Recycelte Windparks

Rückbau von Offshore-Anlagen: Bremerhaven möchte als Hafenstandort mitmischen.

Von Ursel Kikker

Häfensenatorin und Wirtschaftsförderer wollen den Hafentrumpf ziehen: Wenn Offshore-Windparks wieder abgebaut werden, will sich Bremerhaven als Anlaufhafen anbieten. Selbst wenn sich die ersten Häfen schon auf den Weg gemacht haben, sei dieses Geschäft noch nicht verteilt, sagen Experten. Bremerhaven dürfe sich deshalb durchaus Chancen ausrechnen. Dass viele Spielregeln noch nicht feststehen, erschwert allerdings die Vorbereitung.

Ein Beispiel: Mit welchen Schiffen werden die großen, schweren Bauteile demontierter Windenergieanlagen an Land gebracht? Mit den großen Errichterschiffen, wie sie die Bremerhavener aus der Aufbauphase kennen, oder vielleicht mit von Schleppern gezogenen Bargen? Anders ausgedrückt: Ist ein Liegeplatz am Strom erforderlich, bietet sich die ABC-Halbinsel im Bremerhavener Nordhafen an, oder passt dieser Schwerlasttransport durch die Doppelschleuse, um den Labradorhafen oder den Fischereihafen II zu erreichen?

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„Das ist ein Geschäft, das nur wassernah läuft“, sagt Nils Schnorrenberger, Chef der Bremerhavener Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS. Hinter der stabilen Kaje müsse eine größere Fläche liegen, um die großen Anlagenkomponenten in kleinere, transportable Einheiten zu zerlegen. Teure Schwerlasttransporte auf der Straße für den Weitertransport zur eigentlichen Verwertung wünsche sich sicher kein Windparkbetreiber. Schnorrenberger rechnet mit mindestens fünf Hektar, am besten gleich mit den erforderlichen Genehmigungen nach dem Bundesimissionsschutzgesetz.

Windparkbetreiber sind verpflichtet, jede einzelne Anlage auf See wieder abzubauen. „Alpha ventus“ heißt der erste deutsche Offshore-Windpark rund 45 Kilometer vor der Insel Borkum. Seit 2010 speisen die zwölf Anlagen dort Energie ins Stromnetz ein. Zwischen 2030 bis 2035 dürften sie das Ende ihrer 20- bis 25-jährigen Lebensdauer erreicht haben. Damit würden sie die ersten der bisher rund 1500 Windkraftanlagen (WKA) in Nord- und Ostsee sein, die zurückgebaut werden müssen.

Größte Mengen ab 2035

„Wir erwarten die größten Mengen ab 2035“, sagt Dr. Detlef Spuziak-Salzenberg vom Institut für Energie und Kreislaufwirtschaft an der Hochschule Bremen. Er leitet das Forschungsprojekt „RecycleWind“, in dem es um die Verwertung ausrangierter Windenergieanlagen geht. Unter anderem würden nach ersten Trendabschätzungen bis 2040 rund 100 000 Tonnen Rotorblätter, 380 000 Tonnen Turmsegmente und 350 000 Tonnen Gondeln anfallen. Große Mengen.

Doch solche Massen laufen nicht auf ein Mal auf die Häfen zu. „Wir rechnen damit, dass maximal ein bis zwei Offshore-Windparks pro Jahr zurückgebaut werden“, sagt Spuziak-Salzenberg.

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Die stählernen Türme und Gründungsstrukturen lassen sich durch Brennschneiden portionieren, um abtransportiert und eingeschmolzen zu werden. Mehr Probleme machen andere Komponenten. Die Rotornabe enthalte viel Gusseisen, schildert Spuziak-Salzenberg. Es müsste bei größeren Gewichten und Wandstärken unter Umständen in einer Fallgrube mit schweren Gewichten zertrümmert werden. In den Gondeln seien Permanentmagnete verbaut, die für den Transport zunächst entmagnetisiert werden müssten.

Außerdem fehlten Standorte, um daraus neue Magneten zurückzugewinnen. „Wie das im großen Stil bewerkstelligt wird, ist noch nicht geklärt“, sagt Spuziak-Salzenberg. Für die Rotorblätter sei eine eingehauste Zerlegeeinheit erforderlich, um sie zu zersägen. Sie sind aus verschiedenen Kunststoffen gefertigt, die mit Glas- oder Carbonfasern verstärkt sind.

Es gibt noch viele Fragen

Carbonfaserkunststoffe (CFK) müssten effizient von den anderen Materialien getrennt werden, um die Recyclingwege der glasfaserverstärkten Kunststoffe (GFK) in die Zementindustrie oder zur Produktion von Mineral-Plastic-Compound-Produkten (MPC-Platten, -Dielen) nicht zu gefährden.

Womöglich wird noch viel mehr angelandet. Wie gehen die Windparkbetreiber mit den Gründungsstrukturen um? Werden sie abgetrennt oder komplett aus dem Sediment entfernt? Was ist mit dem Kolkschutz? Sollen die Steine, auf denen sich inzwischen Muscheln und andere Meeresbewohner angesiedelt haben, entfernt werden? Was ist mit der kupferhaltigen Verkabelung eines Windparks? Aus dem Meeresboden holen oder lieber nicht?

Fragen wie diese machen deutlich: In der gesamten Prozesskette sind diverse Punkte bisher ungeklärt. Doch die Antworten sind entscheidend für das, was ein Anlaufhafen bieten muss.