Wer einen Dschungel schafft . . .

B&P-GESPRÄCH mit Inken von Minden, Steuerberaterin bei SKNvonGeyso – Thema: das Wachstumschancengesetz Foto: B&P

B&P-GESPRÄCH mit Inken von Minden, Steuerberaterin bei SKNvonGeyso – Thema: das Wachstumschancengesetz.

Das Ziel ist klar definiert: „Die Bundesregierung will Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit für die Unternehmen in Deutschland verbessern und steuerliche Anreize für klimafreundliche Investitionen setzen.“ So lautet jedenfalls die offizielle Ansage aus Berlin. Am 17. November 2023 wurde das Gesetz vom Bundestag beschlossen, der Bundesrat tagte nach Redaktionsschluss – ein aktuelles Update ist an dieser Stelle deshalb unmöglich, wohl aber eine Einordnung von anderer Seite: Inken von Minden, Steuerberaterin bei SKNvonGeyso in Harburg, brachte im B&P-Gespräch Aspekte auf den Tisch, die nachdenklich machen. Offenbar ist die Gesetzeslandschaft in Deutschland mittlerweile so unübersichtlich, dass „gut gemeint“ am Ende sogar das Gegenteil bewirken kann. Sie sagt: „Wer einen Dschungel schafft, der muss sich nicht wundern, wenn er nicht mehr herausfindet.“

Die Steuerberaterin: „Wachstumschancengesetz ist tatsächlich nur ein anderer Name für das Jahressteuer­gesetz – die Zusammenfassung neuer gesetzlicher Regelungen, die ab dem Folgejahr gelten. Es klingt dieses Mal nur ein wenig poetischer. Politisch beabsichtigt ist die Stärkung der Wirtschaftskraft vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen.“ Anders ausgedrückt: Der schwächelnde Mittelstandsmotor soll wieder auf Touren kommen.

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Inken von Minden nennt zwar den 1. Januar 2024 als Starttermin für die neuen Regelungen, geht aber davon aus, dass es in einigen Bereichen noch Diskussionsbedarf gibt. Beispielhaft einige konkrete Veränderungen, die wenig umstritten sein dürften, aber einen Eindruck verschaffen, um was es bei den Wachstumschancen geht:

■ Anhebung der Bemessungsgrenze für „geringwertige Wirtschaftsgüter“ (sie können binnen eines Jahres abgeschrieben werden) auf 1000 Euro. Bislang lag die Grenze bei 800 Euro.

■ Anhebung der Freibeträge für „Geschenke an Geschäftskunden“ auf 50 Euro. Bislang galt eine Grenze von 35 Euro.

■ Anhebung der steuerfreien Beträge für Betriebsveranstaltungen auf 150 Euro pro Mitarbeiter. Bislang galten 110 Euro.

Diese Punkte führen vereinzelt sicherlich zu Erleichterungen, aber ob Krisen so bewältigt werden können, kommentiert die Steuerberaterin mit einem Lächeln. Eine echte Erleichterung fällt in die Kategorie Bürokratieabbau, wie Inken von Minden sagt:

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■ Anhebung der Grenze für Buchhaltungspflicht auf 
800 000 Euro Umsatzerlöse beziehungsweise 
80 000 Euro Jahresüberschuss. Bislang galten 
600 000 respektive 60 000 Euro.

Belastung statt Entlastung?

Die neue Prämie für Investitionen in den Klimaschutz durch Unternehmen sei zu begrüßen. Die von der Bundesregierung geplante Prämie für Investitionen in die Digitalisierung suche man allerdings vergeblich im Wachstumschancengesetz. Trotzdem wird ab dem Jahr 2025 eine elektronische Rechnung im B2B-Bereich verpflichtend. Insbesondere im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Unternehmen ist die Digitalisierung stark in den Fokus gerückt. „Ob kleinere Unternehmen sowohl die Technik als auch die Personalkapazität aufbringen können, wage ich zu bezweifeln. Unterstützung von Unternehmen im Bereich der Digitalisierung, insbesondere aufgrund der neuen Verpflichtung von elektronischen Rechnungen, wären dringend notwendig gewesen“, sagt Inken von Minden 

Eine andere Gesetzesinitiative betrifft die Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG), ein komplexes Fachthema, das Inken von Minden so kommentiert: „Bei der Neufassung mit dem Ziel der Vereinfachung wurde schlicht versäumt, sich Gedanken über die steuerlichen Auswirkungen zu machen. Kurz vor Jahresende kommt damit ein Gesetz auf den Tisch, das im Einzelfall weitreichende Auswirkungen auf unsere Mandanten haben kann, wobei noch völlig unklar ist, was nun tatsächlich ab 1. Januar 2024 gelten soll. 

Angesichts leerer Kassen und eher steigender Belastungen für die öffentliche Hand, ist hier ein Konflikt zu erwarten, der sich einige Zeit hinziehen wird. In einigen Punkten kann Einigkeit nur über den Vermittlungsausschuss erreicht werden. Für uns Steuerberater ergeben sich erhebliche Unsicherheiten in Beratungssituationen, denn niemand weiß Stand heute, wie sich die Dinge entwickeln werden. So wird Entlastung zu Belastung.“

Wer sich das alles ausgedacht hat? Diese Frage mag die Steuerberaterin nicht beantworten, aber an dieser Stelle fällt erneut der Begriff vom Steuer-Dschungel: „Die Beispiele zeigen, dass es vermutlich niemanden mehr gibt, der das gesamte Geflecht gesetzlicher und steuerlicher Regeln überblickt. Manchmal denke ich, da hilft nur noch ein radikaler Kahlschlag.“ Das wäre dann wohl ein Tipp für den Gesetzgeber – die Politik . . . wb

>> Web: www.skn.partners