Lebensnotwendig und (k)ein Plug & Play

Foto: B&PSteffen Moldenhauer || Foto: B&P

Von Steffen Moldenhauer

In der Corona-Krise hat es sich wieder gezeigt, wie wichtig eine stabile Zahlenbasis für die sichere Navigation ist. Dass diese im Mittelstand immer noch zu oft manuell erzeugt wird, überrascht dabei ziemlich. Gute und stabile Kennzahlen als Grundlage für die Unternehmenssteuerung sind essenziell für das Überleben eines Unternehmens. Dabei geht es nicht nur um die Finanzkennzahlen. Auch Produktions- und Prozesskennzahlen, Lagerbestände und die Supply Chain (Lieferkette) mit aktuellem Stand im Blick zu behalten, ist für viele die Grundlage einer erfolgreichen Navigation durch den Sturm.

In unserer täglichen Praxis erleben wir aber immer noch, dass (zu) viele mittelständische Unternehmen auf papierbasierte Prozesse, individuelle und oft fehlerbehaftete Excel-Listen, veraltete Daten aus der Buchhaltung und ein gutes Bauchgefühl vertrauen. Das hat ja die letzten Jahre auch so funktioniert. Wenn wir diese Unternehmen auf die Vorteile von Enterprise-Ressource-Planning-Systemen (ERP) ansprechen, dann werden wir oft darauf verwiesen, dass die Systeme zu teuer und zu fehleranfällig sind und überhaupt nicht das bringen, was man erwartet. Diese Aussage stimmt, wie so oft, nur zum Teil.

ERP-Projekte: Zwei von drei scheitern

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Es stimmt, dass die meisten ERP-Projekte nach deren Einführung nicht die Erwartungen erfüllen, die man sich versprochen hat. Wenn wir aber etwas genauer auf die Gründe schauen, dann sind die oft ganz banal und vergleichbar mit den Fehlern der gescheiterten Digitalisierungsprojekte.

Das Drittel, das die Projekte erfolgreich umsetzt, kennt seine Ziele, Anforderungen und die Ausgangslage. Oder die Unternehmen bauen auf einen erfahrenen und unabhängigen Partner auf Augenhöhe, der sie unterstützt und all das erarbeitet, bevor (!) eine Entscheidung für Software und IT-Implementierungspartner getroffen wird.

Fünf Hauptfehler

Fehler #1: „Standardsoftware“ und „Branchenlösung“ bedeutet nicht, dass Unternehmen ein System eins zu eins und ohne technische oder organisatorische Anpassungen bei sich einführen können.

Fehler #2: Der IT-Implementierungspartner kennt sein Unternehmen, nicht das seines Auftraggebers. Er kennt seine Prozesse, nicht die seines Kunden. Diejenigen, die scheitern, gehen davon aus, dass der IT-Implementierungspartner schon weiß, wie er das System einzurichten hat, damit es im Unternehmen funktioniert.

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Fehler #3: Der IT-Implementierungspartner ist kein Unternehmensberater. Er trägt die Brille des Software-Lieferanten und nicht die des Auftraggebers. Das gilt nicht nur bei der Implementierung, sondern auch schon bei der vorgelagerten Vertragsverhandlung. Sich auf die Vertragsvorlagen der IT-Implementierungspartner zu verlassen, geht aber in der Regel schief. Es gilt: Gute Verträge für Software-Projekte zu verhandeln, braucht Erfahrung und kostet Zeit und Nerven. Aber die investierte Zeit macht sich über die Laufzeit der Software mehr als bezahlt.

Fehler #4: Unklare Erwartungen und damit ungenaue Anforderungen an die erhofften Effekte der Implementierung. Zu oft wird auf die Marketingfolien vertraut und die betriebliche Ausgangslage vergessen.

Fehler #5: „If you pay peanuts you get monkeys . . .“ oder vereinfacht: Der Fokus wird oft auf möglichst geringe Tagessätze und Einkaufspreise der Software, statt auf hohe Qualität und niedrige Gesamtprojektkosten sowie niedrige Betriebskosten gelegt.

Unabhängigkeit ist Trumpf

Über die Jahre haben wir gelernt: Erfahrung in der Umsetzung hilft! Viele unterschätzen, wie nützlich Erfahrung aus unterschiedlichen Branchen und Projekten ist, um frühzeitig die Klippen zu erkennen und sie zu umschiffen. Darüber hinaus braucht es ein gemeinsames Verständnis über die Ziele und die Absprungbasis. Und es braucht die Erkenntnis, dass ein ERP-Projekt nicht mal „nebenbei“ eingeführt wird. Wir reden hier immerhin über die (künftige) zentrale Steuerungseinheit eines Unternehmens. Was ist ein wesentlicher Vorteil? Unabhängigkeit in der Beratung! Was keinen Nutzen bringt, wird nicht umgesetzt, denn Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein darf.

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Moldenhauer ist Geschäftsführer
der Unternehmensberatung STRATEGY
PIRATES® GmbH & Co. KG und über diese Mailadresse zu erreichen:
captain@strategy-pirates.de