„Da braut sich etwas zusammen“

Migration mit Folgen
Die jüngsten politischen Verschiebungen in Europa führt Rühe auf die immer stärkere Einflussnahme der EU auf die Mitgliedsstaaten und vor allem auf das Thema Migration zurück: „Der Brexit ist ja nicht die Folge zu vieler Flüchtlinge aus Afrika und Nahost. In England lebten vor allem viele Menschen aus Polen – und zwar ganz legal als EU-Bürger. Das wurde bereits kritisch gesehen. Dann ließ Deutschland die Flüchtlinge herein. 2015 sahen die Briten die Bilder aus Deutschland und fürchteten nun endgültig um die eigene Identität.“ Der Umgang mit dem Thema ist aus Sicht des ehemaligen Ministers eine Aneinanderreihung von Fehlern. Rühe vermied zwar den Namen Angela Merkel, aber seine Aussagen lassen keinen Zweifel daran, dass er die deutsche Reaktion auf die Flüchtlingsströme für falsch hält: „Es gab frühzeitig Berichte, dass sich viele Menschen aus den Flüchtlingslagern auf den Weg nach Europa machten. Es gab auch Berichte von Botschaftern. Doch die deutsche Politik entdeckte die Flüchtlinge erst, als sie auf der Straße von Budapest nach Wien unterwegs waren. Wir haben sie dann reingelassen und gemeint, wir könnten sie in der EU verteilen. Auch das war ein Fehler.“ In der Folge gebe es nun ein Erstarken der nationalistischen Kräfte in vielen EU-Ländern.

Pulverfass Nord-Korea
Das Thema, das Rühe heute die größten Sorgen bereitet, ist Nord-Korea. Er geht davon aus, dass es die USA nicht dulden werden, dass ein Land Atomraketen entwickelt, die in der Lage sind, die USA zu erreichen: „Bislang gibt es nur zwei Länder: China und Russland – aber hier funktioniert die Abschreckung. Bei Nord-Korea funktioniert sie nicht, denn wir erleben einen Strategiewechsel der US-Regierung, die mit der totalen Zerstörung droht. Das ist neu und macht mir große Sorge.“

Rühe wurde noch konkreter: „Nord-Korea hat einen Raketentest gemacht, bei dem eine Langstreckenrakete über Japan hinweg in den Pazifik gesteuert wurde. Die Rakete flog eine flache Kurve. Wenn sie die USA erreichen wollte, müsste sie steiler fliegen, in den Weltraum eindringen und wieder in die Atmosphäre eintauchen. Das haben die Nord-Koreaner vermutlich bewusst unterlassen, denn sollte es ihnen gelingen, eine Technik an den Start zu bringen, die das Verglühen des Sprengkopfes beim Wiedereintritt verhindert, dann könnte das sofort einen Krieg auslösen. Die Amerikaner haben sich nicht damit abgefunden, dass hier eine Bedrohung entsteht. Es tickt die Uhr.“

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Die US-Präsidentschaft von Donald Trump lässt Rühe nicht eben ruhiger schlafen. Er macht keinen Hehl aus seiner kritischen Einschätzung, vertraut aber auf die innerstaatlichen Kräfte, die Schlimmeres verhindern können. Seine Aussage: „Wir sind nicht mit Trump verbündet, sondern mit den Vereinigten Staaten von Amerika.“ wb