter anderem im zufälligen Aufeinandertreffen von Personen während des Tages entstehen und vorangebracht werden. 35 Prozent der Ideen entstehen in Firmen am geliebten Kaffee­automaten, was die Bedeutung des persönlichen Austauschs unterstreicht.

Die Identifikation mit dem Arbeitgeber, den Kollegen und den Aufgaben ist aus dem Home­office schwer erreichbar. Dieser Zustand kann zur Folge haben, dass das Unternehmen als Arbeitgeber austauschbar wird. In Bewerbungsgesprächen wird als zen­trale Anforderung an zukünftige Arbeitgeber formuliert, dass die zwischenmenschliche Ebene unbedingt passen soll und dass eine fundierte Einarbeitung gewünscht wird. Nur wie sollen Vorgesetzte diese Wünsche erfüllen, wenn die Hälfte der Belegschaft nicht vor Ort präsent ist oder gar neue Mitarbeiter teilweise allein in der neuen Abteilung sitzen. Das fühlt sich nicht gut an. Die Folgereaktionen wie Flucht in Krankheit oder gar Kündigung sind leicht vorstellbar.

Flexibilität und hybrides Arbeiten werden schwerlich vom Markt verschwinden, bedürfen jedoch Regeln, damit der gegenseitige Austausch, das soziale Gefüge, Aus- und Weiterbildung sowie Zugehörigkeit gefördert werden. Die häufig getroffene Regelung, an wieviel Tagen Anwesenheitspflicht besteht und an wie vielen anderorts gearbeitet werden kann, reicht nicht aus, um die Schwachstellen dauerhaft zu eliminieren. Es geht vielmehr um Vertrauen, die Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Einklang zu bringen, sodass Ergebnisse und Ziele erreicht werden. Transformation der Arbeitswelt fängt im Unternehmen an, um die bestmöglichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche und zukunftsweisende Zusammenarbeit zu schaffen. Harte Ansagen oder Bevormundung werden jedenfalls niemanden ins Büro zurückholen.

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Corinna@horeis-consult.de

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