Förderantrag ja, Statistik nein danke

Rainer Kalbe, Inhaber von Hartmann Haustechnik: Hier sind die täglichen Gefährdungsbeurteilungen pro Mitarbeiter und Einsatz abgelegt . . . Foto: Wolfgang Becker

Hartmann Haustechnik: Inhaber Rainer Kalbe über den täglichen Kampf mit den Auswüchsen der 
deutschen Bürokratie

Formulare sind nicht grundsätzlich schlecht – zu diesem Schluss kommt Rainer Kalbe, Inhaber von Hartmann Haustechnik in Wilhelmsburg. Wenn es beispielsweise um Förderanträge geht, steht sein Team bereit, um den Kunden zu helfen und viel schneller durch den Wärmepumpen-Dschungel zu kommen, als dies für Nichthandwerker möglich ist. Dasselbe gilt für Solar- und Photovoltaik-Anlagen, auch wenn nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen den Klimafonds zurzeit Flaute herrscht. Wo eben noch Förderungen in Aussicht standen, steht nun erstmal ein großes Fragezeichen auf den Stirnen der Ampel-Koalitionäre. Gleichwohl gibt es auch die andere Seite des Papierkriegs. Und die hat es richtig in sich, wie Rainer Kalbe auf B&P-Nachfrage zeigt. Der Heizungsbaumeister hat es aufgegeben, sich über die bürokratischen Kapriolen zu ärgern, mit denen er zum Teil täglich konfrontiert wird.

„Selbstverständlich übernehmen wir es, Förderanträge zu stellen, wenn ein Kunde seine Heizungsanlage gegen regenerative Technik austauschen will. Das kostet uns 30 Minuten und ist vergleichsweise schnell erledigt. Für den Laien sieht das ganz anders aus, weil in dem Antrag technische Fragen gestellt und beispielsweise Jahresarbeitszahlen berechnet werden müssen. Das verunsichert, denn damit können die wenigsten etwas anfangen. Kurz: Solche Anträge bearbeiten wir gerne, denn sie sind zielführend, und es geht um eine wichtige Sache“, sagt Rainer Kalbe und schränkt ein, dass seine Fachleute beispielsweise nicht befugt sind, einen Sanierungsfahrplan für eine Immobilie zu erstellen: „Das muss ein zugelassener Energieberater machen. Den können wir zwar vermitteln, aber zurzeit dauert es oft Monate, bis man einen Termin bekommt. Nachdem nun aber der Klimafonds auf Null steht und der Run auf Wärmepumpen angesichts des politischen Durcheinanders ohnehin angerissen ist, muss man erstmal sehen, wie es weitergeht.“

Anzeige

Was die Behörden interessiert

Worauf Rainer Kalbe überhaupt keine Lust hat, sind „Anträge für die Tonne“, wie er sagt. „Und davon haben wir jede Menge. So sind wir beispielsweise regelmäßig gefordert, dem Statistischen Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein Netto-Preise für Badausstattung zu melden – Armaturen. Toilettenschüsseln, Waschbecken und so weiter. Das sind Artikel, die wir täglich verkaufen. Nun sollen wir die Netto-Preise melden und dazu die Veränderung zum Vorjahr. Das ließe sich im Internet alles leicht recherchieren, denn wenn wir Preise festlegen, orientieren wir uns an dem was marktüblich ist. Der Preis muss doch für den Kunden attraktiv sein. Als Unternehmer bin ich aber verpflichtet, diese Formulare auszufüllen.“

Regelmäßig wollen die Statistik-Behörden wissen, wie es den Unternehmen geht, wie viele Mitarbeiter beschäftigt werden, wie sich die Lohnkosten darstellen und wie es um die betriebswirtschaftlichen Daten steht. Wer die Daten verweigert, riskiert ein Bußgeld. Rainer Kalbe: „Warum fragen die nicht einfach das Finanzamt – die haben doch alles . . .“ Für die Arbeitskostenerhebung (die braucht das Statistische Bundesamt) muss das Handwerksunternehmen seitenweise Formulare ausfüllen – und zum Teil vierteljährlich unaufgefordert beibringen. Dasselbe gilt für die Investitionserhebung. Auch hier: Auskunftspflicht und Bußgeldandrohung bis 
5000 Euro.

Und damit nicht genug: Selbstverständlich muss gegenüber dem Staat die ordnungsgemäße Entsorgung von Baustellenabfällen dokumentiert werden. Wo wurde die alte Badewanne ausgebaut? Welches Volumen hat sie in Litern? Und so weiter. Alles schön ausfüllen. Rainer Kalbe: „Wozu? Keine Ahnung . . .“ Noch komplizierter wird es bei der Entsorgung von Kältemitteln aus Klimaanlagen. Rainer Kalbe: „Was ja durchaus einen ernsthaften Hintergrund hat, denn das sind schädliche Substanzen. Aber: Der Staat will wissen wie viel, wo ausgebaut, aus welchem Gerät? Und wo abgeliefert. Wer das kontrolliert? Ich weiß es nicht.“

„Wozu? Keine Ahnung . . .“

Anzeige

Ob Datenschutzbeauftragter, Arbeitsschutz, Ersthelfer oder Arbeitsmedizinischer Dienst – alles muss nachgewiesen und dokumentiert werden. Den Papierrekord hält allerdings ein anderes Thema: die tägliche Gefährdungsbeurteilung pro Mitarbeiter und Einsatz. Rainer Kalbe zeigt auf fast einen Meter Ordner – alles Nachweise. Um was es geht? „Wenn ich einen Mitarbeiter damit beauftrage, auf einer Baustelle ein Klo abzubauen, dann muss ich ihn darüber aufklären, dass das runterfallen und seinen Fuß verletzen könnte. Ich muss ihm auch sagen, dass Keramik splittert, wenn sie zerbricht – deshalb ist eine Schutzbrille zu tragen. Oder ein anderes Thema: Wenn jemand eine Leiter benutzt, muss ich wiederum nachweisen, dass ich dem Mitarbeiter erklärt habe, was passieren kann, wenn er abrutscht. Kommt es zum Unfall und ich habe keinen Nachweis, bin ich in der Haftung.“ Beim Umgang mit Gefahrstoffen hat das Formular der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sage und schreibe 19 Seiten. Abgefragt werden unter anderem Parameter wie pH-Wert, Siedepunkt und Flammpunkt pro Aggregatzustand . . .

Die Liste der bürokratischen Auswüchse ließe sich locker weiterführen – da wäre zum Beispiel noch die DGUV V3 Prüfung (regelmäßige Kontrolle aller elektrischen Geräte durch einen Elektrofachmann), die angeordnete betriebsärztliche Untersuchung von Mitarbeitern, die mit Montageschaum gearbeitet haben, und so weiter. Rainer Kalbe: „In der Regel geht es darum, den Unternehmer in die Haftung zu nehmen, wenn etwas passiert. Es ist ja völlig in Ordnung, Mitarbeiter zu schulen und zu schützen und zu informieren. Aber die geforderten Dokumentationspflichten – die erschlagen einen.“ wb

>> Web: www.hartmann-haustechnik.info