Beispiel Paletten: So wirkt sich Putins Invasion auf die Lieferketten aus

Foto: Wolfgang BeckerIm Dauerkrisenmodus: Ingo Mönke, Vorstandsvorsitzender der Paletten-Service Hamburg AG und Erster Vorsitzender des deutschen Verbandes Gütegemeinschaft Paletten, sucht nach Wegen, um Materiallieferungen für den Bau von Ladungsträgern zu sichern. Es fehlt an Nägeln und an Holz. Foto: Wolfgang Becker

Ingo Mönke, Vorsitzender der deutschen EPAL-Organisation, schlägt Alarm: Ohne Holz und Nägel stoppt ab Mai die Ladungsträger-Produktion.

Der russische Angriff auf die Ukraine sorgt nicht nur für verstörende Bilder und aufkommende Kriegsängste, er hat zunehmend auch direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft in Deutschland. Wie verwoben die Beziehungen zwischen Ost und West tatsächlich sind, zeigt ein Beispiel, mit dem vermutlich kaum jemand gerechnet hat: Die Fertigung von Paletten droht schon in wenigen Wochen zum Erliegen zu kommen. Der Harburger Unternehmer Ingo Mönke, Erster Vorsitzender der Gütegemeinschaft Paletten, dem deutschen Nationalkomitee der European Pallet Association e.V.(EPAL), schlägt Alarm: „Wenn wir keine Paletten mehr bauen können, kommt die gesamte Lieferkette zum Stillstand. Keine Paletten bedeutet leere Regale in den Supermärkten.“ Was das mit dem Krieg in der Ukraine zu tun hat, erläuterte er exklusiv im Gespräch mit B&P.

Mönke ist Vorstandssprecher der Paletten-Service Hamburg AG und seit Beginn der russischen Invasion im Dauerkrisenmodus: „Zunächst dachten wir, es gäbe nur Probleme mit dem Holz. Viele Zuschnitte kommen aus Russland, Belarus und der Ukraine und werden von Produzenten in Deutschland zu Paletten aller Art verarbeitet, aber auch fertige EPAL-Paletten kommen zum Beispiel von 36 Lizenznehmern aus der Ukraine. Wir sprechen über Tausende Lkw-Ladungen und über Millionen von Kubikmetern.“

Mönke weiß von Marktbegleitern, die sich auf Holz aus Russland konzentrieren, dass die Palettenproduktion bereits Ende April zum Erliegen kommen wird, wenn der Nachschub ausbleibt. Und auch für das Harburger Unternehmen könnte es ab Mai eng werden: „Noch wissen wir nicht, woher die Bretter kommen sollen.“ Mönke könnte sein Holzproblem allerdings in Deutschland lösen, wie er sagt, aber wer die Nägel liefert, weiß er noch nicht. Grund: Sie werden in Polen produziert und aus Stahl gefertigt, der wiederum aus Belarus und aus der Ukraine stammte. Mönke: „Es gibt momentan für die Nägel keinen Stahl aus Deutschland.“ wb

Anzeige

Lieferkette extrem gefährdet

Dass ausgerechnet fehlende Nägel zu einem Problem werden können, überrascht auch Ingo Mönke: „Wir bestellen die Nägel tonnen- und Lkw-weise. Jeder einzelne hat eine Zulassung für den Palettenbau und eine Kopfprägung, um die Charge nachverfolgen zu können. So verlangt es das deutsche Produkthaftungsgesetz. Bis Ende April haben wir noch Vorräte, aber dann ist Schluss. Stand heute habe ich keine Idee, woher wir Nägel beziehen sollen. Wenn es keine Lösung gibt, ist die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht mehr gewährleistet. Ab Mai fehlen mehr als zehn Millionen Ladungsträger für Güter aller Art. Damit ist die Lieferkette extrem gefährdet.“

Die Preisschwankungen machen dem Harburger noch am wenigsten Sorgen: „Vor der Pandemie kostete eine Tonne lose geschütteter Nägel 600 Euro, stieg dann auf 1600 Euro. Jetzt waren wir gerade wieder bei 1200 gelandet, als der Krieg ausbrach. Der Preis liegt jetzt bei 2000 Euro. Ich könnte sogar noch mehr verkraften, da der Anteil pro Palette vergleichsweise gering ist, aber: Es gibt einfach keine Nägel mehr.“

Der unerwartete Notstand sowohl bei Nägeln als auch beim Holz hat gleich mehrere Gründe. Zum einen ist da das Embargo. Mönke schaut die Sanktionslisten jeden Morgen durch. Ab Anfang Juni ist demnach auch Belarus betroffen. Viel schwieriger ist allerdings ein anderer Aspekt: Es stehen keine Lkw-Fahrer zur Verfügung. Mönke: „Nachdem in Belarus mehrere Lkw-Fahrer ermordet worden sein sollen, will niemand mehr fahren. Hinzu kommt: Die Lastzüge, die uns bislang Holz gebracht haben, nahmen auf dem Rückweg Waren aus Deutschland, zum Beispiel Lebensmittel, mit, um sie nach Moskau zu liefern. So rechnete sich die weite Tour. Doch Russland wird nicht mehr beliefert.“

Anzeige