Verpasste Chancen – WLH zum Thema Tourismus: Bispingen zeigt, wie es geht

Etwa zehn Jahre wird es dauern, bis das Gewerbegebiet „Gauß‘scher Bogen“ in Bispingen voll belegt ist. Der Reservierungsplan zeigt allerdings deutliche Aktivitäten im westlichen „Tourismus-Gürtel“ – hier werden gezielt Flächen für tourismusaffine Betriebe vorgehalten.

Sie zeigen am Beispiel Bispingen auf, welche Chancen Tourismus im Süden Hamburgs hat, und appellieren an die Kommunen, mehr Mut zu haben: WLH-Geschäftsführer Wilfried Seyer (rechts) und sein Stellvertreter René Meyer. Foto: Wolfgang Becker

Wie viel Tourismuspotenzial hat der Landkreis Harburg? Diese Frage rückt derzeit aus mehrerlei Gründen in den Fokus. Zum einen wirbt die Harburg-Info des Citymanagements mit den touristischen Vorzügen des Umlandes, zum anderen zeigt die Gemeinde Bispingen im benachbarten Heidekreis, was sich aus dem Thema machen lässt. Während sich im Landkreis Harburg zunehmend Unternehmen ansiedeln, fallen Aspekte der Naherholung und des Freizeitangebotes zunehmend in den Schatten. Wilfried Seyer, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg GmbH, sieht darin eine verpasste Chance. Da die WLH auch das Gewerbegebiet „Gauß’scher Bogen“ in der Heidegemeinde Bispingen vermarktet, weiß er aus erster Hand, dass Nachfrage von Investoren aus dem Tourismussektor vorhanden ist. Kurz: Im Landkreis Harburg ist bei dem Thema noch Luft nach oben. Viel Luft.

Die Horrorvorstellung vergangener Jahrzehnte: Walt Disney plant einen Freizeit- und Vergnügungspark à la Paris in der Metropolregion Hamburg und hat sich als besten Standort den Landkreis Harburg ausgesucht. Spätestens bei dieser hypothetischen Idee ging dem letzten Heide-Imker die Pfeife aus. So einen Rummelplatz wollte und will niemand haben. Der Landkreis Harburg stand eher für Nordheide-Romantik mit Spinnenweben im herbstlichen Wacholder, Erika im Gegenlicht, Pilzsammler mit Hut und Kutschfahrten in Undeloh – also bloß keine Mickey Mouse im Büsenbachtal auswildern.

Die Skepsis ist gewichen

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Vor dem Hintergrund der Entwicklung im Gewerbegbebiet Gauß´scher Bogen in Bispingen ist Seyer nachdenklich geworden. Der WLH-Chef: „Das Beispiel Bispingen zeigt, das da, wo bereits etwas vorhanden ist, immer noch mehr hinzukommt. Ich muss auch sagen: Als wir die Vermarktung von Bispingen mit der Vorgabe übernahmen, Flächen für den Tourismus vorzuhalten, waren wir skeptisch.“ WLH-Prokurist und Immobilienexperte René Meyer fügt hinzu: „Jetzt überlegen wir bereits, ob wir für tourismusaffine Betriebe nicht mehr Fläche bereitstellen sollten.“

Auch im Landkreis Harburg poppen auf dem Bildschirm immer wieder Anfragen von Investoren auf. Bei den Gemeinden überwiegt aber nach wie vor eine kritische Haltung, wenn es um innovative Konzepte geht, wie zum Beispiel den Sportsdome, für den im Landkreis Harburg einen Standort gesucht wurde und der nun in Hamburgs Hafencity verwirklicht wird.

Zur konkreten Situation am „Gauß’schen Bogen“: Das Gewerbegebiet östlich der A7 hat 14,5 Hektar Fläche. Auf der anderen Seite der Autobahn sind mit dem Snow Dome und dem Kart-Center bereits zwei beliebte Freizeitziele etabliert, die auch von Unternehmen für Betriebsausflüge und Firmen-Events genutzt werden. In der Folge steigt die Nachfrage nach Hotelübernachtungen. Ein regionaler Investor plant deshalb im Gewerbegebiet Bispingen ein 3-Sterne-Hotel mit etwa 100 Zimmern und Gastronomie. Er hat von der WLH rund 6200 Quadratmeter Fläche gekauft und nun drei Jahre Zeit, seinen Plan zu realisieren. Baustart soll 2019 sein. Auch für das direkte Snow-Dome-Umfeld gegenüber gibt es dem Vernehmen nach Hotelbaupläne.

Barfuß durch die Nordheide

Damit nicht genug: Ralf Oster, er betreibt „Das verrückte Haus“ auf der Westseite der A7, hat ebenfalls 5000 Quadratmeter am „Gauß’schen Bogen“ gekauft und dort das „Abenteuer Labyrinth Lüneburger Heide“ eröffnet – ein wandelbarer Irrgarten als Freizeitspaß für die ganze Familie. Wilfried Seyer: „Ein voller Erfolg.“ Ein weiteres Projekt ist im Gespräch: das „Abenteuerland Lüneburger Heide“, eine ganzjährig geöffnete Indoor-Einrichtung mit Trampolinpark, Kinder-Kletterpark und einem Ninja-Warrior-Parcours. Die Beispiele zeigen, dass Tourismus-Angebote auf Nachfrage stoßen und vor Ort wiederum für Arbeitsplätze sorgen.

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Wilfried Seyer: „Mit dem Barfußpark in Egestorf haben wir auch im Landkreis Harburg ein Beispiel aus jüngerer Zeit, das erfolgreich am Markt ist und mittlerweile mehr als
100 000 Besucher pro Jahr anzieht.“ Alles Leute, die nur gern mal barfuß laufen möchten. Es muss also nicht immer gleich das dicke Disney-Land sein, wenn es um Tourismus geht. Auch der Baumwipfelpfad im Wildpark Nindorf wird ganz sicher attraktiv. Bispingen gehört in Niedersachsen übrigens mittlerweile zu den Top-Five-Tourismus-Standorten, was letztlich auch am Center-Park liegt, der für reichlich Übernachtungen sorgt. Aber auch darüber hinaus hat sich die Gemeinde zu einem attraktiven Ziel für Kurzurlauber entwickelt und baut diesen Wirtschaftszweig weiter aus.

Bedenken wohin man schaut

Wilfried Seyer: „Im Landkreis Harburg bevorzugen wir den naturnahen Tourismus. Aber auch da gibt es Innovation. Junge Menschen entdecken zunehmend die Heidelandschaft. Die sind aber mit modernen Technik unterwegs. Dafür benötigt man flächendeckenden Internetzugang.“ Man könnte zum Beispiel Wanderwege mit QR-Codes statt mit verwirrenden Zahlen und Buchstaben kennzeichnen. Auch der Bau einer klassischen Ferienhaus-Siedlung wäre ein Projekt, über das sich nachdenken ließe. Aber da kommt dann aus den Erfahrungen der Vergangenheit die Angst vor den Leuten hoch, die so ein Haus kaufen, um dort Dauerwohnsitze zu errichten, mit der Folge, dass die öffentliche Hand zum Beispiel Schulbusverkehr einrichten müsste.

Last not least: Noch ein weiteres touristisches Projekt ist still und heimlich untergangen – der Stöckter Hafen in Winsen. Hier existiert eine Ideenskizze zur Schaffung einer Marina für Sportboote mit 100 Liegeplätzen. Es gab zwar Zuspruch aus der Winsener Stadtpolitik, letztlich war es wohl doch zu viel des Guten und so wurde es nichts mit einer feinen Idee. Wilfried Seyer: „Entwicklungen gibt es auf der anderen Seite der Elbe. Unsere Deichverbände sehen aber die Elbe wohl leider eher als Gefahr für das Hinterland, denn als Chance für touristische Entwicklung.“ wb