„Wie sieht die neue Welt aus?“

Foto: Wolfgang BeckerFür ihn ist die Corona-Krise noch längst nicht überwunden: Arne Weber, Unternehmer und Investor aus Harburg, sagt: „Wir müssen die Zeichen der Zeit sehen und auf Sicht fahren.“ || Foto: Wolfgang Becker

Investor Arne Weber über die Folgen der Corona-Krise.

Er ist der Grandseigneur unter den Investoren im Hamburger Süden: Arne Weber, Inhaber der renommierten Baufirma HC Hagemann, hat sich nicht nur auf Helgoland verwirklicht, sondern auch andernorts markante Spuren hinterlassen. Vor allem im Hamburger Binnenhafen, den er vor gut 20 Jahren als „Channel Hamburg“ vorausschauend und geschickt in der Hamburger Immobilienlandschaft platzierte. Längst hat sich das Areal den Ruf der „Kleinen Hafen-City“ Hamburgs erworben, mittlerweile viele weitere Akteure auf den Plan gerufen und hohe Investments in den Süden der Hansestadt geleitet. Aktuell hat Weber mit dem Hamburg Innovation Port sein vermutlich ambitioniertestes Projekt gestartet. Der Plan: Raum schaffen für die Erweiterung der Technischen Universität Hamburg und Synergien ermöglichen durch die Ansiedlung weiterer wissenschaftsaffiner Unternehmen im Channel. Doch dann kam Corona. Wie der Unternehmer Weber die Auswirkungen der Pandemie einschätzt, darüber sprach er mit B&P-Redakteur Wolfgang Becker.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage auf dem Investorenmarkt?

Ich glaube, dass wir grundsätzlich in einer sehr schwierigen Situation sind. Und in einer sehr schwierigen Phase der Pandemie, denn die kann sich noch problematisch entwickeln. Aber keiner weiß so genau, wie es kommen wird. Für uns als Unternehmen bedeutet das: Hauptsache vorsichtig! Wir sagen nicht einfach „Das wird schon . . .“ und legen los. Wir überlegen sehr genau, was wir zu diesem Zeitpunkt tun können und was wir eventuell verschieben. Die Frage ist: Wie sieht die neue Welt aus? Und es wird eine neue Welt geben! Denke, als Investor muss man sehr, sehr vorsichtig agieren.

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Die Rahmenbedingungen verändern sich . . .

Durch Corona sind neue Entwicklungen viel schneller eingetreten. Wir sind digitaler geworden und merken, dass das auch tatsächlich funktioniert. Das Thema Homeoffice wird ebenfalls Spuren hinterlassen.

Wie wird sich das auf die Planung von gewerblichen Bauprojekten auswirken?

Ich denke, es wird erstmal grundsätzlich weniger gebaut werden. Wir merken es jetzt hier bei der TUHH, die aufgefordert wird, hybride Studiengänge anzubieten – also mal in digitaler Form, mal als Präsenzveranstaltung. Das wird Auswirkungen auf Raumbedarfe haben. Andererseits brauchen wir künftig vielleicht langfristig andere Abstände in den Büros und Hygienekonzepte. Jeder hat jetzt ja die Pandemie im Kopf – die ist so schnell nicht wieder rauszukriegen. Es gibt ja sogar Leute, die schlafen mit der Maske und finden das gut . . .

Haben Sie persönlich jemals eine Phase mit so vielen offenen Fragen erlebt?

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Nein. Noch niemals. Ich bin nach dem Krieg geboren, und von da an ging es eigentlich immer bergauf, auch wenn es durchaus viele Krisen gab. Aber über alles betrachtet müssen wir sagen: Die Kurve stieg immer an. Insbesondere in den vergangen 15 Jahren.

Stand heute können wir feststellen: Speziell in der Immobilienbranche und am Bau ist das große Jammern noch nicht eingetreten. Im Gegenteil: Viele Akteure geben Gas. Zu Recht?

Wer heute etwas verkaufen will, beispielsweise eine Eigentumswohnung in guter Lage, der kann das noch zu guten Preisen, weil die Leute ganz massiv Geld unterbringen wollen. Auch die Aktien steigen. Luxusartikel laufen wie verrückt. Neulich in Hamburg stand eine Schlange vor dem Louis-Vuitton-Laden. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Die Leute gönnen sich was. Aber bei der Nachfrage nach Büroflächen registrieren wir bereits eine nachlassende Frequenz. Die Ausschreibungen werden weniger. Die Kommunen haben kein Geld mehr, um ihre Pläne umzusetzen. Meine Einschätzung: Die Delle kommt im Winter. Um die wenigen Ausschreibungen wird ein Konkurrenzkampf entbrennen. Dadurch geraten die Preise unter Druck. Auf dem Immobiliensektor wird sich der Lockdown der Wirtschaft noch ganz deutlich zeigen. Aber am Ende wissen wir nicht, wie es kommen wird – wir müssen die Zeichen der Zeit sehen und auf Sicht fahren.

Durch Corona haben wir den Eindruck, dass die Zeiten unsicherer geworden sind. Aber objektiv betrachtet: Waren die Zeiten nicht immer so, dass unvorhergesehene Ereignisse das stetige Bergauf gefährdet haben?

Ich habe schon seit langem gesagt, dass es nicht immer so weitergehen kann. Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Zenit irgendwann mal erreicht ist und es auch mal wieder nach unten geht. Wir hatten jetzt 15 Jahre Wachstum. Aber wenn heute gute Eigentumswohnungen 20 000 Euro pro Quadratmeter kosten, dann ist das vielleicht gut für den Investor, aber ein bisschen Runterkommen ist ja vielleicht auch nicht falsch . . .

Inwieweit sind HCH-Projekte von der aktuellen Situation betroffen?

Die Frage ist, ob der Hamburg Innovation Port weitergebaut wird oder ob eine Pause eintritt – wir wissen das noch nicht. Die Antwort werden wir bekommen, wenn Mitte Oktober der neue Haushalt vorliegt. Eigentlich brauchen wir als Gesellschaft Geld für die Hochschulen, denn wir brauchen Wissenschaft. Aber wenn das Geld für notleidende Firmen und Familien benötigt wird, dann muss eventuell auch die Erweiterung einer Hochschule zurückgestellt werden. Wenn die TUHH jedoch die bereits spezifizierten Quadratmeter haben möchte, dann bauen wir sofort. Dann fangen wir morgen an. HIP1 habe ich einfach so in die Welt gesetzt, aber HIP2 ist fünf Mal so groß. Da brauche ich Sicherheiten – konkret einen Mietvertrag. Und der muss von der Bürgerschaft beschlossen sein. Ich denke, das wird, wenn es so kommt, Anfang des Jahres sein.

Die TUHH wird aber nicht die gesamte Fläche mieten, oder?

Unser Restrisiko wären dann etwa 5000 Quadratmeter, die wir an die Wirtschaft vermieten wollen – und das sollte gut zu schaffen sein. Wir wollen ja Wissenschaft und Wirtschaft auf einem Flur zusammenbringen. Das ist die Idee.

Eine besonders gebeutelte Branche ist die Hotellerie. Wie beurteilen Sie da die Situation, denn HCH hat ja auch eigene Pläne?

Wir sind 2018 angetreten, das größte Hotel der Hansestadt zu bauen – mit 600 Zimmern. Heute muss ich sagen: Das wäre zum jetzigen Zeitpunkt hochriskant. Wir haben deshalb unser Konzept verändert und den Anteil des kurzfristigen Hotelbetriebs reduziert. Wir müssen davon überzeugt sein, dass das, was wir hier bauen, vom Markt angenommen wird. Vielleicht kann man am Ende der Planungen in dem Haus auch wohnen. Darüber denken wir konkret nach. Nur Hotelbetrieb erscheint uns heute zu wenig. Das damals angekündigte 600-Zimmer-Hotel würden wir jetzt auf keinen Fall bauen.

Letzte Frage: Hamburg will Flächen nur noch in Erbpacht abgeben. Würden Sie als Investor auf so einer Fläche bauen?

Nein. Man muss natürlich den Einzelfall anschauen, aber viele Investoren sind so eingestellt, dass sie nur auf eigenen Flächen bauen. Dazu zähle ich auch. Ich möchte die Dinge immer gern als Eigentümer besitzen, auch um handelsfähig zu bleiben. Erbpacht wäre allenfalls Plan B. Aus der Sicht Hamburgs ist das Vorgehen allerdings verständlich, wenn man sich Optionen für die städtische Entwicklung langfristig offen halten möchte.