Torsten Schrell, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Lüneburg, über eine Welt im Krisenmodus und die Auswirkungen auf die Süderelberegion.
Vor gut drei Jahren schien die Welt noch in Ordnung. Seitdem ist Deutschland im Krisenmodus und das fordert nicht nur die Bevölkerung in Gänze, sondern insbesondere die Politik, die Verwaltungen – und die Unternehmer, die ihre Firmen durch die unruhigen Zeiten manövrieren müssen. Schon nach Ausbruch der Pandemie hieß es vielfach „Wir fahren auf Sicht!“, doch seit die russische Autokratie unter Putin das Nachbarland Ukraine überfallen hat, ist der Nebel noch dichter geworden. B&P-Redakteur Wolfgang Becker bat den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Lüneburg um eine Einschätzung der Lage. Torsten Schrell ist soeben im Amt bestätigt worden und nun weiterhin auf der Brücke der Sparkasse gefordert.
Wenn wir die zurückliegenden Jahre betrachten, reiht sich Krise an Krise – wie gehen Sie damit um, dass sich die Welt so schnell dreht und Planungen ständig wieder verworfen werden müssen?
Dass wir in den zurückliegenden drei Jahren so viele Anpassungsmechanismen gefunden haben, um auf die Krisen zu reagieren, hätten wir uns vorher gar nicht vorstellen können. Es ist, als erlebten wir diese Phase im Zeitraffer.
Es war uns ja allen bekannt, dass wir unsere Wirtschaft nachhaltiger aufstellen müssen, aber das zog sich. Jetzt erleben wir eine unglaubliche Beschleunigung der Prozesse, die aber schon längst als notwendig erkannt waren. Das gilt nicht nur für mobiles Arbeiten, sondern insbesondere für die Energiewende. Ich erlebe das persönlich durchaus positiv, denn wir sehen jetzt, zu was wir in kurzer Zeit in der Lage sind.
Die jüngste Krise, die uns direkt betrifft, berührt das Thema Energie und damit sowohl Privat- als auch Geschäftskunden. Kurz: Alles wird teurer und das verfügbare Geld wird knapper. Ist diese Welle bei Ihnen in der Sparkasse schon voll angekommen und was bedeutet das für die Zukunft?
Das muss ich eindeutig mit Ja beantworten. Die Energiekrise und die daraus folgende allgemeine Verteuerung trifft uns als Sparkasse genauso wie auch unsere Kunden. Das Thema Versorgung ist allgegenwärtig. In der Folge werden die Kunden unsicherer und vorsichtiger. Das heißt: Sie sparen mehr als vorher. Und sie halten sich zurück, wenn es um Anschaffungen geht. Das wiederum merken die Unternehmen, die nun ebenfalls vorsichtiger werden. Auch dort ist Sparen angesagt, was wiederum auf Investitionen durchschlägt. Das berührt unser Sparkassengeschäft direkt. Es weiß ja noch niemand so genau, was jetzt zum Jahresbeginn auf ihn zukommt. Das ist der Prozess, der zurzeit abläuft.
Im Immobilienbereich liegen derzeit viele Objekte auf Eis. Im Wohnungsbau drehen sich zwar noch die Kräne, aber Wohnungen, die heute nicht genehmigt werden, werden morgen nicht gebaut. Wie stellen Sie sich auf diese Entwicklung ein, denn Baugeschäft ist ja in vielerlei Hinsicht auch Sparkassengeschäft?
Ich denke nicht, dass wir einen überhitzten Immobilienmarkt hatten, aber wenn man zurückschaut, ist schon klar zu sehen: Die Preissteigerungen am Immobilienmarkt waren hoch – sowohl beim Kauf als auch beim Bauen. Jetzt kommen einerseits die gestiegenen Zinsen, andererseits die ebenfalls gestiegenen Lebenshaltungskosten auf die Kunden zu, die eben noch bauen oder kaufen wollten, nun aber merken, dass das Budget nicht mehr ausreicht. Ein Beispiel: Wer 250 000 Euro finanzieren will und nun 2 bis 2,5 Prozent mehr Zinsen zahlen muss, der hat im Monat etwa 500 bis 600 Euro Mehrkosten. Dann noch die teurere Lebenshaltung – da wird es schnell eng. Das fühlt sich für die Kunden zunächst einmal nicht gut an. Meine Prognose: Diese Entwicklung wird sich auf die Baupreise niederschlagen. Schon jetzt sinken auch die Immobilienpreise. Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, könnten wir demnach in zwei bis drei Jahren eine Normalisierung auf dem Immobilienmarkt erleben.
Wie beurteilen Sie die Gesamtsituation speziell aus Lüneburger Sicht – ist die Welt hier noch heiler als andernorts?
Lüneburg ist nach wie vor eine begünstigte Region. Wir haben keine grundlegenden strukturellen Probleme wie anderswo, sind aber von der allgemeinen Entwicklung wie alle gleichermaßen betroffen. Lüneburg ist eine Wachstumsregion und ein toller Standort. Ich denke, wir werden vergleichsweise gut durch diese Phase kommen.
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr einer durchschlagenden Rezession ein und was bedeutet das für unsere Region?
Eine Rezession werden wir wahrscheinlich bekommen, aber ich denke nicht mit durchschlagender Wirkung.
Thema Inflation: Man könnte sagen: Endlich wieder Zinsen! Womit in Banker-Kreisen vor gut einem Jahr noch niemand ernsthaft gerechnet hat. Nun ist das alte Geschäftsmodell wieder auferstanden. Und mit ihm auch die Inflation. Ist die Rückkehr der Zinsen nun eigentlich eine gute oder eine schlechte Nachricht?
Die Zinsen sind schnell gestiegen, aber im langfristigen Vergleich immer noch sehr niedrig. Sie werden vermutlich noch ein bisschen weiter steigen, aber die Inflation wird sinken, wenn der Zinshöhepunkt erreicht ist. Aus meiner Sicht wird 2023 ein Übergangsjahr. 2024 werden wir dann vielleicht tatsächlich die Rückkehr des alten Geschäftsmodells erleben. Das halte ich für möglich. Allerdings haben uns die zurückliegenden Jahre gelehrt, dass unsere Welt extrem in Bewegung ist. Wir wissen nicht, was alles noch passieren wird. Aber wie eingangs geschildert: Wir haben gelernt, uns schnell darauf einzustellen.
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