Wärmepumpen – Patentrezept gegen den Klimawandel?

Foto: Wolfgang BeckerHandwerksmeister Rainer Kalbe || Foto: Wolfgang Becker

INTERVIEW Heizungsbaumeister Rainer Kalbe (Hartmann Haustechnik) über die Auswirkungen des GEG – Ein nüchterner Blick auf die neue deutsche Heilsbringer-Diskussion.

Als stellvertretender Harburger Bezirkshandwerksmeister und Inhaber des Wilhelmsburger Unternehmens Hartmann Haustechnik (Heizung, Lüftung, Sanitär, Bäderbau) ist Rainer Kalbe nah dran an der aktuellen deutschen Klimadebatte, die sich um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) rankt. Alte Heizungen raus, Wärmepumpen & Co. rein – nach diesem Motto soll sich Deutschland von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas verabschieden. Die Wärmepumpe gilt dabei als Patentlösung, denn sie wird mit Strom betrieben, der im Idealfall auf dem eigenen Dach geerntet werden kann. Im Interview mit B&P-Redakteur Wolfgang Becker gibt Rainer Kalbe eine nüchterne Einschätzung der Situation und beantwortet auch die Frage, wer jetzt eigentlich konkret handeln sollte.

In der aktuellen Diskussion rund um das GEG ist die Wärmepumpe offenbar die Heilsbringerin. Diesen Eindruck kann man zumindest bekommen. Ist das eigentlich richtig so?

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Generell geht es darum, den Einsatz von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und dadurch CO2 einzusparen. Aber das GEG verpflichtet niemanden, unbedingt eine Wärmepumpe einzubauen. Wir können andere technische Möglichkeiten der Beheizung durchaus nutzen.

Wenn denn 65 Prozent regenerative Ener­gien eingesetzt werden . . .

Das stimmt. Und das kann weder eine Gasheizung noch eine Ölheizung leisten. Beim Heizen mit Holzpellets geht es immer um die Bilanz – da muss halt vorher ein Baum gepflanzt werden. Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit der Brennstoffzelle oder der Kraftwärmekopplung, bei der ich Energie erzeuge und als Abfallprodukt Wärme gewinne.

Bei der ganzen Debatte über Technik spielt auch der energetische Zustand des Gebäudes eine entscheidende Rolle. Wie sieht das der Heizungsbauer?

Vor etwa 25 Jahren haben wir in Hamburg das erste Mehrfamilien-Passivhaus installiert – in der Hagenbeck-Siedlung. So ein Haus ist wie eine Thermoskanne. Mit nicht zu öffnenden Fenstern. Aber ich brauche weder eine Fußbodenheizung noch sonst etwas. Es gibt nur eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Geheizt wird mit der Energie, die Menschen und Geräte abgeben. PCs, Kühlschränke, Körperwärme, mal eine Kerze auf dem Tisch – all das produziert Wärme, ich lasse sie nur nicht raus, habe aber durch die Lüftungsanlage trotzdem einen guten Luftaustausch. Für das Badezimmer gibt es einen elektrisch beheizbaren Heizkörper – damit das Handtuch trocken wird. Diese Lösung gibt es also auch – es muss nicht zwingend eine Wärmepumpe her.

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Aber in der öffentlichen Wahrnehmung erscheint die Wärmepumpe als Lösung für alle Probleme.

Das ist sicherlich so, hat aber ursächlich mit der Politik und damit zu tun, dass Politiker oft nur bedingt Ahnung haben. Was sie dann verlautbaren lassen, wird in den Medien berichtet. Das beste Beispiel dafür lieferte der Verkauf von Viessmann an einen US-Konzern. Damals hieß es, Deutschland verkaufe sein Wärmepumpengeschäft und damit die Schlüsseltechnologie der Zukunft. Ich würde mal sagen: Viessmann ist einer der größten Wärmepumpenhersteller, denn die meisten Geräte wurden bislang dazugekauft und unter dem Namen vertrieben. Oder die politische Äußerung, dass Bürger nun noch schnell günstige Öl- und Gasheizungen einbauen, obwohl die doch um ein Vielfaches mehr verbrauchen als eine teure Wärmepumpe. Auch das ist ja so nicht richtig. Wenn ich das eingesparte Geld in die Isolierung meines Hauses stecke, ist das gut angelegt und spart Energie. So kann ich dann auch gut mit einer Gasheizung leben. Wir müssen uns immer die Gesamtbilanz ansehen.

Was ist denn der Rat des Handwerkers – gibt es die einfachste und sinnvollste Lösung für das Heizproblem?

Die einfachste Lösung ist zurzeit in der Tat die Wärmepumpe. Dabei müssen wir aber einige Dinge beachten: Der Einbau ist nicht überall machbar und sinnvoll, aber wenn ich ein energetisch relativ gut isoliertes Haus habe, durchaus auch aus den 80er-Jahren, dann funktioniert das. Wir haben sogar schon in einem 60er-Jahre-Haus ohne isolierte Wände und ohne Fußbodenheizung eine Wärmepumpe eingebaut – weil das Dach gut isoliert war. Das funktioniert ebenfalls. Auch mit vergleichsweise niedrigen Vorlauftemperaturen kann ich Räume ohne Fußbodenheizung warm bekommen. Die Wärmepumpe läuft dann zwar nicht optimal, aber technisch ist das machbar und energetisch sinnvoll – alles eine Frage des Puffervolumens und der Wärmeabgabefläche. Wir sprechen hier über Hydraulik – übrigens der Grund, warum Wärmepumpen so teuer sind. Häufig muss die ganze Installation der Leitungen, Pumpen und Heizkörper überarbeitet werden. Auf diese Optimierung des Heizkreislaufs entfallen etwa zwei Drittel der Kosten.

Gibt es derzeit eigentlich genügend Wärmepumpen am Markt?

Die guten Wärmepumpen von etablierten deutschen Herstellern haben lange Lieferzeiten – bis zu 14 Monate. Aber das sind dann auch die besten Geräte, die zu bekommen sind. Um was geht es: Die Außenanlage soll nicht so hässlich sein. Sie soll im Betrieb möglichst leise sein. Und effizient arbeiten. Wenn ich 30 000 Euro investiere, dann will ich auch die beste Anlage haben.

Für 30 000 Euro kann ich ein Einfamilienhaus optimal ausrüsten?

30 000 bis 35 000 Euro – und davon geht die Förderung noch ab. Wenn es komplizierter wird oder das Haus größer ist, dann sind vielleicht 45 000 Euro nötig. Aber wenn öffentlich berichtet wird, eine Wärmepumpenanlage koste zwischen 50 000 und 80 000 Euro, dann ist das Panikmache. Oder mal ein Einzelfall, bei dem ein Haus komplett mit einer neuen Fußbodenheizung ausgestattet wird.

Also die Lieferfähigkeit ist gesichert, aber man braucht etwas Geduld, richtig?

Wärmepumpen von asiatischen Herstellern bekomme ich binnen weniger Wochen. Da sind die Lager in Deutschland und Polen voll. Nachteil: Die Geräte sind teilweise lauter, nicht ganz so effizient und manchmal schlicht hässlich. Das Hauptproblem ist aber ein anderes: Oftmals sind sie nicht auf das Hydraulik­niveau eingestellt, das wir in Deutschland normalerweise haben. Konkret: viele Heizkreise, hydraulische Trennungen, ist ein Kamin oder eine Solaranlage eingebunden und so weiter – das macht es kompliziert. Dann funktioniert die Kommunikation zwischen den Bauteilen nicht mehr optimal.

Werden Wärmepumpenanlagen perspektivisch günstiger, wenn der Markt gesättigt ist und die Nachfrage sinkt?

Eher nicht. Wir reden da vielleicht über 1000 bis 2000 Euro bei den Geräten, aber der Umbau der Hydraulik wird durch die Inflation und diverse Faktoren eher teurer. Auf dem Preissektor wird sich meines Erachtens nicht viel zum Positiven tun.

Wie hoch ist die Lebensdauer einer Wärmepumpe?

Unter normalen Umständen 15 Jahre. Und wenn mal ein technischer Fehler auftritt, dann kann man ein Bauteil austauschen. Das ist alles überschaubar.

Sind denn nach 15 Jahren noch Ersatzteile zu bekommen?

Gute Frage – bei den klassischen Heizungsgeräten wandelt sich das gerade. Früher gab es eine Nachkaufgarantie von 20 bis 25 Jahren. Heute sinkt die Nachfrage, was sich negativ auf die Ersatzteilgarantien auswirkt. Und die Hersteller wollen lieber neue Geräte verkaufen. Ersatzteile für eine 20 Jahre alte Gastherme? Das kann schon mal schwierig werden. Zum Thema Wärmepumpe: Im schlimmsten Fall tausche ich dann irgendwann die Geräte aus, aber die Hydraulik, also das teure Leitungssystem, bleibt ja.

Niemand wird normalerweise warten, bis seine altersschwache Heizungsanlage den Dienst versagt, sondern mit Blick auf die Lieferzeiten vorher neue Technik installieren. Alt ist zwar relativ, ab wann sollte der Gasthermen- oder Ölheizungsbesitzer darüber nachdenken?

Eine zwei oder drei Jahre alte Gastherme rauszuschmeißen, ist nicht sinnvoll – auch wenn ich perspektivisch vielleicht die Förderung für eine neue Wärmepumpe verliere. Bei fünf bis sechs Jahre alten Anlagen macht es vielleicht mehr Sinn, in die Haus-Isolierung zu investieren statt auf eine Wärmepumpe umzusteigen. Dann kann man mit einer Gastherme weiterhin effizient heizen. Es bleibt allerdings spannend, was sich der Gesetzgeber in Zukunft noch einfallen lässt, um die deutschen Klimaziele zu erreichen. Wasserstoff als Beigabe zum Gas ist beispielsweise so ein Zukunftsthema, das dazu führen könnte, dass wir auch weiterhin mit Gas heizen. Es gibt allerdings Überlegungen Wasserstoff in einem separaten Leitungsnetz zu transportieren. Das Handwerk fragt sich, ob der Ausbau der Fernwärme nicht den Wasserstoff für den Wohnungsbau sticht.

>> Web: https://www.hartmann-
haustechnik.info/