Er hat’s erfunden: Marketingprofi Jack Blecker machte den Kräuterlikör Jägermeister zu einer Welt-Marke

Was sind denn Ihrer Meinung nach die Erfolgsfaktoren im internationalen Geschäft?
Ich kann nur über „fast moving consumer goods“ (Konsumgüter mit hoher Umsatzfrequenz, d. Red.) reden, im Speziellen eher noch über die Getränkeindustrie. „All business is local“ meint in letzter Konsequenz, dass sich Marken-Manager, die aus Deutschland heraus arbeiten, nicht einbilden sollten, die Vermarktungs- und Vertriebsaktivitäten zum Beispiel in Südkorea vorgeben zu können. Und ein deutscher TV-Spot funktioniert selbst in Österreich nicht automatisch. Der Weg einer Spirituosenmarke in einen neuen Markt führt nicht über den lokalen Lebensmittelhandel, sondern im Wesentlichen über die Gastronomie. Der Lebensmittelhandel wird ja nicht nur in Deutschland jährlich von tausenden von Produktneueinführungen überschwemmt, von denen nur ein Bruchteil das erste Jahr übersteht, und ist nicht nur hier in Deutschland von Konditionensystemen und Rabattforderungen gekennzeichnet. Es ist also der richtige Weg, auf Pull- statt auf Push-Aktivitäten zu setzen, will sagen, den Herausverkauf zu fördern und nicht etwa den Hineinverkauf in den Handel seitens der Industrie.

Überaus wichtig ist eine konsequente, harmonisierte Preispolitik. Die Endverbraucherpreise unterscheiden sich durch die unterschiedliche Steuerpolitik in den einzelnen Märkten zum Teil erheblich, was für die internationale Markenführung aber nicht relevant ist. Gefährlich wird es erst, wenn man nach dem Opportunitätsprinzip dem Handel in den Ländern unterschiedliche Einkaufspreise einräumt. Die Folge ist das sogenannte Parallelgeschäft: Der Händler mit den günstigeren Einkaufskonditionen macht ihnen dann in einem anderen Land mit ihrem eigenen Produkt Preisdruck und Wettbewerb. Viele große Marken können Bücher über dieses Problem schreiben.

Sie sprachen eben nebenbei über die unterschiedlichen Steuersätze in den Märkten. Gesundheitspolitisch werden immer wieder Steuererhöhungen auf Alkohol gefordert . . .
Lassen Sie mich mal so antworten: Alkohol ist Alkohol! Warum werden eigentlich Bier, Wein und Spirituosen unterschiedlich besteuert? Und schützen hohe Steuersätze denn wirklich vor Alkoholmissbrauch? Mit einem Blick zum Beispiel nach Skandinavien könnte man zu einer anderen Beurteilung kommen. Ich erwarte von der Politik jedenfalls einen anderen Weg, nämlich den der Information, der Aufklärung.

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Da ist, wie ich finde, die Politik inzwischen ziemlich gut unterwegs. Wichtig ist mir überdies, dass sich die handelnden Unternehmen selbst in die Verantwortung nehmen, um insbesondere auch Jugendliche vom Alkohol fernzuhalten. Jede Aktivität, jede Werbemaßnahme gehört auf den Prüfstand, ob sie genügend Abstand zu Minderjährigen hält. Auch hier habe ich den Eindruck, dass diese Selbstverpflichtung von der Industrie gut umgesetzt wird.

Um noch einmal auf Jägermeister zurückzukommen. Können ähnliche Erfolgsgeschichten denn heute noch geschrieben werden?
Na klar! Wenn wir das Gesagte noch einmal Revue passieren lassen, dann muss man doch feststellen, dass ich ziemlich „old school“ geantwortet habe, jedenfalls aus heutiger Sicht. Vor zehn bis 15 Jahren waren wir mit den beschriebenen Maßnahmen „state of the art“, ganz vorne mit dabei. Wir haben abseits von Marketing-Lehrbüchern gehandelt, die ja jeder andere auch lesen und umsetzen kann. Wir haben konsequent anders, „out of the box“ (raus aus der Schublade, d. Red.), gedacht und gehandelt. Warum soll das heute nicht auch noch möglich sein? Bedenken Sie bitte, wie sich die Kommunikationsmittel und deren Nutzung in den letzten Jahren entwickelt haben. Nehmen wir doch Social Media als Beispiel: Das vergangene Jahrzehnt hat gezeigt, wie schnell sich Markenkommunikation im Internet verändert hat. Einerseits ist es einfacher geworden, die relevante Zielgruppe anzusprechen, andererseits steigt auch der kritische Umgang mit diesen Medien. Wie spreche ich die Nutzer einer Plattform spezifisch an? Welchen Inhalt möchte ich wie liefern? Gibt es geeignete Markenbotschafter? Wer heute im Internet nur „state of the art“ ist, hat den Anschluss meist schon verpasst. Das eben beschriebene „Out of the box“-Denken ist heute wichtiger denn je.

 

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