Bauen ist Verhandlungssache

Foto: Süderelbe AGHeinrich Wilke || Foto: Süderelbe AG

Neue Kolumne zum Thema Stadtentwicklung: Harburgs urbane Mitte.

Von Heinrich Wilke

„Jeder Grundstückseigentümer hat das Recht zu bauen, sofern das öffentliche Baurecht oder Nachbarrechte dem nicht entgegenstehen. Es muss ihm dann eine Baugenehmigung erteilt werden.“ Der Grundsatz der Baufreiheit war dem Gesetzgeber wichtig, als er mit dem Grundgesetz und dem Baugesetzbuch in der ersten Dekade der Bundesrepublik Deutschland die Weichen für die Nutzung und Bebauung von Grundstücken stellte. In der heutigen Praxis hat die Baufreiheit bei Vorhaben, die über ein einzelnes Einfamilienhaus hinausgehen, praktisch keine Bedeutung mehr. Sofern es nicht bereits das Baurecht selbst ist, gibt es mit Sicherheit irgendeine Nebenbestimmung, die gegen eine Genehmigung spricht. Im Ergebnis fällt es damit schwer, eine Baugenehmigung einzufordern, wenn das Vorhaben auf kein Wohlwollen seitens der Genehmigungsbehörden stößt. Dies ist der Ausgangspunkt für Verhandlungen.

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Und Bauverwaltungen nutzen ihre Verhandlungspositionen. Ging es früher im Wesentlichen um die Art und das Maß der baulichen Nutzung, konfrontieren die Genehmigungsbehörden ihre Bauherren heute mit vielfältigen Zusatzforderungen, die über das Planungs- und Bauordnungsrecht deutlich hinausgehen. Dies kann die Forderung nach Architektenwettbewerben beinhalten, nach öffentlich geförderten Wohnungen, nach Photovoltaik auf dem Dach oder nach Nistkästen für Fledermäuse.

Damit aber noch nicht genug: Der anhaltende Druck auf dem Wohnungsmarkt und der berechtigte Wunsch der Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, kompakte, durchmischte und nachhaltige Quartiere entwickeln zu wollen, konfrontiert private Bauherren mit weiteren Forderungen. Und diese können dann auch den inneren Kern einer Investition betreffen: Festlegung von Wohnungsgrößen, Deckelung der Miethöhe oder Eingriffe in die Bewirtschaftung.

. . . bis hin zur Enteignung

Die Stadt Hamburg hat in Abstimmung mit dem Bezirk Harburg jetzt gezeigt, dass sie bereit ist, bei Bedarf noch weiter zu gehen: Frei nach Goethe „Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt“ will sie ein etwa 34 Hektar großes Gebiet im Stadtteil Harburg als „städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ festsetzen. Das hört sich erst einmal positiv an, und die Absichten der Stadt und des Bezirkes sind sicherlich auch so gemeint. Auf der anderen Seite geht dies mit maximalen Eingriffen in das Eigentumsrecht einher – bis hin zur Enteignung. Die Stadt übernimmt hierbei die Rolle des Projektentwicklers und vereinnahmt planungsbedingte Wertsteigerungen bei den betroffenen Grundstücken. Ob hierdurch im Ergebnis Dynamik und Qualität verbessert werden, muss sich erst noch zeigen.

Der Harburger Binnenhafen verdankt seinen Charme in erster Linie der Tatsache, dass er keinem großen Masterplan gefolgt ist. Unternehmertum und private Investitionen haben ihn zu dem gemacht, was er heute ist. Der Markt hat hier bislang jedenfalls nicht versagt, sondern Einzigartiges hervorgebracht. Für die Grundstückseigentümer innerhalb des Stadtentwicklungsgebietes kann es eigentlich nur heißen: Verhandlungen mit dem Bezirk aufnehmen, um einen Ausgleich der Interessen und eine für beide Seiten akzeptable Lösung herzustellen. Denn die drohende Enteignung kann durch eine Abwendungsvereinbarung vermieden werden.

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Grundstückseigentümer, Projektentwickler und Bauherren werden sich daran gewöhnen müssen, dass die Anforderungen der Genehmigungsbehörden weiter zunehmen. Die gute Nachricht: Die Menschen, die Verantwortung in Politik und Verwaltung tragen, haben in der Regel ein ebenso großes Interesse daran, dass gebaut wird, wie Bauherren oder Projektentwickler selbst. Wenn beide Seiten Verständnis für die Zwänge und Ziele der jeweils anderen Seite aufbringen, wird es weiterhin möglich sein, Ergebnisse zu erzielen, die wirtschaftlich Freude bereiten und gleichzeitig die Stadt lebenswerter und zukunftsfähiger machen. Hierzu will auch der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden beitragen. Auf der einen Seite wird er die besonderen Interessen der Wirtschaft im Auge behalten und Position beziehen. Gleichzeitig wird er auch weiterhin dazu beitragen, das Verständnis zwischen öffentlichen und privaten Akteuren zu verbessern.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Verabschieden sollte man sich davon, dass es irgendwann einmal wieder einfacher wird und schneller geht. Das Verhandlungsfeld des Bauens und Investierens sollte man auch nicht den Fachanwälten für Baurecht alleine überlassen. Wer heute ein wirtschaftlich nachhaltiges Vorhaben auf den Weg bringen will, braucht kreative Planer und geschickte Verhandler.

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wilke@imentas.de