Von Martin Mahn, Geschäftsführer der Tutech Innovation GmbH und der Hamburg Innovation GmbH.
„Im Krieg ist die Wahrheit das erste Opfer.“ Im Wortlaut so, oder so ähnlich und auch völlig egal, ob das nun Johnson, Kipling oder Aischylos gesagt haben: In der Tat, da ist was dran. Und wenn man dieses Zitat etwas genauer unter die Lupe nimmt, offenbart sich gleich die ganze Tragödie: Offenbar befinden wir uns schon seit vielen Jahren im (hybriden) Krieg. Denn die Wahrheit ist schon lange tot. Nicht überall, zum Glück – letzte gallische Dörfer leisten noch erbitterten Widerstand – aber doch schon ziemlich raumgreifend. Vor allem im digitalen Raum. Blaues Häkchen hin oder her – wer kann im Web schon noch sagen, was wahr ist oder nicht? Wer echt ist oder nicht?
Die Flut der Nachrichten und Bilder ist für uns recht einfach gestrickte Spezies inzwischen nicht nur einfach zu groß, sondern sie bedient ganz subversiv auch alle Hebel unserer psycho-biologischen Natur. Das übrigens hatte in den 80er-Jahren auch schon die britische Band ELO erkannt – und mit ihrem Hit „Secret Messages“ vertont.
Will man sich heute zu einem Bericht Klarheit verschaffen, muss man schon 20 Online-Zeitungen aus zehn verschiedenen Ländern von fünf verschiedenen Verlagshäusern auswerten. Doch wer hat denn noch die Zeit dazu, geschweige denn die notwendigen fremdsprachlichen Kenntnisse? Und bisweilen wähnt man sich dabei fast schon als Hauptdarsteller in einer Fantasy-Serie: Newsbots, Cyber Bullies, Trolls, Fake Lines, Adware – willkommen bei der Truth Quest in Bot City – Jäger des verlorenen Schatzes, auf der permanenten Suche nach den letzten Spuren der Wahrheit. Aber Achtung: Die Trolle bitte nicht füttern!
Füttern ist das Stichwort. Denn jetzt ist endlich Licht am Ende des (Fakenews)Tunnels, es naht die Lösung. Alles wird wieder gut. Wo unsere menschliche Intelligenz offenbar versagt, hat die künstliche Intelligenz, zumindest die von Open AI, einen weiteren Entwicklungsschritt hingelegt. Und was für einen. Sie wurde kräftig mit Wissen gefüttert. Sie besteht Medizin-Examen und schreibt Doktorarbeiten. Sie spricht mit uns und hat eine Antwort auf einfach alles. Wir brauchen sie zukünftig also nur noch mit unseren Fragen füttern. Ach so, die Antworten sind auch nicht immer richtig? Oder wahr? Weil die Algorithmen und Informationen von ChatGPT auch von Menschen kommen? Das ist natürlich echt blöd. Vielleicht sollten wir es einfach wieder mit Sokrates halten: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Damit ist wahr oder unwahr am Ende auch egal.