Es wird noch komplexer – auch für Logistiker

Torsten Kühl

Von Torsten KühlRechtsanwalt, Zollrechtskanzlei Kühl.

Das Jahr 2023 hatte es zoll- und außenwirtschaftsrechtlich in sich. Gleichzeitig zeigte es auf, wohin die Reise für alle am Außenhandel Beteiligten gehen wird: In ein regulatorisch komplexeres Umfeld. Dies gilt sowohl für Importeure und Exporteure als auch für Logistikdienstleister. Doch der Reihe nach.

Russland-Embargo-Verordnung

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Das Jahr begann wie das alte aufhörte – mit Erweiterungen in den Sanktionsvorschriften der Russland-Embargo-VO, die umfangreiche Sanktionsmaßnahmen wegen des russischen Krieges in der Ukraine enthält. Neu war im Zusammenhang mit der Russland-Embargo-VO, dass sie als Embargo-Verordnung nicht nur bestimmte Ausfuhren verbietet, sondern dass zunehmend auch Einfuhren untersagt werden. Dies führt bei der Umsetzung in Unternehmen häufig zu Problemen in der organisatorischen Zuordnung. Soll die Exportkontrolle zuständig sein, weil es um ein Exportkontrollthema geht? Oder die Zollabteilung, weil ja schließlich Einfuhren betroffen sind? Entscheidend ist, dass die Abteilungen in den Unternehmen miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Die schlechteste aller Umsetzungsvarianten wäre es, nichts zu tun, weil etwa die Zuständigkeiten ungeklärt sind. 

CO2-Grenzausgleichssystem der EU

Ähnlich verhält es sich mit CBAM (Carbon Border Adjustment Mechanism), dem CO2-Grenzausgleichssystem der EU. Derzeit sind nur Berichtspflichten für bestimmte in die EU eingeführte Waren zu erfüllen. Auch hier stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit im Unternehmen. Und auch hier verbietet sich in der Regel die alleinige Zuständigkeit einer Abteilung. Die Zollabteilung ist zwar das Scharnier bei der Einfuhr, allerdings wird die Zollabteilung in den seltensten Fällen die gesamte Lieferkette im Blick haben. Einkauf und Produktion sind wiederum häufig nicht mehr in die Zollabwicklung bei der Einfuhr involviert. Unternehmensinterne Kommunikation ist daher das Stilmittel der Wahl. Erwähnenswert ist im Zusammenhang mit CBAM, dass die Berichtspflicht in bestimmten Konstellationen auch den an der Einfuhr beteiligten Logistiker treffen kann, der sich jedoch erst die erforderlichen Informationen von Dritten beschaffen muss.

EU-Entwaldungs-VO und weitere

Weitere außenwirtschaftsrechtlich relevante Verordnungen finden sich mit der seit dem Sommer geltenden EU-Entwaldungs-VO, die für Einfuhren von aus bestimmten Rohstoffen hergestellten Waren erhebliche Sorgfalts- und Dokumentationspflichten fordert (zum Beispiel Kakao, Kaffee, Soja, Holz). Auf EU-Ebene in Vorbereitung sind zudem eine Verordnung zum Verbot von unter Zwangsarbeit hergestellten Waren sowie eine Überarbeitung der Produkthaftungsrichtlinie. Letztere ist für Logistiker von erheblicher Bedeutung, weil derzeit vorgesehen ist, dass auch der in der EU ansässige Fulfillment-Dienstleister (Logistikunternehmen, die Lagerung, Kommissionierung und Versand von Waren für Dritte durchführen) für durch fehlerhafte Waren verursachte Schäden schadensersatzpflichtig werden kann. 

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Und dann noch das Unionszollrecht …

Schließlich legte die EU-Kommission im Mai auch noch den Entwurf für einen neuen Unionszollkodex vor. Die darin enthaltenen Vorstellungen der Kommission sehen unter anderem eine zentrale europäische Zollplattform vor, welche perspektivisch die verschiedenen mitgliedstaatlichen Plattformen ersetzen soll. Außerdem ist erstmalig ein europaweit einheitliches Bußgeldsystem enthalten, welches jedoch insbesondere für Deutschland eine enorme Verschärfung bedeuten würde. Schließlich wird die Gründung einer europäischen Zollagentur angeregt. Diese soll jedoch nur zwischen den Zollbehörden und der Kommission vermitteln und koordinieren. Der Reformentwurf befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren der EU.

■ Der gebürtige Düsseldorfer Torsten Kühl (Jahrgang 1978) studierte in Marburg und Oslo Rechtswissenschaften, arbeitete von 2009 bis 2017 bei Schomerus TaxConsult in Hamburg, wechselte anschließend zu Ahlers & Vogel nach Bremen. Nach einem Intermezzo als Syndikusrechtsanwalt bei der Siemens AG in Erlangen eröffnete er im Frühjahr 2023 seine Zollrechtskanzlei in Bremen. Kühl veröffentlicht zu zollrechtlichen Themen in der Fachliteratur und promoviert zudem an der Universität Münster zur Idee der sogenannten zentralen Zollabwicklung. Web: www.zollrechtskanzlei.de

>> Fragen an den Autor? Mail an info@zolljurist.de