„Ich sage nur 2500 und 10…“

Martin Mahn Foto: Wolfgang Becker

MARTIN MAHN Zu seinen Aufgaben im Vorstand zählt die Fachkräfte-Thematik – Ein Aspekt der Problemlösung dürfte überraschen.

Er ist da. Seit Jahren wird vor den Folgen des demographischen Wandels gewarnt, doch nun scheint es, als habe der Fachkräftemangel sein Coming-out als echtes Problem hinter sich. Dabei geht die Zahl der unbesetzten Stellen in machen Unternehmen in die Dutzende. Nicht selten mit schwerwiegenden Folgen für die noch vorhandenen Beschäftigten, denn die müssen die Lücken auffüllen, wenn sich erfahrene Kollegen in den Ruhestand verabschieden. Die vorhersehbare, aber ungewohnte Unwucht hat zu einem Kippen des Arbeitsmarktes geführt. Eben noch hatten Arbeitgeber die freie Auswahl, nun müssen sie sich plötzlich selbst bewerben. Aus dem Arbeitgebermarkt ist ein Arbeitnehmermarkt geworden. Auch der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden hat das Thema auf der Tagesordnung und sucht nach Lösungen. Zuständig ist Vorstandsmitglied Martin Mahn, der als Geschäftsführer der Tutech Innovation GmbH und der Hamburg Innovation GmbH an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sitzt und eigentlich direkten Zugang zu den nachwachsenden Fachkräften haben müsste. Doch selbst er sagt: „Wir haben ebenfalls Probleme, unsere offenen Stellen zu besetzen. Nicht einmal studentische Hilfskräfte sind zu bekommen.“

Martin Mahn gehört allerdings nicht zu denen, die schnell die Flinte ins Korn werfen. Zum einen hätte er schon so einige Ideen, wie sich die Wirtschaft im Hamburger Süden positionieren könnte, um Arbeitskräfte für die Region zu interessieren; zum anderen hat er eine plausible Erklärung, warum es beispielsweise Harburger Firmen besonders schwer haben – nämlich deshalb: „Ich sage nur 2500 und 10 . . .“ Und dann holt Martin Mahn aus: „Hamburg hat 2500 Brücken – mehr als Venedig und Amsterdam zusammen. Und mehr als jede europäische Großstadt. Aber nur zehn Verbindungen führen über die Norderelbe – wenn wir die vier Tunnelröhren einzeln zählen. Die katastrophale Verkehrssituation ist der Hauptgrund dafür, dass potenzielle Bewerber aus dem Norden Hamburgs abwinken, wenn es um einen Job im Süden geht. Und andersherum ist es fast genauso.“

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Der Verkehrsflaschenhals hemmt den Arbeitsmarkt

Tatsächlich führen grob überschlagen nur die Brücken der A1 (Richtung Lübeck) und der B75 (Norderelbbrücke), die Freihafenbrücke, mehrere Bahngleise sowie der Elbtunnel (A7) mit seinen vier Röhren und der Alte Elbtunnel (frei für Radfahrer) über die Norderelbe. Von Süden kommt die Köhlbrandbrücke hinzu, die aber durch den Hafen führt und in die Freihafenbrücke mündet. Martin Mahn: „Das ist zu wenig! Dieser Flaschenhals hemmt den Arbeitsmarkt im Großraum Hamburg – und zwar in beiden Richtungen.“ Dass tagtäglich 355 000 Menschen nach Hamburg pendeln, sagt einiges aus. Speziell aus dem Landkreis Harburg starten jeden Morgen besonders viele Arbeitnehmer gen Norden und landen – egal ob mit der Bahn oder per Auto – in dem beschriebenen Flaschenhals. Martin Mahn: „Das Fachkräfteproblem hat seine Ursachen bis zu einem gewissen Grad in der völlig unbefriedigenden Verkehrssituation. Für uns als Tutech hat das auch Folgen. Mir fehlen Mitarbeiter in der Finanzbuchhaltung, im Controlling, im Personalwesen und in der IT. Weil Bewerbern der Weg nach Harburg zu umständlich ist und junge Menschen häufig nicht mal mehr einen Führerschein besitzen, denken wir nun darüber nach, eine Zweigstelle nördlich der Elbe zu eröffnen. Das könnte vielleicht helfen und würde uns zudem die Gelegenheit geben, unsere Flagge im Norden zu hissen.“

Gleichwohl sinkt die Zahl der Fachkräfte auch real. Ein paar denkbare Lösungsansätze à la Mahn:

>> Deutschland braucht endlich ein Einwanderungsgesetz

>> Bürokratie-Hemmnisse für Arbeitswillige aus anderen Ländern müssen abgeschafft werden

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>> Die Wirtschaft im Hamburger Süden sollte eine gemeinsame Kampagne auf die Beine stellen, um für den Standort zu werben

>> Start einer konzertierten Aktion: Bildung für Einwanderer, allen voran im Bereich Sprache

>> Schaffung attraktiver Bedingungen für Ruheständler, die gerne noch weiterarbeiten möchten

>> Flexible Arbeitszeitmodelle anbieten

>> Kooperation zwischen Wirtschaftsverein und großen Personalbeschaffern wie Stepstone.


Martin Mahn: „Vielleicht können wir auch mal bei kleineren Volkswirtschaften in der EU schauen, wie die das machen. Da finden sich häufig pragmatische Lösungen.“ Doch statt Bürokratie abzubauen, befasst sich die Bundesregierung nun auf Druck der EU mit dem Arbeitszeiterfassungsgesetz (siehe auch Seite XX). Schon bei dem Wort fasst sich Martin Mahn an den Kopf: „Was soll denn das, wo wir durch Corona gerade gelernt haben, wie hybrides Arbeiten, Homeoffice und Vertrauensarbeitszeit funktionieren. Das versteht doch kein Mensch mehr!“