Nachhaltig unsicher

Dipl. Ing. Jürgen EnkelmannVon Dipl.-Ing. Jürgen Enkelmann, Ge­schäftsführer der Wirt­schafts­för­der­gesellschaft mbH für Stadt und Landkreis Lüneburg

Blick.Lüneburg: Kolumne von Jürgen Enkelmann, Geschäftsführer der Wirtschafts­fördergesellschaft mbH für Stadt und Landkreis Lüneburg

In der öffentlichen Diskussion spielt die Wachstumsschwäche deutscher und europäischer Volkswirtschaften keine große Rolle. Das liegt sicherlich an der aktuell guten Beschäftigungslage. Dennoch könnte sich dieses Bild bei negativen Veränderungen im Welthandel schnell eintrüben. Immerhin ist die Androhung von Importzöllen auf Fahrzeuge und Fahrzeugersatzteile für den US-Markt nicht vom Tisch, und Chinas Ankündigung eines Exportstopps für seltene Erden trägt auch nicht zur Beruhigung bei. Gleichzeitig erweist sich die digitale Transformation von Arbeit in einer alternden Erwerbsbevölkerung als komplexe Herausforderung. Hier fehlt es immer noch an Impulsen für eine verstärkte Investitions- und Innovationstätigkeit zur Produktivitätssteigerung.

Vorstandsbeschlüsse auf Konzernebene, wie bei VW, die Nachhaltigkeit ab dem 1. Juli 2019 als verpflichtendes Vergabekriterium für Aufträge an Zulieferer etablieren, verschärfen den globalen Wettbewerb und fordern zugleich die Innovations- und Standortpolitik heraus. Sie sind nur dann hilfreich, wenn eine erstklassige Infrastruktur, ein Bildungssystem mit aktualisierten Bildungsinhalten und eine Kultur des Wagniskapitals vorhanden sind. Dann ließen sich die in Deutschland überdurchschnittlich hohen Energiepreise in Verbindung mit hohen Löhnen und Steuern auch in Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes rechtfertigen. Aber das ist nur mit Einschränkungen der Fall.

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Gleichzeitig stehen der Hoffnung, dass mit der Digitalisierung eine Art Schlaraffenland entstehen könnte, düstere Prognosen vom Ende der Erwerbsarbeit sowie einer Abschaffung von national geregelten Arbeitsstandards und sozialen Sicherungssystemen gegenüber. Ein Blick auf vorhandene Daten und Erfahrungen führt jedoch eher zu dem Schluss: Wir werden auch in Zukunft arbeiten können – und müssen. Allein für die Entwicklung, Produktion und Einführung neuer Technologien wird mehr Personal benötigt. Aktuelle Zahlen belegen, daß der Einsatz arbeitssparender Maschinen und Anlagen in Europa zwischen 1999 und 2010 etwa 1,6 Millionen Jobs vernichtet hat, viele davon in der Produktion. Im gleichen Zeitraum sind durch die Automatisierung fast zwei Mal so viele Arbeitsplätze neu entstanden.

Unter dem Strich ein Zugewinn von rund 1,5 Millionen Beschäftigten durch den technologischen Fortschritt in Europa. Neben Tätigkeiten im Bereich Softwareentwicklung, Marketing und Medien sind es auch Jobs für Geringqualifizierte, etwa im Internethandel und in der Logistik. Es ist allerdings auch belegt, dass der Zuwachs an Beschäftigung in Europa deutlich höher ausfallen könnte, wenn technologiebedingte Unternehmensgewinne nicht in andere Teile der Welt abfließen würden.

Die radikale Unsicherheit der Zukunft sollte weder zur grundlegenden Skepsis gegenüber der Leistungsfähigkeit des Marktes noch des Staates führen. Dennoch müssen Funktionsdefizite konsequenter angegangen werden, damit Deutschland in der Industrie 4.0 und der digital basierten Dienstleistungswirtschaft international nicht weiter an Boden verliert.

Die konsequente Unterstützung von Unternehmensgründung und -wachstum ist in der Region Lüneburg seit Langem der Kern einer ansonsten flexiblen, an Chancen orientierten Standortentwicklung. Sie setzt nicht auf Branchen-, sondern auf Themencluster und unterstützt damit vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Dabei treibt uns die Gewissheit an, dass man gemeinsam mehr Sicherheit im Umgang mit einer unsicheren Zukunft gewinnt.

Fragen an den Autor:
enkelmann@wirtschaft.lueneburg.de

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