Wenn Lieferketten zerreißen

Foto: ScheerStillstand im Hafen. Der deutsche Export ist in Folge der Corona-Krise dramatisch eingebrochen. || Foto: Scheer

Kontaktstelle hilft Unternehmen im Land Bremen bei Problemen durch Corona.

Von Christoph Bohn

Im Land Bremen wird die Kontaktstelle für internationale Lieferketten als Kooperation des Wirtschaftsressorts und der Handelskammer Bremen betrieben. Bei Letzterer ist sie auch angesiedelt. „Für einen international orientierten Industrie- und Handelsstandort wie Bremen, aber auch für die gesamte deutsche Wirtschaft, sind funktionierende nationale und internationale Lieferketten von erheblicher Bedeutung“, unterstreicht Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Matthias Fonger.

Das Angebot der Kontaktstelle im Land Bremen werde gut angenommen, bestätigt Torsten Grünewald, Referent Geschäftsbereich International der Handelskammer Bremen. Er schätzt, dass mehr als 90 Prozent der Unternehmen im Land Bremen von der Pandemie betroffen sind. „Viele von ihnen auch gleich von zwei Seiten aus: zum einen bei der Zulieferung von Teilen, zum anderen beim Verkauf und Export der fertigen Produkte“, erläutert Grünewald.

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Angefangen habe es damit, dass Containerschiffe in China nicht mehr entladen worden seien. Die Folge: Container wurden knapp. Im weiteren Verlauf der Pandemie seien die Transportketten fast zum Erliegen gekommen, insbesondere die zwischen Asien und Europa. „Das hat beispielsweise im Automobilbau dazu geführt, dass Teile knapp wurden.“ Aber auch Importeure von Saisonwaren, wie beispielsweise chinesischem Spargel, habe es getroffen.

Derzeit normalisierten sich die Lieferketten aber wieder, in China laufe die Produktion fast normal, sagt Grünewald. „Und auch wenn es noch Probleme bei Transportkapazitäten und Frachtpreisen gibt, hat man grundsätzlich keine Probleme, eine Ware von A nach B zu transportieren.“ Allerdings beträfen viele Fragen von Unternehmen die Vertragserfüllung, wenn es zu zeitlichen Verzögerungen bei Lieferungen komme – weil beispielsweise Container nicht verfügbar seien oder Kapazitäten in der Luftfracht nicht zur Verfügung stünden.

Und es gibt neue Probleme. „Um den Handel anzukurbeln wäre es von großer Bedeutung, dass die Unternehmen wieder Geschäftsreisen aufnehmen und Investitionen tätigen können. Ebenso wäre es für die Erfüllung von Verträgen wichtig, dass beispielsweise Monteure oder Servicetechniker möglichst barrierefrei und ohne größere Ein- beziehungsweise Rückreiseprobleme ins europäische und nicht-europäische Ausland reisen können“, sagt Grünewald. Schließlich würden gerade in den Sommermonaten zahlreiche Produktionslinien gewartet oder umgestellt. „Aus den bisherigen Rückmeldungen an unsere Kontaktstelle sehen bei den allgemeinen, voneinander abweichenden Reisebeschränkungen im Moment die größte Verunsicherung“, erzählt der Referent. Insbesondere gelte das bei Fragestellungen zum Grenzübertritt, dem Pendelverkehr, der Ein- und Ausreise über Transitländer oder auch die Rückkehr aus dem Ausland mit Quarantäneregelungen.

Neue Handelsbarrieren

Gerade bei Visa-Pflichten habe es Änderungen gegeben, beispielsweise in den USA. „Teilweise wird die Pandemie auch genutzt, um neue Handelsbarrieren zu schaffen. Es ist also eine Art Protektionismus“, meint Grünewald. Das verhindere zum Beispiel den Abschluss neuer Verträge.

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Auch finanzielle Probleme gibt es. „Zwar ist unser Mittelstand gut aufgestellt, dafür ist es aber international schwieriger geworden“, weiß Grünewald. So würden besonders in China die Zahlungsfristen länger, und auch die USA als bedeutender Absatzmarkt bereite Sorgen. Exportkredite seien also sehr wichtig.

Doch wie kann die Kontaktstelle helfen? Grundsätzlich solle die diese Problemfelder kenntlich machen und aufzeigen, welche Lieferketten durch Corona gestört seien, erläutert Grünewald. Im Hintergrund agiere ein Kommunikations- und Lösungsnetzwerk mit Bundes- und Länderministerien sowie Verbänden. „Gibt es zum Beispiel Probleme mit Visa, sind die Bundesstellen zuständig, wie das Kanzleramt und Auswärtige Amt.“ Bei den Verhandlungen mit den USA könnten diese beispielsweise auch Erleichterungen für US-Bürger ins Spiel bringen.

Eines ist für Hauptgeschäftsführer Fonger wichtig: „Die Handelskammer setzt sich weiterhin für einen weltoffenen und freien Handel für unsere Unternehmen ein.“ Denn die Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven habe einen deutlichen Fokus auf den Außenhandel, sei von freiem internationalen Handel abhängig. Das habe sich auch in der jetzigen Krise gezeigt, bestätigt Grünewald: „Unsere Unternehmen hat es im Exportbereich doppelt so stark getroffen wie die im Rest Deutschlands. Das hat unsere Abstimmung mit den anderen Kontaktstellen gezeigt.“

Und wie werden sich Lieferketten in Zukunft entwickeln? „Wichtig wird sein, sich breiter aufzustellen, um die Sicherheit zu gewährleisten“, meint Grünewald. Das könne beispielsweise bedeuten, die Produktionsorte dichter an Deutschland heranzuholen. „Osteuropa könnte eine Alternative sein, auch wenn die Löhne dort etwas höher sind als in Asien. Dafür sind dann aber die Lieferwege sicherer“, sagt der Referent. Und auch Afrika dürfte interessanter werden. „Derzeit werden bereits Lieferketten umgelegt oder neu aufgebaut“, ergänzt Fonger.