„Es muss einen Ruck in der Unternehmenskultur geben“

Wirtschaftsförderung besteht aus vielen Modulen – wie Con­tainer auf einem Frachtschiff. Christof Starke, seit August neuer Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung im Landkreis Stade, hat sein Team Anfang November mit einem weiteren Fachmann komplettiert: Sven Römer kümmert sich um das Thema Fachkräfteentwicklung. Foto: Wolfgang Becker

Wirtschaftsförderung im Landkreis Stade: Christof Starke und Sven Römer über Maßnahmen zur Fachkräfteentwicklung in den ländlichen Gebieten

Mit dem Arbeitsbeginn von Sven Römer Anfang November ist die Wirtschaftsförderung im Landkreis Stade wieder komplett. Der 26-jährige Akademiker hat trotz seines Alters bereits eine bewegte berufliche Vita und wird sich unter der Leitung von Christof Starke (45) vor allem um das drängende Thema Fachkräftemangel kümmern. Starke, mittlerweile seit drei Monaten auf dem Posten, hat einige Ideen, wie sich Unternehmen aus dem Landkreis Stade aufstellen können, um attraktiv für Arbeitnehmer zu werden. Beide bestätigen, dass das Fachkräftethema derzeit an Brisanz zunimmt. Mittlerweile müssen sich die Unternehmen bewerben, wenn sie neue Mitarbeiter suchen. Doch wie geht das?

Es gibt eine Reihe von Faktoren, die bei der Suche nach einem neuen Job oder der Antwort auf eine Stellenausschreibung eine Rolle spielen. Christof Starke: „Dabei geht es längst nicht nur um das Gehalt. Eine wichtige Rolle spielt die Frage, wie ich meinen neuen Arbeitgeber erreiche. Unsere Aufgabe ist es, die Unternehmen dabei zu unterstützen, sich dem potenziellen Bewerberkreis in einer Form zu präsentieren, die attraktiv ist. Dazu zählt zum Beispiel auch die Mobilitäts­frage.“

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Die andere Seite der Arbeitswelt

Wie kompliziert und anstrengend es ist, einen weit entfernten Arbeitsplatz zu erreichen, hat Sven Römer im vergangenen Jahr am eigenen Leib erfahren: Er pendelte täglich von seinem Wohnort in Heimfeld (Harburg) in den Kreis Plön, um dort die Wirtschaftsförderung im Bereich Tourismus und Standortentwicklung zu unterstützen: „Jeden Tag 250 Kilometer . . .“ Mit seinem neuen Job in Stade hat er diese Strecke schon mal mehr als halbiert. Der Wahl-Harburger hat in Salzgitter seinen Bachelor im Stadt- und Regionalmanagement gemacht und in Vechta einen Master im Fachbereich Geogra­phien Ländlicher Räume drangehängt. Zuvor hatte er eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik absolviert und neben dem Studium fünf Jahre als Postzusteller gejobbt. Kurz: Er kennt auch die andere Seite der Arbeitswelt. Sein Ansatz für die Gewinnung von Fachkräften für Unternehmen im teilweise ebenfalls sehr ländlichen Landkreis Stade: „Es muss einen Ruck in der Unternehmenskultur geben.“

So sieht es auch Christof Starke, der die Kernfrage stellt, die jeder Personalsuchende verinnerlichen sollte: „Warum sollte jemand bei mir arbeiten wollen?“ Oder auch: „Warum bin ich ein attraktiver Arbeitgeber?“ Der Wirtschafsförderer: „Wir müssen einen überzeugenden Leistungsprozess abbilden. Das betrifft insbesondere die begleitenden Fragen beim Job-Wechsel: Wie steht es um Themen wie Wohnen, Schule und Kindergarten – wenn Kinder da sind –, Freizeit und Mobilität?“ Auch die Breitbandversorgung dürfte heute für viele Menschen ein wichtiger Punkt sein – zumindest, wenn mit dem neuen Arbeitsplatz ein Wohnortwechsel ansteht, der ins flache Land führt.

Christof Starke hat noch einen weiteren Ansatz: „Viele Unternehmen sind in der Öffentlichkeit gar nicht präsent. Wer Personal sucht, muss wahrnehmbar sein und ein gutes Image aufbauen. Dazu zählt auch, sich potenziellen Bewerbern ansprechend zu präsentieren. Das Fachkräfteportal Yojo bietet zum Beispiel an, dafür Videos einzusetzen (siehe Seite 17, d. Red.). Das Fachkräftebündnis Elbe-Weser hat für entsprechende Projekte und Maßnahmen eine Fortsetzung durch das Niedersächsische Wirtschaftsministerium bis 2021 erhalten.“

Eine Art Willkommenspaket

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Und das wäre eine erste Idee: „Wir denken darüber nach, ein Ansiedlungspaket zu schnüren, das Unternehmern bei der Personalsuche an die Hand gegeben wird. Eine Art Willkommenspaket. Warum sollte jemand, der aus beruflichen Gründen in den Landkreis Stade zieht, in der Phase der Wohnungssuche nicht direkt unterstützt werden – beispielsweise durch kostenlose Angebote der Kinderbetreuung oder der Mobilität? Dazu werden wir Gespräche mit geeigneten Partnern aus den Kommunen und der Wirtschaft führen – wenn wir so etwas auf die Beine stellen könnten, sollte das für den gesamten Landkreis gelten.“

Starke und Römer sind sicher, dass die Talsohle des Fachkräftemangelns noch lange nicht erreicht ist. Sie rechnen damit, dass sich die Situation in den kommenden zehn Jahren verschärfen wird. Besonders betroffen dürften dabei die dezentral platzierten Unternehmen sein. Deshalb sei es gut, sich jetzt konkret Gedanken zu machen und als Teil der südlichen Metropolregion Hamburg gut zu positionieren.wb

Web: https://www.wf-stade.de/