„Wir arbeiten komplett digital“

Was bedeutet das für den Bereich der umfassenden Diagnostik. Helfen solche Datenbanken beispielsweise dabei, Erkenntnisse über den Verlauf bestimmter Krankheiten zu gewinnen? Lassen sich diese Daten wissenschaftlich und womöglich automatisch analysieren?
Vor zehn Jahren war die Euphorie groß, dass man vielleicht eines Tages den Radiologen gar nicht mehr benötigt, aber diese Erwartung hat sich bisher nicht erfüllt. Es gibt zwar CAD-Systeme, computerassistierte Diagnosesysteme, in der Mammographie und in der Lungendiagnostik, aber auch hier gilt: Das menschliche Auge ist am Ende immer noch besser – deshalb hat sich diese Entwicklung nicht durchgesetzt. Unterstützend kann man die CAD aber einsetzen: Der Computer zeigt an, was er für suspekt hält, aber dann schaut sich der Radiologe die Auffälligkeit genau an. Die Gefahr dabei ist, dass sich der Mensch zu stark auf den Computer verlässt. Bislang ist das allenfalls ein Forschungsthema.

Welchen Vorteil hat die digitale Datenspeicherung für die Hancken-Klinik?
Für uns ist die Digitalisierung enorm wichtig. Wir haben demnächst acht Standorte im nördlichen Elbe-Weser-Gebiet und ein zentrales Speichersystem. Die Standorte sind alle mit Ein-, manche auch mit Zehn-GigaBit/s-Leitungen vernetzt. Da wir in der Region Stade, Buxtehude, Cuxhaven, bis kurz vor Bremen arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass wir einen Patienten schon einmal untersucht haben und dann auf seine Voraufnahmen zurückgreifen können. Das hilft sehr bei der Diagnostik.

Wäre es eines Tages denkbar, dass der Arzt virtuell durch den Körper des Patienten marschiert und beispielsweise mal im Gallengang nach dem Rechten schaut?
Das können wir schon heute, zwar nicht durch den ganzen Körper, aber von den Hohlraumsystemen können wir Innenansichten liefern. Wenn die Gastroenterologen bei einer Darmspiegelung nicht weiterkommen, weil beispielsweise der Darm zu sehr verschlungen ist oder eben ein Tumor ihn einengt, dann füllen wir den Darm mit Luft und machen eine Computertomographie. Dabei können wir dann virtuell durch den Darm hindurchfliegen und alle Abschnitte anschauen, auch dort, wo das Endoskop nicht hinkam. Allerdings lassen sich dabei keine Proben entnehmen und auch keine Polypen abtragen. Gibt es einen Befund, muss der Gastroenterologe oder Chirurg noch einmal tätig werden.

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Wir haben jetzt viel über Diagnostik gesprochen. Stellt sich die Entwicklung im therapeutischen Bereich anders dar?
Die Radioonkologie hat sich ständig weiterentwickelt. Die Strahlentherapien, die wir heute mit unseren beiden Linearbeschleunigern durchführen, können exakt auf das Behandlungsfeld ausgerichtet werden, dabei können selbst Atemverschiebungen während der Bestrahlung und auch Veränderungen des Herdes im Verlauf der Therapie genau berücksichtigt werden. Das Zusammenspiel von unseren Radioonkologen und Medizinphysikern und Hochleistungscomputern führt dazu, dass wir sehr präzise Tumorherde bei größtmöglicher Schonung der Umgebung bestrahlen können. Dank dieser Entwicklung und der bereits erwähnten diagnostischen Fortschritte wie der PET-CT stellt sich das Thema Bestrahlung heute sehr viel effizienter und verträglicher dar als noch vor zehn oder 20 Jahren.

Neben der Strahlentherapie sind die systemischen Tumortherapien ein Gebiet, in dem in vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt wurden. Die Behandlungen mit Zytostatika sind nicht nur viel verträglicher, sondern durch die Kombination mit anderen Wirkstoffen und gegebenenfalls einer Strahlentherapie auch deutlich wirksamer geworden. In unserer hämatoonkologischen Ambulanz und auf unseren Stationen setzen wir beispielsweise alle aktuellen Methoden wie Antikörper-, Hormon-, Immun- und Molekular-Therapien ein. Dank der Fortschritte in der Bestimmung der spezifischen Tumormerkmale und der Entwicklung entsprechender Medikamente können wir Patienten auch mit einer personalisierten Therapie behandeln, die exakt auf ihren speziellen Tumor ausgerichtet ist. Diese Therapien werden individuell auf den Gesamtzustand des jeweiligen Patienten abgestimmt und können bei uns ambulant wie stationär durchgeführt werden.

Erwarten Sie hier größere Fortschritte als im Bereich der Technik?
Eindeutig ja. In der Forschung nach Genmutationen und anderen Ursachen, die unkontrolliertes Zellwachstum auslösen, gibt es ständig neue Erkenntnisse. Die Entwicklung neuer Wirkstoffe zur Vernichtung von Tumorzellen, zur Verlangsamung des Wachstums wird rasant fortschreiten. Die bereits heute verfügbaren Therapeutika haben zu einer deutlichen Verlängerung der Lebenszeit geführt. Einige Krebserkrankungen können zwar nicht geheilt, aber oft in ein chronisches Stadium überführt werden. Diese Patienten können bei guter Lebensqualität viele Jahre leben. Und ich denke, das ist ein entscheidender Punkt für die Betroffenen.

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