Gewissheit statt Verdrängung

ToellnerDr. Thilo Töllner gehört zu den Gründungsmitgliedern des Brustzentrums und leitet das Zentrum für Mammadiagnostik MVZ Klinik Dr. Hancken sowie als Programmverantwortlicher Arzt auch das Mammographie-Screening-Programm in der Elbe-Weser-Region. Foto: Hancken-Klinik

Das Brustzentrum Stade-Buxtehude bietet Beratungen für Frauen mit genetisch bedingtem Brustkrebs und Eierstockkrebs.

Zu den größten Leistungen von Angelina Jolie für Frauen in aller Welt gehört – mehr noch als ihre künstlerischen Leistungen vor oder hinter der Kamera – ihr couragierter Auftritt, in dem sie ihre Entscheidung im Umgang mit ihrem eigenen genetisch bedingten Brustkrebsrisiko publik machte. Durch ihren wohl überlegten Entschluss, sich 2012 prophylaktisch beide Brüste und zwei Jahre später auch die Eierstöcke entfernen zu lassen, lenkte sie das Scheinwerferlicht auf ein Thema, das lange in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde: die Situation von Frauen, die aufgrund von erblichen Genmutationen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken. Das hat sich seitdem deutlich geändert.

Nicht nur durch Jolies Coming-out haben die Anfragen bei Gynäkologen und in den Brustkrebszentren deutlich zugenommen. Im Elbe-Weser-Dreieck hat sich das Brustzentrum Stade-Buxtehude für die Beratung von Frauen mit erblich bedingtem Brustkrebs qualifiziert. Dr. Thilo Töllner, der zu den Gründungsmitgliedern des Brustzentrums gehört und als Programmverantwortlicher Arzt auch das Mammographie-Screening-Programm in der Region leitet, hat gemeinsam mit den Brustspezialisten der Elbe Kliniken eine Kooperation mit der Humangenetik der Medizinischen Hochschule Hannover vereinbart.  Zusammen bieten sie die Beratung von betroffenen Frauen vor Ort an. Den Fachärzten geht es zunächst einmal um die Identifizierung der bereits einmal an Brustkrebs erkrankten Frauen, die zur Hochrisiko-Gruppe gehören, erklärt Dr. Töllner und verweist auf die Statistiken: „Von den rund 75 000 Frauen, die pro Jahr an Brustkrebs erkranken, finden sich bei einem Viertel der Betroffenen Häufungen von Brust- oder Eierstockkrebserkrankungen in der Familie. Aber nur bei fünf bis zehn Prozent der an Brustkrebs Erkrankten kann die Entstehung des Tumors auf eine bekannte erbliche Genmutation zurückgeführt werden.“ (Siehe Infokasten links: Hinweise auf den sogenannten familiären Brustkrebs geben bestimmte Häufungen von Brust- und Eierstockkrebserkrankungen in der direkten Verwandtschaft.)

Wenn das Schutz-Gen ausfällt

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Am häufigsten treten die Veränderungen in den Genen BRCA 1 und BRCA 2 auf, zunehmend geraten aber auch Veränderungen anderer Gene in den Fokus. Trägerinnen einer Genmutation haben laut Dr. Töllner „ein im Vergleich zu Frauen ohne diese Genmutation deutlich erhöhtes Lebenszeitrisiko von 60 bis 80 Prozent, an einem besonders schnell wachsenden und aggressiven Mammakarzinom zu erkranken“. Außerdem entwickele sich bei diesen Hochrisiko-Gen-Trägerinnen die Krebserkrankung etwa 20 Jahre früher und das Risiko für eine erneute Erkrankung – auch der anderen Brust – ist deutlich höher. Gleichzeitig ist auch ihr Risiko für die Entstehung von Eierstockkrebs, dem sogenannten Ovarialkarzinomen, um zehn bis 40 Prozent deutlich erhöht. Wichtig: Bei den betroffenen Genen handelt es sich nicht um Krebsverursacher, sondern um Schutz-Gene. Wenn diese nicht richtig funktionieren, ist die natürliche Abwehr des Körpers gegen Krebszellen erheblich geschwächt.