Ein Vitaminstrom made in Germany

Foto: Wolfgang BeckerSo sorgen Global Fruit Point aus Buxtehude und Elbe-Obst für einen weltumspannenden Handel – Beim Export bleibt Deutschland allerdings unter seinen Möglichkeiten || Foto: Wolfgang Becker

Apfelmarkt – wer kann liefern?

Der Lebensmittel-Einzelhandel, und damit auch der Fruchthandel, gehört zu den Branchen, die durchgängig seit dem Lockdown Mitte März mit dafür sorgten, dass die Moral der Bevölkerung einigermaßen stabil blieb. Ablesbar daran: Die Umsatzzahlen sind deutlich gestiegen – bei Obst und Gemüse dem Vernehmen nach um bis zu 15 Prozent. Jetzt hat sich die Situation etwas entspannt, und die Apfelernte im Alten Land ist im vollen Gange. Von hier geht das beliebte Obst nicht nur auf die heimischen Märkte, sondern sogar bis nach Taiwan. Ein Vitaminstrom made in Germany. Doch es gibt auch die Gegenbewegung: den Vitaminstrom aus Übersee. Das Buxtehuder Unternehmen Global Fruit Point GmbH sorgt dafür, dass in den Supermärkten saisonal beispielsweise frische Tafeltrauben, Steinobst, Bio Bananen, Beeren, Kernobst (auch Bio), Exoten und Zitrusfrüchte zu haben sind. Mit Sven Heinsohn, Geschäftsführer bei Global Fruit Point, sowie Marketingleiter Jens Anderson und Export-Spezialist Torben Kuhring von Elbe-Obst sprach B&P über den weltweiten Fruchthandel.

Vermarktung à la Elbe-Obst

Der weitaus größte Teil der 170 000 Tonnen Äpfel, die allein über Elbe-Obst pro Jahr in den Handel gebracht werden, ist für den deutschen Markt bestimmt. Jens Anderson: „Jeder fünfte Apfel in Deutschland kommt von uns.“ Zehn verschiedene Sorten werden im Alten Land vorrangig angebaut, darunter auch der „Red Prince“, der besonders gute Lagereigenschaften hat und den Hauptanteil der Exportware ausmacht. Anderson: „Bis 2014/15 war Russland unser Hauptexportland, doch dann traten nach der Krim-Annexion Sanktionen in Kraft – darunter ein Handelsstopp für Äpfel. Das bedeutete für uns, dass wir andere Märkte aufbauen mussten. Heute liefern wir Äpfel nach Skandinavien, England, Taiwan, Malaysia, Singapur und den mittleren Osten zum Beispiel Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Auch Kanada haben wir als künftigen Zielmarkt im Fokus.“ Das Ziel der Exportbestrebungen: Am Ende der Saison müssen die Lager leer sein – dann kommt die nächste Ernte.

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Die eindrucksvolle Auflistung der Exportländer darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dem Handelsvolumen zum einen nur um einen Bruchteil der Gesamternte handelt und dass es keineswegs trivial ist, Handelsverträge mit anderen Ländern zu schließen. Hier sind alle EU-Staaten auf sich gestellt, wie Jens Anderson sagt: „Bereits 2006 haben wir erste Gespräche mit Taiwan geführt, die Marktöffnung aber erst 2018 erreicht.“

Export – ein politisches Thema

Die Äpfel aus dem Alten Land werden vom Erzeuger als Rohware an die Annahmestellen zum Beispiel in Apensen, Jork oder Bassenfleth geliefert – dort betreibt Elbe-Obst Sortieranlagen. Exportware wird per Kühlcon–tainer über den Hamburger Hafen verschifft, wie Torben Kuhring erläutert. „Das ist für uns der kürzeste Weg. Die Äpfel sind dann 35 bis 40 Tage bei 0,5 bis ein Grad Celsius unterwegs nach Asien.“

Das Export-Thema ruft Sven Heinsohn auf den Plan, der als Importeur mit weitaus weniger Problemen zu kämpfen hat. Er weiß dennoch um die komplizierten Wege, die zur Marktöffnung zwischen einzelnen Staaten führen und sagt: „Unsere europäischen Nachbarn wie die Niederlande, Belgien, Italien, Frankreich und Polen sind da wesentlich weiter. Auch Spanien als Agrarland hat ganz andere Exportverbindungen. Hier müsste das Bundeslandwirtschaftsministerium viel aktiver werden.“ Hintergrund: Verträge, die zur Marktöffnung führen, werden von Staaten geschlossen, nicht von Unternehmen. Dass es keine EU-weiten Verträge gibt, liegt unter anderem an der regional unterschiedlichen Schädlingssituation. Heinsohn bricht eine Lanze für die heimischen Produzenten und vermisst das nötige politische Engagement auf Bundesebene, den Obstbauern zu gesicherteren Einkommenschancen durch mehr Exportmöglichkeiten zu verhelfen.

Import à la Global Fruit Point

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Während der deutsche Apfel durchweg nur zögerlich den Weg in die weite Welt findet – Elbe-Obst ist da eine besondere Ausnahme –, sorgt die Buxtehuder Fruchthandelsagentur Global Fruit Point mit ihren etwa 30 Mitarbeitern, darunter ein halbes Dutzend Kollegen in Rotterdam, für eine kontinuierliche Versorgung von Früchten aus aller Welt an die Kundschaft in Deutschland und Europa. Sven Heinsohn: „Unsere Übersee-Importware beziehen wir aus Südamerika, Mittelamerika, Indien, Neuseeland, Westafrika und teilweise auch China. 65 Prozent unseres Jahresumsatzes machen wir mit Südafrika. Ganz oben auf der Liste stehen Tafeltrauben gefolgt von Zitrusfrüchten.“

Stellt sich die Frage: Wäre Südafrika im Gegenzug eigentlich ein gutes Zielland für Äpfel aus dem Alten Land? Dazu Sven Heinsohn: „Wenn der Markt für deutsche Exporte offen wäre, wären wir vielleicht sogar ein guter Kunde bei Elbe-Obst . . .“ Global Fruit Point bedient als Importeur vor allem den Lebensmitteleinzelhandel und hat Kunden in vielen europäischen Ländern. Zudem ist das Unternehmen stark im Premiumgeschäft auf den Großmärkten vertreten.

„Äpfel nach Indien“

Über das Projekt „Äpfel nach Indien“ berichtet Torben Kuhring. Seit mehreren Jahren wird auf Initiative der Bundesvereinigung der Erzeugerorganisationen und ihren angeschlossenen Mitgliedsunternehmen versucht, den Markt zu öffnen. In der Saison 2018/19 wurden von Deutschland aus zehn Testcontainer mit Äpfeln nach Indien geschickt, vier davon von Elbe-Obst. Nachdem der erste Versuch nicht die erwünschten Erkenntnisse brachte, wurde in der vergangenen Saison noch einmal nachgeliefert, doch dann seien durch Corona massive Transportprobleme entstanden, der Container wurde vorzeitig vom Schiff genommen und erreichte nie das Land.

Inder, die Äpfel essen? Diese Frage beantwortet Sven Heinsohn: „Die USA und Neuseeland sind als Apfellieferanten sehr stark auf dem indischen Markt vertreten. Und zwar mit rot gefärbten Sorten. Rote Früchte sind in Indien sehr beliebt, aus kulturellen, religiösen und emotionalen Gründen. Ähnlich ist es mit Kirschen für den chinesischen Markt. Aber auch die kommen noch nicht aus Deutschland, sondern während der Wintermonate auf der nördlichen Halbkugel aus Chile. Die symbolische Bedeutung einer Kirsche in China ist unvorstellbar.“ Trotz der US-Präsenz: Äpfel made in Germany ließen sich laut Heinsohn in Indien hervorragend vermarkten: „Unsere Tafeltrauben-Lieferanten fragen mich regelmäßig, ob ich nicht deutsche Äpfel liefern kann.“

Die Kooperation

Da Elbe-Obst die Ware über den Hamburger Hafen verschifft, Global Fruit Point aber den laut Heinsohn wesentlich schnelleren und flexibleren Hafen Rotterdam nutzt, treffen sich die Warenströme aus dem Land und ins Land allenfalls mal zufällig. Aber natürlich in den Obst-Auslagen des Handels. Dort liegt dann die Traube aus Südafrika neben dem Apfel aus dem Alten Land. Aber: Es gibt eine besondere Verbindung zwischen beiden Unternehmen. Elbe-Obst vermarktet die Clubsorte „Kanzi“, ein Apfel, der von einem Holländer gezüchtet wurde. Die Anbau- und Vertriebslizenzen werden von dem belgischen Unternehmen GKE weltweit an interessierte Erzeugerorganisationen vergeben. Mittlerweile ist „Kanzi“ nach „Pink Lady“ die Nummer zwei unter den Clubsorten in Deutschland.

Elbe-Obst beliefert den Lebensmitteleinzelhandel zum Teil über das gesamte Jahr mit dieser Sorte, die Erntemenge reicht aber nur für etwa neun Monate. Deshalb kommt Global Fruit Point ins Spiel und importiert von Juni bis September weitere Mengenvolumen „Kanzi“ aus Südafrika, Neuseeland, Chile oder Argentinien, um die Versorgungslücke zu schließen. Heinsohn: „Das Schöne: Hier sind zwei Unternehmen aus der Region, die zusammenarbeiten und Synergieeffekte nutzen.“ Die aktuelle „Kanzi“-Ernte findet derzeit statt.

www.frupo.de

www.elbe-obst.de