Sieben Fragen an Garabed Antranikian:

Foto: TUHH/Lina Nguyen Professor Dr. Dr. Garabed Antranikian ist Präsident der Technischen Universität Hamburg in Harburg. Er setzt auf Kooperation und hofft auf ein Be­kenntnis der Hansestadt zur Technologie. Foto: TUHH/Lina Nguyen

Wir müssen die Barriere in den Köpfen abbauen

INTERVIEW der TUHH-Präsident zum Thema Technologie in der Metropolregion Hamburg

Das Thema Technologie ist in den vergangenen Jahren aus Hamburger Sicht eher auf Sparflamme gefahren worden – zumindest, wenn es darum ging, den Wirtschaftsstandort nach außen zu präsentieren. Hamburg, das ist vor allem die Hafenstadt und die Handelsmetropole. Doch die Szene ist in Bewegung. Die Antreiber der Technologie – in den Unternehmen ebenso wie in der Wissenschaft – arbeiten mit Hochdruck an einer neuen Bewertung, denn in Zeiten von Industrie 4.0, 3D-Druck und dem Internet der Dinge stellt sich die Frage, ob Handel in der heutigen Form und im heutigen Umfang noch langfristig Bestand haben wird. Über den Stellenwert von Technologie sprach B&P-Redakteur Wolfgang Becker mit Professor Dr. Dr. Garabed Antranikian, Präsident der Technischen Universität Hamburg (TUHH).

1: Für eine Technische Universität steht das Thema Technologie zwangsläufig im Mittelpunkt des Handels. Wie bewerten Sie den Stellenwert von Technologie aus gesamthamburger Sicht?
Wir haben tolle Hochschulen in Hamburg, die sich mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen. In den vergangenen fünf Jahren haben wir an der TUHH versucht, dies sichtbarer zu machen. Sowohl für die Gesellschaft als auch für die Politik.

2: Wurden die Hochschulen mit technischer Ausrichtung in Hamburg denn in der Vergangenheit nicht so ernst genommen? Haben Hafen und Handel das Thema unterdrückt?
Natürlich ist der Hafen wichtig, aber trotzdem müssen wir Alternativen suchen. Wir denken langfristig. Es kann durchaus passieren, dass beispielsweise der 3D-Druck in 20 Jahren dafür sorgt, dass Transportsysteme nicht mehr die Wichtigkeit von heute haben. Denn schon heute können wir Dinge in China bestellen – und in Deutschland ausdrucken. Die Hamburger sollten überlegen, ob nicht stärker auf Technologie gesetzt werden sollte. Das Problem ist die Zeit: Man sollte ganz vorn dabei sein. Wir haben alle tolle Ideen, aber der, der am schnellsten ist, wird gewinnen. Es sollte anerkannt werden, dass Technologie und Wissenschaft ein großes Potenzial für Hamburg bedeuten kann.
Es gibt ja durchaus Initiativen, beispielsweise vom hit-Technopark und von der TuTech Innovation, die in diese Richtung gehen . . .Das ist richtig. Aber bremst die Bürokratie aus. Es ist wichtig, dass wir die Themen schnell umsetzen. Innovationen sind nicht planbar, aber wenn sie erkannt sind, sollten sie vor allem schnell umgesetzt werden können.

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3: Was würden Sie Hamburg denn empfehlen?Dass südlich der Elbe eine Art Silicon Valley entsteht und die Elbe keine Barriere darstellt. Wir wollen die kreativen Köpfe hierher bringen. Die TUHH hat bewiesen, dass sie eine attraktive technische Uni ist, die in der ersten Liga spielen kann. Wir sind in der Lage, viel zu bewegen, aber benötigen die Unterstützung der Politik und der Wirtschaft gleichermaßen. Auch dafür ist die Vernetzung innerhalb Hamburgs wichtig. Wir haben beispielsweise bereits strategische Partnerschaften mit dem DESY und dem UKE. Das Problem in Hamburg ist: Jeder denkt, er käme alleine weiter. Das ist in meinen Augen falsch. Es darf keine Konkurrenz-Angst herrschen.

4: Heißt das denn, Konkurrenz verhindert das Geschäft?Ja klar! Nun, eigentlich sollte die Konkurrenz das Geschäft beleben, aber wenn zu viel Konkurrenz herrscht, hindert sie die Zusammenarbeit. Im Prinzip konkurrieren wir  auch nicht, da die Kompetenzen andere sind. Wenn wir die Synergien nutzen, werden wir viel stärker. Wir müssen die Barriere in den Köpfen abbauen. Und dafür brauchen wir Strukturen. Inkubatoren. Das Startup-Dock. Hamburg Innovation. Das sind Einrichtungen für alle.
5: Wie stehen Sie zu einer Zusammenarbeit mit der Leuphana in Lüneburg, der hochschule 21 in Buxtehude und der PFH Göttingen in Stade?Mit diesen Hochschulen können wir auch zusammenarbeiten. Wir haben gerade die Leuphana besucht– dort herrscht große Bereitschaft, gemeinsam etwas zu machen. 

Es ist also Bewegung in der Wissenschaft?
Ja, durchaus. Lüneburg ist ja auch nicht weit weg. Die Lüneburger sind sehr stark in den nichttechnischen Fächern, wir sind stark in den Ingenieurfächern. Wenn wir kooperieren, können wir viel bewegen. Aber diese Haltung gilt nicht nur für unseren Nachbarn in Lüneburg, sondern für ganz Deutschland und sogar für internationale Kooperationen. Wir haben zudem festgestellt, dass wir als Universität in einigen Bereichen wachsen müssen – und bekommen dafür auch Unterstützung beispielsweise von der Handelskammer.

6: Wo will die TUHH wachsen?
In den Querschnittsbereichen. Wir haben unsere drei Kompetenzfelder Grüne Technologien, Medizintechnik und Luftfahrt/Schifffahrt. Zu allen drei Feldern gehört die Digitalisierung. Wir brauchen Digitalisierung in allen Bereichen. Allerdings: Wir stellen auch fest, dass es zu viel werden kann. Digitalisierung ist gut, aber man darf den Menschen nicht aus dem Blick verlieren. Der Mensch muss begreifen, im wahrsten Sinne.  Man darf nicht vergessen: ein Drittel unseres Gehirns ist für die Motorik zuständig. Das gilt auch für eine neue Form der Lehre. Die Leute müssen zusammenkommen, sich wohlfühlen, miteinander reden. Deshalb haben wir die TUHH schöner und Themen begreifbarer gemacht. So initiieren wir praxisnahe Projekte mit den Erstsemestern und bauen selbstgesteuerte Zeppeline – erst waren es 30, im letzten Jahr 200, jetzt sind es 400. Das führen wir Ende März im CCH Hamburg vor. 

7: Sind wir an einem Wendepunkt?
Ja, ich denke schon. Vor allem: Hamburg ist an einem Wendepunkt und hat es jetzt in der Hand zu sagen: Wir können an der Spitze sein in Deutschland. 

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