„Wir bringen Erfinder und innovative Unternehmen zusammen“

Beim Hamburg Innovation Summit: Dr. Markus Kähler (rechts) im Erfindergespräch mit Prof. Dr. Florian Grüner von der Universität Hamburg. Foto: DESYBeim Hamburg Innovation Summit: Dr. Markus Kähler (rechts) im Erfindergespräch mit Prof. Dr. Florian Grüner von der Universität Hamburg. Foto: DESY

Das IP-Management der Tutech betreut Universitäten und Forschungsinstitute als Patentverwertungsagentur Hamburg

G emeinsam bringen sie 90 Jahre Indus­trie­erfahrung mit: Das zehnköpfige Team von Dr. Markus Kähler, seit 2010 Leiter des IP-Managements bei der Tutech Innovation GmbH in Harburg, besteht aus Experten, die ursprünglich in den Bereichen Elektrotechnik, Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Chemie und Biologie aktiv waren. Heute verfolgen sie alle ein Ziel: Forschungsergebnisse aus den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf ihre Nutzbarkeit für industrielle Anwendungen zu überprüfen und zu sichern. IP steht für Intellectual Property – es geht um das geistige Eigentum von Forschern und Entwicklern an der Technischen Universität Hamburg (TUHH), der Universität Hamburg (UHH), der Helmut-Schmidt-Universität (HSU), der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) sowie einiger Forschungsinstitute wie das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI) und das Heinrich-Pette-Institut (HPI) . Der 48-Jährige beschreibt die Aufgabe seiner Abteilung so: „Wir bringen Erfinder und potenzielle Nutzer so zusammen, dass norddeutsche Innovationen ihren weltweiten Weg in die Anwendung finden.“

Wenn an Hochschulen anwendbare Forschungsergebnisse entstehen, dann sind die IP-Spezialisten in Harburg die erste Anlaufstelle. Sie beraten, sprechen Empfehlungen aus, verfügen über ein großes Netzwerk an Kontakten gerade auch zur Industrie, veranlassen und koordinieren Patentverfahren, kommunizieren weltweit und entwickeln zusammen mit den Erfindern Ideen, wie die Ergebnisse von der Wirtschaft verwertet werden könnten. Markus Kähler, von Haus aus Mikrobiologe, kam von der TUHH über Abstecher in die Industrie und bei einem Start­up zu einem Patentdienstleister. Sein Team hat vergleichbare Wege absolviert und dabei sehr vielfältige Erfahrungen gesammelt und Netzwerke geknüpft. Er sagt: „Viele Wissenschaftler wissen, dass sie bei uns kompetente Ansprechpartner finden. Die Pläne für die Vermarktung der Technologien entwickeln sich zumeist in Gesprächen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Häufig erleben wir zunächst, dass die Erfindungen nicht zu 100 Prozent mit dem Bedarf potenzieller Nutzer zusammenpassen. Dann ist es auch unsere Aufgabe, hier zu einer Optimierung beizutragen und beispielsweise eine Weiterentwicklung anzuschieben.“

Verwertung ist ein herausforderndes, aber lohnendes Geschäft

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Das klingt zunächst ganz einfach, aber Dr. Kähler sagt: „Die Verwertung von Erfindungen ist ein herausforderndes Geschäft. Allein für mein Team bedeutet das etwa 3000 bis 5000 Telefonate mit Unternehmen pro Jahr. Es kann manchmal mehrere Jahre dauern, bis es zu einem Vertragsabschluss kommt.“ Aus den oben genannten Einrichtungen landen pro Jahr etwa 100 bis 150 neue Erfindungen im IP-Management der Tutech. Daraus resultieren im Schnitt 30 bis 40 Vertragsabschlüsse. Dr. Kähler: „Der Verwertungserfolg reduziert sich nicht nur darauf, ein interessiertes Unternehmen zu finden und beispielsweise die Nutzungsrechte für ein Verfahren zu verkaufen. Sehr häufig ergeben sich aus den Firmenkontakten Projektideen, die am Ende auch zu konkreten Forschungsaufträgen für eine Uni führen können.“ Seit 2013 hat die Abteilung IP-Management mehr als zwei Millionen Euro Einnahmen durch den Verkauf von Schutzrechten erzielt, aber weitere 20 Millionen Euro durch Forschungsaufträge, die sich aus den Kontakten entwickelt haben.

Um was es konkret gehen kann, zeigen diese Beispiele: An der TUHH forschte Prof. Dr. Jörg Müller am Institut für Mikrosystemtechnik an der Miniaturisierung von klassischen Messgeräten für den Einsatz in der chemischen Industrie sowie in der Medizin. Mehrere Erfindungen wurden von namhaften Industrieunternehmen übernommen und erfolgreich weiterentwickelt. An der UHH und am DESY entwickelt das Team um Prof. Dr. Florian Grüner neue Verfahren der Röntgen-Fluoreszenz-Bildgebung zur schonenden und genauen Tumorerkennung. Tutech unterstützt aktiv bei der Entwicklung und Vermarktung der Technologie. Seit 2010 wurden zudem etwa 50 Erfindungen der TUHH, der HSU und der HAW allein aus dem Bereich der Luftfahrt für die industrielle Anwendung auf Hamburger Unternehmen übertragen. Dr. Kähler: „Da geht es mal um die Verbesserung der Raumluft in der Flugzeugkabine, um Optimierung der Montageprozesse oder auch Energieeinsparungen.“

Weltweit sind zudem allein etwa 250 bis 300 schutzrechtlich gesicherte Technologien in der Vermarktung, die sich beispielsweise den medizinischen Bereichen Diagnostik und therapeutische Verfahren zuordnen lassen. Weitere Themenfelder sind unter anderem die erneuerbaren Energien, Brennstoffzellen-Technologie, der Schiffbau, innovative Materialien, Nanotechnologie und Messverfahren. Etwa ein Viertel aller Erfindungen, die das IP-Management durchlaufen, stammen von der TUHH, hier insbesondere aus den Materialwissenschaften, der Medizintechnik, der Konstruktionstechnik und der Verfahrens- und Prozesstechnik. In den Life Science Technologien sind insbesondere das UKE, die UHH sowie BNI und HPI ebenfalls stark vertreten. HSU und HAW entwickeln in den zukunftsträchtigen Ingenieurstechnologien die Innovationen, die das IP-Management-Team weltweit vermarktet.

Die Tutech begleitet nicht nur Erfindungen in den Markt, sie greift bereits frühzeitig ein und bietet beispielsweise IP-Strategieberatung für Gründer an. Markus Kähler: „Mit der Sicherung des geistigen Eigentums sollte man sich so früh wie möglich auseinandersetzen. Wie schütze ich zum Beispiel meinen Firmennamen oder ein Produkt. Wann ordne ich Entwicklungen besser als Betriebsgeheimnis ein? Wie verhält es sich mit dem Urheberschutz für Software-Entwicklungen? Und warum kann Software in Verbindung mit Technik auch zu einem Patent führen? Das sind die Fragen, die wir unseren Erfindern gerne beantworten.“ wb

Hintergrund: Bis 2002 galt das Hochschullehrer-Privileg: Damit gehörte das geistige Eigentum an einer Entwicklung den jeweiligen Professoren. Dann kam es zu einer Gesetzesänderung, die den Wegfall des Privilegs zur Folge hatte. Das geistige Eigentum gehört seitdem der jeweiligen Universität. Kompensiert wird diese Änderung allerdings großzügig, indem die Erfinder 30 Prozent aller Einnahmen erhalten, die aus der Verwertung ihrer Erfindung entstehen. Der Vorteil der Neuregelung: Die Verwertung wird zentral vorangetrieben, ist also nicht mehr nur abhängig von der Motivation und dem Einsatz der Erfinder. Dazu wurden auf Landesebene eine oder bei großen Bundesländern auch mehrere Patentverwertungsagenturen ins Leben gerufen. Das IP-Management der Tutech nimmt diese Aufgabe sehr erfolgreich für Hamburg wahr. Das Bundeswirtschaftsministerium und die Hamburger Wissenschaftsbehörde unterstützen die Hochschulen und Forschungsinstitute bei der Verwertung der Technologien durch eine Förderung im Rahmen des Förderprojekts WIPANO.

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