Ein Herz für Küken

Fotos: SchöneckeMann mit Huhn: Henner Schönecke genießt das volle Vertrauen seiner gefiederten Mitarbeiterinnen. Foto: Schönecke

Damit keine frisch geschlüpften Hähne sterben müssen: 
Henner Schöneckes Legehennen kommen aus einer 
fortschrittlichen deutschen Brüterei.

Das Kükentöten in Deutschland ist vorbei! Bisher wurden bundesweit jährlich etwa 45 Millionen frisch geschlüpfte Hähnchen getötet. Dem hat die Bundesregierung ein Ende gesetzt. Seit dem 1. Januar 2022 ist Deutschland das weltweit erste Land, das diese Praxis verbietet. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, findet Henner Schönecke, in vierter Generation Betreiber des gleichnamigen Geflügelhofs in Elstorf und Vorsitzender des neu formierten Bundesverbands Ei. 

Die Wurzeln des Problems liegen in den 1960er-Jahren. Damals wurden einige Hühnerrassen speziell für die Eierproduktion gezüchtet und andere, die schnell Fleisch ansetzen. Aber was tun mit den männlichen Tieren der legefreudigen Rassen? Sie legen geschlechtsbedingt keine Eier, produzieren aber rassebedingt auch nur wenig Muskelmasse. Am ersten Lebenstag aussortieren, töten, als Tierfutter verwenden. So hieß die Antwort europaweit. Bis zum Jahreswechsel. Seither stellt Deutschland seine Brütereien vor die Alternative: Selektion der männlichen Embryos bereits vor dem Schlüpfen oder kostenintensive Aufzucht der Hähne. Teuer ist beides und schlägt sich im Preis für die Legehennen und damit auf die Eier im Supermarkt nieder.

„Deshalb kaufen viele Eierproduzenten ihre Hennen jetzt im Ausland, wo weiterhin Küken getötet werden. Viele deutsche Brütereien sind bereits vom Markt verschwunden“, weiß Henner Schönecke. Eine Folge des deutschen Alleingangs. Der Elstorfer Legehennenhalter bezieht seine Tiere von einer Brüterei in Dornum im Wurster Land. „Dieser Betrieb bei Cuxhaven ist zurzeit bundesweit der einzige, der Geschlechtserkennung im Ei betreibt. Eier mit Hähnchen-Embryonen werden dort aus dem Brutschrank entfernt und somit auch Energiekosten gespart.“ 

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Das Know-how ist also da, genutzt wird es kaum. Dabei wurden verschiedene Analyse-Verfahren auch mit deutschen Forschungsgeldern entwickelt, weiß der Geflügel-Experte. „Eines bestimmt die geschlechtsspezifische Federfarbe des sich entwickelnden Kükens durch die Eischale hindurch. Das funktioniert aber nur bei Braunlegern. Ein weiteres Verfahren untersucht die Hormone in der sogenannten Allantoisflüssigkeit durch ein winziges Loch in der Schale, das bei den weiblichen Embryonen anschließend wieder verschlossen wird“, erläutert Schönecke. 

Dem Elstorfer Unternehmer ist wichtig zu wissen, dass „Brüder“ seiner Legehennen entweder gar nicht erst schlüpfen oder aber bis zur Schlachtreife aufgezogen werden. Schöneckes Kunden denken offenbar auch so. Sie geben gern einige Cent mehr für die Eier aus, damit die Geschlechtsanalyse beziehungsweise die Hähnchenmast bezahlbar sind. Für dieses System der Querfinanzierung haben sich neben Schönecke auch andere Direktvermarkter und Handelsketten entschieden. 

Tatsächlich scheinen viele Konsumenten beim Eierkauf gewillt, für das gute Gefühl, Kükentöten zu verhindern, etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Bei Produkten wie Nudeln oder Eierlikör sieht das anders aus. Woher die darin enthaltenen Eier kommen, interessiert laut Schönecke derzeit noch kaum jemanden. Und: Nur 70 Prozent der in Deutschland jährlich benötigten drei Milliarden Eier werden hierzulande produziert. Der Rest kommt aus dem Ausland, wo Kükentöten nach wie vor gängige Praxis ist. In gewisser Weise sei das Gesetz deshalb ein Feigenblatt, meint Schönecke. 

Übrigens soll das Gesetz weiter verschärft werden. Weil das im Ei heranwachsende Küken bis zum Schlüpfen am 21. Tag mit zunehmender Brutzeit Schmerzempfinden entwickelt, will die Bundesregierung ab Januar 2024 auch das Abbrechen der Brut – also das Aussortieren der Eier mit männlichen Embryonen – ab dem siebten Tag verbieten. Die bisher frühesten marktreifen Verfahren der Geschlechtsbestimmung funktionieren ab dem neunten Tag . . . mab

>> Web: www.schoenecke.de

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