„Die Zeit des billigen Geldes ist vorbei“

Nebenan an der Frankenstraße entsteht das Wohn- und Geschäftshaus „F10“: Vorstandssprecher Thorsten Rathje (links) und Matthias Möller, Bereichsleiter Immobilien bei der Hamburger Volksbank, können den Baufortschritt vom Fenster aus beobachten. Die Bilder an der Wand zeigen eine Visualisierung des Projekts. Foto: Wolfgang Becker

B&P-GESRPÄCH Thorsten Rathje, Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, über eine Zeit im Umbruch und einen Strategiewechsel.

Es gibt viele Gründe für Pessimisten, die die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland schwarz zu sehen, aber bei allen schlechten Nachrichten finden sich auch positive Aspekte. Einen benennt Thorsten Rathje, Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank, im Gespräch mit B&P. Das Thema: die Situation auf dem Immobilienmarkt. Rathje: „Erfreulich ist auf jeden Fall schon mal, dass wir keine Negativzinsen mehr haben. Die Zinsen sind zurück. Allerdings ist das Tempo, mit dem die Zinswende von der Europäischen Zentralbank umgesetzt wurde, schon eine Herausforderung. Beim Jahresstart haben wir noch Baufinanzierungen um und bei ein Prozent gehabt, jetzt sind wir bei drei Prozent.“ Erfreulich daran ist zum einen, dass Banken zu ihrem klassischen Geschäftsmodell zurückkehren können, zum anderen, dass es perspektivisch auch eine Verzinsung von Guthaben geben wird. Rathje: „Mittlerweile gibt es bei Termingeldern schon wieder eine Verzinsung – allerdings reicht die bei Weitem nicht aus, um die Inflation auszugleichen. Deshalb legen wir Wert darauf, dass unsere Kunden ausführlich zu weiteren Anlagemöglichkeiten beraten werden, wie zum Beispiel Wertpapiere und Fonds.“

Eine Glaskugel hat auch Thorsten Rathje nicht zur Hand – niemand weiß genau, wie sich die kommenden Monate und Jahre entwickeln werden. Er sagt: „Die Geldentwertung liegt derzeit bei acht Prozent, in der Eurozone gesamt bei neun Prozent. Teilweise werden schon Stimmen laut, die von zweistelligen Werten sprechen. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass die EZB eingreift und der Inflation etwas entgegensetzt. Ich persönlich rechne damit, dass es bis zum Jahresende weitere Zinsanhebungen geben wird.“

Darauf kommt es jetzt an: Lage, Lage, Lage

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Die Steuerungsmaßnahmen der EZB wirken sich auf alle Märkte aus, insbesondere den Immobilienmarkt, wie Rathje sagt. „Wenn wir unser Kreditgeschäft in Summe anschauen, kann ich sagen: Für 2022 sieht das noch recht gut aus. Da haben wir Wachstum. Aktuell spüren wir aber schon eine gewisse Zurückhaltung. Wenn sich das so fortsetzt, werden wir das auch an den Zahlen merken. 2023 wird vor dem Hintergrund sicher herausfordernd.“

Während der Nullzinsphase flossen Gelder von Anlegern verstärkt in Immobilien. Die Rede war vom Betongold. Immobilien galten als sichere und werthaltige Anlage. Dazu sagt Thorsten Rathje: „Die Immobilie ist immer noch eine gute Anlagemöglichkeit, aber es kommt auf drei Dinge an: Lage, Lage, Lage. Wir sind in einem Umbruch, aber die gute Lage einer Immobilie macht den Wert aus – insbesondere, wenn sie vernünftig finanziert und mit Eigenkapital ausgestattet ist. Da kann man nach wie vor nichts falsch machen.“ Im ersten Halbjahr 2022 machten die Immobilienspezialisten der Hamburger Volksbank noch gute Umsätze im Bauträgergeschäft, mittlerweile wird die Situation aber zäher. Die Gründe: Teurere Finanzierungen, weniger Nachfrage, hohe Baukosten, problematische Lieferketten und dadurch schwierige Zeitkalkulationen sowie steigende Materialkosten. Rathje: „Da ist es kein Wunder, wenn der Markt zurzeit eher zurückhaltend reagiert. Aber: Wenn Projekte auf Eis gelegt werden, heißt das ja nicht, dass sie nicht doch noch realisiert werden.“

Das Immobilien-Engagement der Hamburger Volksbank

Perspektivisch rechnet Rathje mit einem weiteren Anstieg der Inflation und damit einhergehend der Zinsen. Er sagt: „Die Erwartungen liegen bei fünf bis fünfeinhalb Prozent, ich denke, es wird eher noch ein wenig höher werden. Das heißt: Wir sind jetzt in einer Beobachtungsphase. Solange die andauert, wird es auf dem Immobilienmarkt eher ruhiger werden.“ Und: „Die Zeit des billigen Geldes ist vorbei.“ Auf das eigene große Neubauprojekt „F10“, das die Hamburger Volksbank auf dem Nachbargrundstück an der Frankenstraße in Hammerbrook vorantreibt, wirkt sich die aktuelle Situation nicht aus, wie Thorsten Rathje bestätigt. Nebenan wird der Baugrund zurzeit vorbereitet – eine Ramme ist im Einsatz, der Grundstein ist also noch nicht gelegt. Er sagt: „Wir sind im Zeitplan. Unser Ziel ist es, im dritten Quartal 2024 fertig zu sein.“ „F10“ ist ein echtes Eigen-Investment der Hamburger Volksbank, geboren in Zeiten der Nullzinspolitik, als Banken nach alternativen Geldeinnahmen Ausschau halten mussten.

Thorsten Rathje: „Die Zinswende wirkt sich auch auf unsere Immobilienstrategie aus. Investments dieser Art, dazu zählt auch der Kauf von Mehrfamilienhäusern, rücken nun wieder in den Hintergrund. Stattdessen werden wir verstärkt auf unsere Bestands­immobilien schauen und daraus etwas machen.“ Dabei handelt es sich im Wesentlichen um ehemalige Filialen, die nun entwickelt werden. In Rissen entsteht ein Neubau, in Eißendorf (Harburg) wird über ein Projekt an der Eißendorfer Straße nachgedacht, und für den Standort Barmbek gibt es ebenfalls Pläne. wb

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