Quer gedacht: Wie wäre es mit einem staatlich geförderten Berufswechsel?

Hamburgs Senatorin Dr. Melanie Leonhard, unter anderem zuständig für das Thema Arbeit, kämpft für das Arbeitslosengeld Q wie Qualifizierung

Jahrzehntelang hat sich die SPD auf Landes- und Bundesebene an Themen wie Renteneinstiegsalter und Hartz IV abgearbeitet sowie im zurückliegenden Bundestagswahlkampf versucht, mit „Sozialer Gerechtigkeit“ zu punkten. Mittlerweile verliert die Sozialdemokratie immer stärker in den Umfragewerten – Zeit für einen Kurswechsel. Vor diesem Hintergrund kommt jetzt ein innovativer Vorstoß aus Hamburg: Dr. Melanie Leonhard, Senatorin für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, beschreibt im Interview mit Business & People ein neues Berufsmodell, bei dem eben nicht der Sprung ins soziale Netz, sondern die „zweite Chance“ gefördert wird. Konkret: In einer sich verändernden Arbeitswelt könnten Menschen im mittleren Alter noch einmal einen völlig neuen Beruf ergreifen.

Die Senatorin räumt ein, dass diese Idee in der SPD „noch wachsen muss“. Offenbar haben noch nicht alle Genossen verstanden und akzeptiert, dass sich die Arbeitswelt rasant verändert und noch längst nicht einen Stand erreicht hat, von dem sie annehmen ließe, er sei nun so etwas wie die neue Arbeitswelt. Sie sagt: „Menschen haben nicht mehr 40 Jahre denselben Beruf. Statt diese Vorstellung mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, sollten wir unsere Systeme auf den schnelleren Wandel in der Arbeitswelt einstellen. Sie sollten erlauben, dass man noch einmal etwas ganz Neues macht. Auch wenn noch eine komplette neue Ausbildung erforderlich ist. Das müssen wir fördern.“ Wer bereits eine Familie hat und etwas Neues machen möchte, stößt dabei schnell an seine Grenzen, denn laufende Kosten wollen bezahlt werden. Auch das hat die Harburgerin bedacht: „Wir müssen doch erkennen, dass jemand mit 35 oder 40 Jahren und Familie noch einmal ganz andere Anforderungen an den Lebensunterhalt hat als ein 19-Jähriger, der bereits zum dritten Mal seine Ausbildung nicht gepackt hat.“ Mit ihrer eigenen Partei geht Melanie Leonhard durchaus deutlich ins Gericht: „Ich halte es für falsch, sich ideologisch am Rentenalter oder Hartz IV abzuarbeiten. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, neu anzufangen. Für die Politik heißt das: Wir müssen die Rahmen-strukturen dafür schaffen.“ Einen Arbeitstitel hat die Idee auch schon: Arbeitslosengeld Q – eine familienkompatible Förderung, die der Qualifizierung dienen und maßgeschneidert für jeden sein könnte, der den Willen hat, sich beruflich neu aufzustellen oder weiterzuentwickeln.

Von Wolfgang Becker

Anzeige